Es gibt eine alte Geschichte von zwei Bauern desselben Banater Dorfes, die gemeinsam auf den Viehmarkt der nächsten Ortschaft gehen, um je eine Kuh zu kaufen. Ihr Auge fällt auf dieselbe Kuh. Sie überbieten sich. Einer kriegt den Zuschlag. Kauft die Kuh und sie gehen gemeinsam, im Kuhtrott, nach Hause. Einer mit, einer ohne Kuh. Unterwegs bietet der leer Ausgegangene dem Kuhbesitzer an, ihm den Kaufpreis auszuhändigen und zusätzlich eine Kröte vom Wegrand zu schlucken. Der Käufer nimmt an. Der Neidische würgt die Kröte runter. Im Kuhtrott geht´s weiter. Heimwärts. Der Erstkäufer im tiefen Nachdenken. Dann bietet er dem Neider an, ihm sein Geld zurückzugeben und auch eine Kröte zu schlucken, wenn er dafür die Kuh zurückkriegt. So geschieht´s. Auch er würgt eine Kröte runter. Sie gehen weiter, im selben Kuhtrott. Sie schweigen. Fragt der Neider in die grillenzirpende Stille: „Warum haben wir eigentlich, jeder, eine Kröte geschluckt?“
In den Verhandlungen um die Regierungsbildung geht und ging es auch ums Krötenschlucken. Rumänien sitzt in einer Falle, wo die Ökonomie Gefangene der Politik ist. Nach dem über ein ganzes Jahr gestreckten Wahlkrieg, nach vernunftsfernem Geldausschütten zwecks Stimmenkauf in dessen Vorfeld und grinsendem Dauerbelügen der EU, haben wir nun einen Präsidenten, von dem im In- und Ausland erwartet wird, den Deus-ex-Machina zu bedienen und ins politische und wirtschaftlich-finanzielle Chaos Ordnung zu bringen – trotz eines tief gespaltenen Parlaments und divergierender Interessen der „pro-europäischen“ Parteien (die eine solide Mehrheit bilden können). Die Rating-Agenturen sind in Lauerstellung, der Wechselkurs hat sich auf etwas ungünstigerem Niveau ein bisserl beruhigt, die Zinsen sind… zurückgegangen. Die Bukarester Börse atmete auf. Die Investorenverbände haben N. D. Dans Wahlsieg begrüßt.
Doch mit der Wahl des Europafreundlichen hat sich die Wirtschafts- und Finanzlage nicht schlagartig verändert. Die Defizite sind gleichgeblieben, das Wirtschaftswachstum ist auf geringstem Niveau, der Konsum wird durch Geldentwertung ausgebremst. Der Bedarf an Ausgleich wird zum Imperativ der Zeit. 2024 sind alle Haushaltseinkommen ausgegeben worden: für die Löhne der Staatsangestellten, für die Zinsenabzahlung für aufgenommene Kredite, für Bedarfsgüter des Staates. Der Fonds für Sozialleistungen (aus den Einnahmen zum Zweck) ist um 35 Milliarden Lei überzogen worden. Das Loch stopfte der Staat. Aus Anleihen. Das nominelle Haushaltsdefizit lag bei 25 Prozent der Haushaltseinnahmen. Kurzum: das Land lebte weit über seinen Möglichkeiten.
Es stellen sich Fragen: Findet sich noch jemand, der Rumänien beleiht? Wenn ja, zu welchen Zinsen? Wie lange drückt die EU noch die Augen zu, angesichts der rumänischen Staats-Völlerei? Halten die Ratingagenturen Rumänien noch lange für kreditwürdig?
N. D. Dan ist ein Optimismusfaktor. Gelingt es ihm, eine Regierung ohne schmierige Parteitypen zu basteln, stiege die Zuversicht. Aber Optimismus hält an, solange es Hoffnungsgrundlagen gibt. Viel hängt vom Fiskalplan ab, den die neue Regierung vorlegen muss.
Die antireformistische PSD, ohne die keine Regierungsmehrheit zustandekommt, muss das Krötenschlucken lernen, will sie Regierungsposten. Ohne Parlamentsmehrheit keine der unpopulären Maßnahmen, die anstehen. Alle Regierungsparteien werden dafür (Wahl-)Federn lassen müssen, Kröten schlucken: Die PNL muss das warme Nest, das ihr die PSD bot, verlassen; die USR muss lernen, mit PSD und PNL politisch zu leben; am besten steht der Ungarnverband, dessen Wählerschaft entscheidend den Europaruck Rumäniens beeinflusste. Doch ob, wie seit fast 35 Jahren, die politische Scherzfrage noch gilt: „Mal schauen, mit wem die UDMR diesmal regieren wird?“
Ideal wäre es, wenn die Kröten Frösche und in ein paar Jahren Prinzen würden.