„Droben im Wassertal“, lautet das Motto des jährlichen Treffens der Zipserdeutschen in Oberwischau/Vişeu de Sus, das heuer vom 9.-10. September begangen wurde. Bisher untrennbar mit einem Ausflug mit der Wassertalbahn verbunden - gefeiert wurde im Wassertal, auf dem Festplatz im Bahnhof von Paltin, neben den Gleisen, dem plätschernden Fluss, umgeben von bewaldeten Berghängen – war diesmal alles anders. Statt der Abenteuerfahrt mit der letzten dampfbetriebenen Schmalspurbahn Europas - Touristenmagnet und zweifellos auch ein Anreiz für die Gäste des Zipsertreffens - wurde „drunten in der Zipserei“ gefeiert. In dem Stadtviertel, in dem die meisten Zipser leben, auf der gesperrten Straße zwischen Forumshaus und Begegnungsheim, tobte ein fröhliches Volksfest für Jung und Alt, das bis in die frühen Morgenstunden dauerte.
„Wir wollten es diesmal bewusst anders machen“ erklärt Leopold Langtaler, der Vorsitzende des Zipserforums, „damit auch unsere alten Leute an der Feier teilnehmen können.“ Für sie ist die Fahrt mit der Wasser-talbahn zu anstrengend, die meisten blieben daher in den letzten Jahren fern. Hinzu kommt, dass der Abfahrtstermin der Züge das fröhliche Zusammensein vorzeitig unterbrach, oder dass einige zu der anschließenden Abendveranstaltung im Talbahnhof nicht mehr kamen. „Nach der langen Rückfahrt will man nur ins Bett“, meint Langtaler und bekräftigt: „Weil das Zipsertreffen aber für alle sein soll, haben wir beschlossen, es von nun an in der Zipserei zu begehen.“
Ein Fest, das alle vereinen soll
Der Erfolg des Festes gibt ihm recht: Zahlreiche Senioren, darunter einige hochbetagte, erfreuten sich an der geselligen Gemeinsamkeit: Volkstänze, traditionelle Musik, deftiges Grillgut und ein kühles Bier. Umgeben von Kindern und Enkeln, die ihrem großen Moment auf der Bühne entgegenfiebern, denn hier darf jeder mitmachen: mittanzen, mitsingen oder ein Gedicht aufsagen. Tanzgruppen versammeln sich für ihren Auftritt, andere haben es bereits hinter sich und erscheinen leger umgezogen. Nach dem offiziellen Festakt erobern Pärchen wirbelnd die Bühne, Jung und Alt formieren sich zu Reigen, Kinder drängen sich dazwischen, hüpfen ausgelassen umher. Sogar ein Hund, der Frauchen und Herrchen aufs Parkett gefolgt war, stand eine Weile ratlos zwischen den zappelnden Menschenbeinen. Hora, Sirtaki oder Braşoveanca – jeder tanzt mit jedem!
Das „neue“ Zipserfest vereint: Zipser, Gäste und die Anrainer in der gesperrten Straße, die sich einfach unter die Feiernden mischen. „Noch mehr aber sind es die Vorbereitungen, die uns Zipser zusammenschweißen“, lächelt Langtaler zufrieden. Bis weit nach Mitternacht hatten Freiwillige am Vortag beim Aufbau des Festzeltes geholfen.
„Ich habe leider kaum Zeit für euch“, begrüßt uns Klara Mihnea am Samstagvormittag vor der Veranstaltung in der Begegnungsstätte. Sie muss gleich von zwölf Frauen, die für das Pocherai-Standl – den traditionellen Backwaren-Verkaufsstand - gebacken haben, die Ware abholen und dann die Trachten für ihre Familie vorbereiten, die am Abend in gleich beiden Volkstanzgruppen - „Edelweiß“ und „Edelweiß Senioren“ - mittanzt.
Im Speisesaal der Begegnungsstätte zieren Ölgemälde von früher die Wände: Ein typisches Zipserhaus; eine überdachte Holzbrücke, wie man sie heute - unter Denkmalschutz stehend - noch in Coşbuc (Bistriţa-Nasăud) bewundern kann. Bis in die 70er Jahre ungefähr verband sie die Zipserei mit dem übrigen Oberwischau. Das dritte Bild zeigt Flößer auf der Wasser/Vaser, der traditionelle Transportweg für Holz, den später die Wassertalbahn ersetzte. Langsam kommt Leben auf: Blasmusiker und Tanzgruppen treffen ein. Draußen prüft der Techniker die Tonanlage. Die Sonne strahlt hochsommerlich zwischen Wattewölkchen vom azurblauen Himmel und straft die schlechte Wettervorhersage Lügen.
Bald ein Zipsermuseum
Den Festakt moderieren zwei Schüler vom technologischen Lyzeum in zwei Sprachen: Călin Hartzos auf Zipserisch und Laura Rus auf Rumänisch. Leo Langtaler verkündet kurz die wichtigsten Neuigkeiten: Die Ankunft des neuen Pfarrers, Olah Szolt, der den bisherigen Seelsorger der katholischen Sankt- Anna-Kirchgemeinde, Istvan Kinczel, ablöst. Die geplante Einrichtung eines Zipsermuseums in einem typischen Holzhaus, das einen traditionellen zipserischen Haushalt mit Gebrauchsgegenständen, Bildern, Büchern und Dokumenten zeigen soll. „Die Finanzierung für das Projekt wurde schon genehmigt, wir würden uns freuen, wenn Sie uns mit einem Rat oder gespendeten Museumsexponaten unterstützen möchten“, wendet er sich an seine Landsleute. Gemeinde, Kirche und Schule dankt er für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und informiert, dass Josef Hölzli, der Vorsitzenden des DFDR Sathmar/Satu Mare, im Zulauf ist.
Ganz auf die Wassertalbahn verzichten müssen wir in Zukunft nicht: „Wir planen fürs nächste Jahr zusätzlich zum Zipsertreff eine selbstständige Feier droben im Wassertal zu organisieren, welche der Waldarbeit und insbesondere den Flößern gewidmet sein wird“, kündigt Langtaler an. Auch am 15. Oktober diesen Jahres gibt es Gelegenheit zu einer Fahrt nach Făina, wenn die Zipser zur Kirchweihfeier in der Kapelle der hl. Elisabeth pilgern.
„Links a Bussl, rechts a Bussl“
Es folgt eine musikalische Einlage der Bläsergruppe „Fanfara Rodna“, dann werden die Knirpse des Kindergartens Nr. 2 von ihrer Lehrerin auf die Bühne geschoben. In adretten Trachtenkleidchen und Latzhosen drehen sie sich brav im Kreise - früh übt sich, was ein echter Zipser werden will. Es folgen Auftritte der Grundschulklassen: Volkstänze, Lieder und Gedichte. Daniel Bora und Sarah Barbagallo rezitieren „Meine Heimat“, Julian Bora „Ich bin ein Wunder“. Chris Nothingher gibt das Preludium von Bach als Gitarrensolo und den „Tango“ von Francisco Tarrega zum Besten.
Aus dem fernen Österreich waren vier Sänger des 50 Mitglieder zählenden Grazer Singkreises Sankt Anna angereist. Die Sathmarer Tanzgruppe „Gute Laune“ unter der Leitung von Karl-Heinz Rindfleisch begeistert mit fünf Tänzen: Für „links a Madl, rechts a Madl, links a Bussl, rechts a Bussl“ ist man immer jung genug! Fast nur „Madln“ gibt es in der Tanzgruppe Regenbogen aus Großwardein/Oradea, geleitet von Ottilia Kellermann – ein „Bussl“ daher für den einzigen Burschen! Die lustigen Liedtexte lösten Begeisterungsstürme aus.
Nachdem eine Art Maibaum tanzend mit Bändern umflochten, das kunstvolle Gewebe tanzend wieder aufgelöst wurde, können sich einige nicht mehr halten: „Ottie! Ottie!“-Rufe begleiteten den Applaus. Mit Schuhplattler, Sauerkrautpolka und „Rot sind die Rosen“ tanzen sich gleich zwei Generationen Zipser in die Herzen der Zuschauer: Edelweiß und Edelweiß Senioren - letztere noch recht jung, es sind die Eltern der jugendlichen Tänzer. Einige davon erkennt man im Chor der Sankt- Anna-Kirchgemeinde wieder: Mit dem Lied „Möge die Straße uns zusammenführen“ unterstreichen sie, was an jenem Abend in der Zipserei geschieht.
Traditionell endet das Zipserfest am Sonntag mit einem Trachtenaufmarsch zur katholischen Kirche der Hl. Anna, zum Festgottesdienst in deutscher Sprache. Mit Engelsstimmen zu Orgeltönen schallt es von der Empore: Missa Brevis in C von Charles Gounod- feierlich. Ave Maria, als Männerstimme - berührend. Zum Schluss die Zipserhymne: Blumenteppich, Bergesriesen unter dem blauen Himmelsbogen, der Riesendom des Waldes, vom Sonnengold durchzognes Heimatland. Über den modernen Übergang, der längst die alte, überdachte Holzbrücke ersetzt, führt der Trachtenzug zurück in die Zipserei. Zurück auf die Straße vor dem Forumshaus, wo fröhlich gemeinsam weitergefeiert wird: Alt und Jung, Zipser und Freunde.