Der Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes ist und bleibt ein immer wiederkehrendes Thema für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR), doch auch für diejenigen, die nicht mehr vor Ort wohnen, sich aber mit ihrem Herkunftsgebiet verbunden fühlen, sowie auch für diejenigen, die darin den vorhandenen Wert und das entsprechende Potential erkannt haben. Meinungen und Vorstellungen gehen nicht selten auseinander, auch wenn das Ziel das gleiche ist. Auch wenn öfters eher pessimistisch-kritische Stimmen sich in den Vordergrund drängen, wurde und wird viel geleistet. Zugleich ist man bestrebt, mit den Herausforderungen der Zeit Schritt zu halten und den zeitgenössischen Ansprüchen gerecht zu werden. Das neue Tourismuskonzept der EKR, welches von der Stiftung Kirchenburgen entwickelt wurde und den Namen „Fortivacation“ trägt, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Im Rahmen einer Pressekonferenz im „Friedrich Teutsch“ Kultur- und Begegnungszentrum, bei der Bischof Reinhart Guib, Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Cristian Cismaru (Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen) und Hans Königes (Öffentlichkeitsreferent) anwesend waren, wurde der Öffentlichkeit ein umfassendes Konzept vorgelegt, welches neue Weichen in der (Wieder)Belebung des kirchlichen Kulturgutes stellen möchte.
Durch die Anstellung im Dezember 2024 von Cristian Cismaru als Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen konnte eine touristische Expertise in die Arbeit einfließen, die nun erste Ergebnisse vorzuzeigen hat. Cismaru, selbst in der Tourismus-Branche seit 1996 tätig, hat 2007 im Rahmen von MyTransilvania die bekannten Transilvanian Brunches ins Leben gerufen, hat weitere drei Jahre für das Projekt „Anii drume]iei“ gearbeitet, sowie zwei Jahre für România Atractiv². In der Hermannstädter Umgebung ist Cismaru mit seinen Projekten zur Rettung von Hütten in der Bergregion und den dabei entwickelten Nutzungskonzepten, aber auch mit Förderveranstaltungen wie BurdufChallenge kein Unbekannter.
Die bloße Sanierung bringt es nicht
In erster Linie bleibt für die EKR die Bewahrung und Bekanntmachung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene als strategisches Ziel weiterhin erhalten. Doch bleibt die Kirche als Verwalter dieses Erbes mit der unmöglichen Herausforderung konfrontiert, alles zu erhalten, was vorhanden ist. In diesem Sinne wurden über die Jahre Verwertungsmöglichkeiten eruiert, Maßnahmen durchgeführt und Konzepte entwickelt. Dafür wurden Förderungen angegangen, Projekte implementiert, Partnerschaften geschlossen und die Mitgliedschaft in entsprechenden Netzwerken eingegangen, erklärte Bischof Guib. Als Beispiel führte er die in den letzten drei Jahren angegangenen EU-Förderungen an, die innerhalb von drei Sanierungsprojekten eingesetzt wurden oder noch eingesetzt werden sollen: in einem ersten EU-Projekt für insgesamt 10 Millionen Euro 18 Kirchenburgen sowie die Außensanierung der Evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. In einer zweiten Maßnahme wurden Sanierungsmaßnahmen an 16 Kirchenburgen und Kirchen (inklusive die Innensanierung der Hermannstädter Stadtpfarrkirche und die Sanierung der Kirche in Bistritz) für 15 Millionen Euro durchgeführt. In einem dritten Projekt sollen nun drei Großprojekte in Angriff genommen werden: und zwar in Botsch/Batoș (5 Millionen Euro), in Hamruden/Homorod (2,6 Millionen Euro) und Reichesdorf/Richiș (2,5 Millionen Euro). Insgesamt wurden in diesen drei Förderlinien 35 Millionen Euro abgerufen. Trotz mancher Herausforderung, insbesondere was den zu leistenden finanziellen Eigenbeitrag in diesen Projekten betrifft, aber auch in allen anderen durchgeführten Maßnahmen, bleibt eine Frage offen: „Sind diese Bemühungen nachhaltig oder ist dieses der Schwanengesang?“, so Hauptanwalt Friedrich Gunesch. Wobei er hinzufügte, dass die Sicherung des Kulturerbes auf vielen Wegen stattfinde, unter anderem durch die Stiftung Kirchenburgen und das neue Tourismus-Konzept.
Neue Ansätze
„Fortivacation“ wendet sich als Konzept in erster Linie an ein neues Zielpublikum: aktive rumänische Familien mit Kindern, die Natur und eine Beziehung zu den Ortsgemeinden suchen und sich von der Frage der Wertevermittlung an die eigenen Kinder leiten lassen. „Die Nutzung des Kulturerbes bedeutet auch, Familien anzusprechen, die sich eventuell eine Zukunft in diesen Ortschaften vorstellen könnten. Vielleicht sie sogar zu überzeugen, sich in diesen Ortschaften niederzulassen. Es ist wichtig, dass diesen das Kulturgut nahegelegt wird, sie es verstehen, es sich aneignen und dass sie eventuell in Zukunft Teile davon in Eigenverantwortung übernehmen“ erklärte Cismaru. Ziel des Konzeptes ist es, Gelder zu generieren, die dann als Anschubfinanzierungen für lokale Projekte eingesetzt werden können. Dafür sind von den Teilnahmegebühren an verschiedenen Veranstaltungen feste Beiträge als Spende für die Stiftung vorgesehen, die aber gezielt für örtliche Projekte eingetrieben und eingesetzt werden. Das Konzept geht auch immer von der Einbindung der örtlichen Gemeinde aus, so dass die Kirchenburg als zur Gemeinde gehörend neu verankert werden kann. Deswegen werden in das Konzept in erster Linie Ortschaften eingebunden, die selber nicht die Kraft, die Möglichkeit oder das Wissen haben, um eigene touristische Angebote zu generieren. Grundgedanke des Konzepts ist: in der Gemeinde, mit der Gemeinde und für die Gemeinde.
Ferien in der Kirchenburg
Das von der Stiftung Kirchenburgen entwickelte Konzept beruht auf fünf Komponenten: Essen, Bewegung, Handwerk, Erleben und Bildung.
Nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch das touristische Erlebnis. Die Erfahrung, die Cristian Cismaru in 18 Jahren mit den Transilvanian Brunches gemacht hat, wird nun in die Kirchenburgen transponiert. Dabei wird nur auf lokale Gegebenheiten und Angebote gesetzt. In insgesamt 13 Ortschaften werden im Kalenderjahr 2025 Brunches organisiert, wobei ein standardisierter Ablauf durchgeführt wird: zwei Stunden gemeinsames Essen, gefolgt von einer zweistündigen Führung durch Kirche, Dorf und Umgebung, wobei danach weitere zwei Stunden einem Workshop gewidmet sind. Dabei soll auch Know-How an Interessierte, die selber derartige Veranstaltungen durchführen möchten, weitergegeben werden. Die Absicht ist, dass ab 2026 kein zentralisiertes Angebot mehr vorhanden ist, sondern dass Listen mit derartigen Angeboten in den Kleinregionen (Burzenland, Harbachtal, Repser-Ländchen usw.) entstehen und es so zu einem stärkeren und differenzierteren Angebot kommt, wobei dann auch Kunden aus den entsprechenden Regionen leichter angesprochen werden können. Zugleich ist geplant, auf diese Weise die Kirchenburgen als Kulisse für die unterschiedlichsten Veranstaltungen (Freizeit, Familienurlaub, Team-Buildings usw.) vorzustellen und zu etablieren.
Ein Novum sind auch die Angebote, die dem Bereich Bewegung zuzurechnen sind. Es wird zu ersten Mal den „Heritage Run“ am 28. Juni 2025 geben. Mit Startpunkt in der Kirchenburg Birthälm/Biertan werden die Teilnehmer sich an drei unterschiedlichen Rennen beteiligen können: ein Sprint über den Berg nach Kleinkopisch/Copșa Mică, ein Cross nach Tobsdorf/Dupuș und ein Halbmaraton nach Reichesdorf/Richiș, wobei das Ziel immer in der jeweiligen Kirchenburg sein wird. Mittels dieser drei Rennen sollen Projekte in den Zielorten mitgefördert werden. Auf einem ähnlichen Konzept beruht die Măgura Mountainbike Challenge, die am 13. September 2025 zwischen Heltau/Cisnădie und Michelsberg/Cisnădioara stattfinden wird. Angedacht ist, dass nach Möglichkeit auch andere Veranstaltungen der Art (Heritage Run) in Ortschaften organisiert werden, in denen es der Anschubfinanzierung für örtliche Projekte bedarf.
Die Förderung des lokalen Handwerks ist mittels Märkten angedacht, im Rahmen derer Produzenten und Handwerker aus der Region ihre Produkte vorstellen können. Das Konzept des Transilvanian Arts & Crafts wurde erstmals in Deutsch-Weißkirch/Viscri durchgeführt, dann nach Hermannstadt gebracht und soll nun in unterschiedlichen ländlichen Gegenden weitergepflegt werden. Cristian Cismaru erklärte, er habe eine Vorliebe für derartige modulare und dynamische Konzepte, die nach Bedarf transponiert und umgesetzt werden können.
Der Bereich des touristischen Erlebnisses geht von schon existierenden Angeboten seitens Reiseunternehmen aus (z. B. der ab 2025 existierende UNESCO-Heritage-Bus), soll aber auf den gleichen fünf Komponenten aufbauen.
Swimmingpool in der Kirchenburg?
Die Nutzung der Kirchenburg als Bildungsort bleibt ein wichtiges Anliegen von „Fortivacation“. Dafür wurde für zehn Kirchenburgen auf deutsch und rumänisch ein Quiz in Form einer Schatzsuche entwickelt. Dieses liegt in gedruckter Form vor und kann im Einzelgang, aber auch als Gruppe, Familie oder Schulklasse durchgeführt werden. Angedacht ist, dass die Anzahl der vorhandenen Kirchenburgen, sowie der Inhalt der entsprechenden Quizze erweitert wird.
Auch wenn in den schon vorgestellten Modulen des „Fortivacation“-Konzepts die Bildungskomponente auf unterschiedlichen Ebenen mitgedacht ist, gibt es unter dem Titel: „Schule in der Kirchenburg“ ein besonderes Angebot für Schulklassen oder andere Initiativen, die Bildung im Fokus haben. Dabei werden Workshops angeboten, die von dem Gedanken des Handanlegens ausgehen. Die Kinder bauen Modellkirchenburgen, erleben und erfahren dadurch, was eine Kirchenburg ist und wie sie zu verstehen ist. „Bei einem Workshop in der Kirchenburg in Großau/Cristian“, erzählte Cismaru, „haben wir die Kinder aufgefordert, nachdem sie den Modellbau fertiggestellt haben, sich auch die Innengestaltung der Kirchenburg vorzustellen. Dabei platzierten sie dann in der Kirchenburg einen Swimmingpool, einen Fußballplatz und andere für sie wichtige Einrichtungen.“ Davon ausgehend erläuterte der Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, was in der Entwicklung des „Fortivacation“-Tourismuskonzeptes als wichtiges Element mitbedacht wurde: „Kirchenburgen sind Zeugen einer Entwicklung von sieben oder acht Jahrhunderten. Sie beinhalten und umschließen die Alltagsbedürfnisse der Menschen jener Zeit. Es ist uns wichtig, wie die Kinder, die zukünftigen Nutznießer, sich diesen Raum der Kirchenburg vorstellen, denn die Kirchenburg war und ist ein Raum der Menschen. Ohne Menschen gibt es sie nicht. So wie in vergangenen Zeiten die Menschen ihre Alltagsbedürfnisse in die Kirchenburg eingebaut haben, so versuchen wir von Besuchern und Kindern zu verstehen, welche Bedürfnisse sie bei der zukünftigen (Um-)Gestaltung dieser Räume haben.“