„Tradition hat Zukunft“

Der Stefan-Jäger-Preis ging an Mario Mateaș aus Lovrin

Preisträger Mario Mateaș aus Lovrin: „Hoffentlich inspirieren wir mit Lovrin auch andere Orte in der Umgebung, ihre verlorenen Traditionen wiederzufinden. Es braucht nur ein wenig Interesse und ein paar Menschen, die bereit sind, ein paar Stunden ihrer Woche dafür zu investieren“.

Die Forumsvorsitzende von Großsanktnikolaus, Dietlinde Huhn, hielt die Laudatio auf den Gewinner des Stefan-Jäger-Preises. | Fotos: Zoltán Pázmány

Teilnahme am Wettbewerb „Tradiții Sânmiclăușene“ in Großsanktnikolaus | Foto: Dietlinde Huhn

Mario Mateaș bei der Lovriner Kirchweih 2024 | Foto: Lucian Oprea

„Ich wurde letzte Woche von einer unbekannten Nummer angerufen, und als ich ´Hallo, Herr Mateaș´ auf Deutsch hörte, dachte ich, es sei jemand von der Arbeit. Ich dachte mir: ´Jetzt werde ich gekündigt!´“ Mit diesen Worten beginnt Mario Mateaș seine Dankesrede zur Verleihung des Stefan-Jäger-Preises im Rahmen der Heimattage der Banater Deutschen am 14. Juni in der Nationaloper von Temeswar/Timișoara. Ein Satz, halb im Scherz gesagt, und doch voller Menschlichkeit, den Mario auf einem kleinen Blatt Papier aufgeschrieben hat. Der 23-jährige IT-Ingenieur aus Lovrin im Kreis Temesch/Timiș ist ein junger Mann mit vielen Gesichtern, ganz im guten Sinne: IT-Fachmann, Musiker, Volkstänzer, Organisator, Student und Lehrer. Und nicht zuletzt: Brückenbauer zwischen Kulturen und Generationen.

Die Leser der ADZ durften Mario Mateaș bereits vor fünf Jahren kennenlernen, als auf der Jugendseite die Unterzeichnende dieses Artikels ein Porträt von ihm veröffentlichte. Der Titel des damaligen Beitrags lautete: „Mario Mateaș aus Lovrin ist ein vielbegabter Jugendlicher“. Mario war 18, sein Interesse für Computer, Volkstänze und das Klavierspielen war allerdings schon damals rege. Bis zum Stefan-Jäger-Preis, der an junge Menschen verliehen wird, die einen besonderen Beitrag zur Förderung der Banater deutschen Kultur leisten, sollte es noch einige Jahre dauern. Der Preis ist aber wohlverdient, allein schon wegen der Tatsache, dass Mario zwar fest im Berufsleben verankert ist, jedoch nicht das Interesse für die banatschwäbische Volkskultur verloren hat. Die Forumsvorsitzende aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare und Deutschlehrerin a. D., Dietlinde Huhn, die Laudatorin, findet für ihn Worte, wie man sie nur wenigen Menschen nachsagt: „Manchmal hat man das Gefühl, dass der Herrgott einzelnen Menschen mehr als 24 Stunden pro Tag schenkt.“ Mario Mateaș gehört zu jenen Ausnahmepersönlichkeiten, die trotz Beruf, Studium und sozialen Engagements niemals den Blick für das Wesentliche verlieren: die Gemeinschaft.

Geboren und aufgewachsen in Lovrin, wurde Mario bereits als Schüler an der deutschen Abteilung der „Nestor Oprean“-Schule in Großsanktnikolaus früh an die deutsche Sprache und Kultur herangeführt. Bei ihm zu Hause wurde nämlich „Schwäbisch“ gesprochen – es war vor allem die „Omi“, Monica Stan, Erzieherin in Großsanktnikolaus, die dafür sorgte, dass Mario nicht nur die Schule in der Temescher Kleinstadt besucht, sondern auch  kulturellen Aktivitäten nachgeht. Seine Mutter Sibylle war ebenfalls eine wichtige Bezugsperson für ihn. Was damals mit der Teilnahme an Schulveranstaltungen begann, entwickelte sich über die Jahre zu einem leidenschaftlichen, fast allumfassenden Engagement für die Belange der Banater deutschen Minderheit. Seine Lehrerin an der Grundschule in Großsanktnikolaus war die jetzige Leiterin der deutschen Abteilung, Ramona Roosz-Suba, die ihm sichtbar stolz auf „Facebook“ zum Stefan-Jäger-Preis gratulierte. Ihr schloss sich eine weitere Lehrkraft an, die einen großen Einfluss auf Mario im Lyzeum hatte: Informatiklehrerin Dana Jebelean.

Mario Mateaș gehört zu den aktivsten Mitgliedern des Demokratischen Forums der Deutschen in Großsanktnikolaus. Seit acht Jahren ist er Teil der deutschen Tanzgruppe „Buntes Sträußchen“. In einer Zeit, in der die Gruppe ohne professionellen Tanzlehrer dastand, übernahm er Verantwortung, brachte seine Erfahrung ein und führte die Gruppe mit Disziplin und Witz. „Es reicht, wenn Mario einmal kategorisch erklärt: der Junge, linker Arm über den rechten, Hände des Mädchens nehmen, Mädchen nach links drehen… und schon ‘sitzt’ das ‘Fenster’,“ berichtet Forumsvorsitzende Dietlinde Huhn in ihrer Laudatio.

Neben dem Tanzen spielt Musik eine bedeutende Rolle in Marios Leben. Ob Klavier, Orgel, Gitarre oder Akkordeon – viele Instrumente hat er sich autodidaktisch beigebracht. Er tritt bei Festen auf, begleitet Gottesdienste und bereichert die kulturellen Veranstaltungen des Forums mit seinem musikalischen Talent. Die Interpretation deutscher Volkslieder brachte ihm und einer Klassenkameradin sogar Wettbewerbspreise ein.

Einen ganz besonderen Meilenstein stellt sein Wirken in seinem Heimatort Lovrin dar. Hier hat Mario Mateaș, gemeinsam mit anderen Engagierten, das Forum der Deutschen neu belebt. „Auf der anderen Seite freue ich mich, dass auch in meinem Heimatdorf Lovrin wieder das Herz der deutschen Kultur schlägt“, sagt er in seiner Rede. Was als Initiative vor dem Kirchweihfest 2024 begann, entwickelte sich in nur einem Jahr zu einer festen Größe: Eine Tanzgruppe, deren Mitgliederzahl sich verdoppelte, ein wiederbelebtes Kirchweihfest, lebendiges Gemeinschaftsleben. Das Lovriner Kirchweihfest findet am 9. August statt.

Was besonders auffällt: Viele Jugendliche ohne direkte schwäbische Wurzeln sind Mitglieder der Lovriner deutschen Tanzgruppe. „Das Interesse der Kinder und Jugendlichen ist da. Wir müssen wissen, wie wir davon profitieren und sie in unsere Gemeinschaft einbinden können“, sagt Mario Mateaș.

Beruflich arbeitet Mario in einem führenden IT-Unternehmen in Temeswar. Nebenher unterrichtet er an der TU „Politehnica“, seiner ehemaligen Uni, wo er auch einen Masterstudiengang im Bereich „Software Engineering“ besucht. Und trotzdem findet er Zeit für die wöchentlichen Proben, für die Organisation von Veranstaltungen, für seine Rolle als Ministrant und Organist in der Kirche. „Trotz Studium, Beruf und Ehrenamt nimmt er sich Zeit für Proben und Auftritte – ein Beweis dafür, dass man für das, was man mit Freude und Begeisterung tut, immer Zeit findet“, so Dietlinde Huhn.

Sein großer organisatorischer Erfolg: Die Reaktivierung des Kirchweihfests in Lovrin. Er hat Jugendliche motiviert, eingebunden, geführt. „Wir kombinieren Tanzkunst mit Witzen und Spielen bei jeder Probe. Wir sind füreinander da,“ beschreibt Mario die Dynamik der Gruppe.

In seiner Dankesrede wendet sich Mario mit bewegenden Worten an seine frühere Lehrerin: „Wenn ich ´Deutsche Kultur’ höre, denke ich sofort an Frau Huhn. Ihre Energie und Kraft scheinen von Jahr zu Jahr immer mehr zu wachsen.“ Sie war es, die ihn einst für Sprache, Geschichte und Identität sensibilisierte, als Deutsch- und Klassenlehrerin im Gymnasium. Heute ist Mario selbst ein Vorbild für andere – dass es so kommen würde, das sah die ADZ bereits 2020 voraus.

Seine große Inspiration jedoch ist seine Großmutter: „Dank ihr bin ich jetzt an diesem Punkt“. Sie kocht, wäscht, motiviert, tröstet. Eine Figur, wie man sie aus den Romanen der Banater Heimatliteratur kennt. Ihre Rolle zeigt, dass auch stille Heldinnen Großes leisten.

Der Stefan-Jäger-Preis wird verliehen für Verdienste um die Pflege, Erhaltung und Weitergabe der deutschen Traditionen und Kultur im Banat. Im Falle von Mario Mateaș ist die Preisvergabe eine glänzende Bestätigung der Wirkung junger Menschen. „Er zeigt, dass Tradition nicht Vergangenheit ist, sondern Zukunft hat,“ sagt Dietlinde Huhn.

Das neue Porträt über den jungen Lovriner Mario Mateaș, das wir heute auf unserer Jugendseite drucken, könnte mit vielen Bildern enden: dem jungen Mann beim Juchzen, am Akkordeon, bei der Arbeit am Computer, beim Tanz mit den Jugendlichen. Doch am eindrucksvollsten bleibt das Bild, das seine Worte zeichnen: „Ich bin stolz darauf, dass ich etwas für die deutsche Kultur in Lovrin tun konnte. Am stolzesten bin ich jedoch, solche Menschen in meiner Nähe zu haben.“

Ein Satz, der zeigt: Kultur lebt nicht nur von Aktivitäten, sondern von Beziehungen. Von denen zwischen Generationen, zwischen Stadt und Dorf, zwischen Sprache und Identität. Mario Mateaș ist kein Einzelfall. Aber er ist ein Musterbeispiel. Ein besonders gutes.