Der Kreis Sathmar/Satu Mare ist reich an kulturellem Erbe, das in den einst prächtigen Adelssitzen und Landschlössern dieser Region lebendig bleibt. Auch heute sind noch über 20 ehemalige Herrenhäuser diverser Adelsfamilien über den gesamten Landeskreis verstreut. Sie fungieren als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Herrenhäuser sind mehr als nur alte Gemäuer – sie sind lebendige Kulturdenkmäler, die von einer bewegten Geschichte erzählen. Von barocker Pracht über neoklassizistische Eleganz bis hin zu individuellen Geschichten von Familien und Gemeinschaften spiegeln sie die Vielfalt und den einstigen Reichtum dieser Region wider.
Während viele Herrenhäuser nach der Enteignung in der kommunistischen Zeit dem Verfall preisgegeben waren, erlebt die Region heute eine Renaissance des Interesses. Private Initiativen, kulturelle Veranstaltungen und Sanierungsprojekte machen aus diesen historischen Bauten Orte der Begegnung, Erinnerung und Inspiration.Sie laden Interessierte ein, Geschichte hautnah zu erleben, Architektur zu bewundern und sich auf eine Zeitreise in die (Adels-) Geschichte des Nordwestens Rumäniens zu begeben.
Herrenhäuser-Komplex Wesselényi und Dégenfeld
Sobald man in der Gemeinde Kriegsdorf/Hodod im Kreis Sathmar ankommt, genießt man die Stille und die frische Luft des Ortes. Die beiden Herrenhäuser – Wesselényi und Dégenfeld – empfangen ihre Besucher mit einer archaischen Atmosphäre. Im Jahr 1584 schenkte der ungarische Fürst István Báthory die Burg Hodod samt dem Markt Jibou und weiteren 17 Besitztümern Francisc Wesselényi, seinem Schatzmeister und engen Berater – nur zwei Jahre nachdem er ihm den Titel eines Barons verliehen hatte.
Überbleibsel dieser Adelsgeschichte sind zwei einst prächtige Residenzen der Familien Wesselényi und Dégenfeld – das eine im spätbarocken, das andere im eklektischen Stil erbaut.Das Herrenhaus Wesselényi wurde im Jahr 1761 errichtet, doch die architektonischen Pläne wurden zehn Jahre später überarbeitet, ohne jedoch die ursprünglich konzipierten Hauptmerkmale zu verlieren. Bereits 1787 war der gesamte Komplex – bestehend aus Gutshaus, Hof und Nebengebäuden – funktionsfähig. Man erkennt deutlich die Einflüsse mehrerer Architekten, sichtbar an den Fenstern, dem Gesims und der rhythmischen Anordnung der Arkaden.
Das Herrenhaus Dégenfeld wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fertiggestellt und an Farkas, den ältesten Sohn der Familie, vererbt. Er hatte vier Töchter und zwei Söhne – József und Farkas –, wobei letzterer das Schloss erbte, während für József ein neues erbaut wurde, als er Rachel Kendeffy heiratete. Józsefs Enkelin, Teréz Wesselényi, heiratete 1882 Christoph von Dégenfeld-Schönburg, einen Adligen deutscher Herkunft. Das Gebäude wurde somit zum Dégenfeld-Herrenhaus und ging in den Besitz seiner Nachkommen über.
Der Komplex und der ihn umgebende wunderschöne Park wurden 1946 enteignet. Nach 60 Jahren kam die Immobilie wieder in den Besitz von Graf Pál Dégenfeld, der das Dach renovieren und das Gelände entwässern ließ. Anschließend überließ er es der Reformierten Kirche von Piatra Craiului zur Nutzung für 39 Jahre. Der Gebäudekomplex ist heute in relativ gutem Zustand. Die barocke Dekoration des Palastes ist vollständig erhalten geblieben, ebenso die Tischlerarbeiten und Fensterläden. Im Inneren sind noch Wandverkleidungen, Kamine, Tür- und Fensterrahmen sowie originale Stuckarbeiten zu sehen.
Das Herrenhaus der Familie Wesselényi ist eines der prächtigsten Beispiele barocker Architektur im Kreis Sathmar. Seine markante Fassade mit den Rundbögen und die kunstvollen Wappen sind Ausdruck des barocken Lebensstils der ungarischen Adelsfamilien, die hier einst residierten.
Herrenhaus Darvai und das jüdische Erbe
Das ehemalige Herrenhaus der Familie Darvai in Cărășeu ist ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie ein Gebäude Jahrhunderte, Epochen und politische Umbrüche überdauern kann – und all diesen standgehalten hat.
Das Herrenhaus erzählt Geschichten von 1870 bis heute, für alle, die sie sehen möchten. Errichtet wurde das Gebäude von Ferenc Darvai und erhielt seine heutige Form um das Jahr 1870, als es in den Besitz der Familie Mayer überging. Die Familie Darvai war ein bedeutender Förderer der reformierten Kirche und Schule im Dorf.
In Cărășeu wurden die kirchlichen Belange traditionell von einem „Consistorium“ geregelt – einem Gremium aus örtlichen Adligen und zwölf aus der Gemeinde gewählten Presbyterien. Die Sitzungen fanden im Herrenhaus der Familie Darvai statt. Neben kirchlichen Fragen wurde auch der Bildung große Bedeutung beigemessen. Ferenc Darvai vermachte sein Vermögen zu gleichen Teilen der reformierten Kirche von Cărășeu und dem Reformierten Jungengymnasium in Sathmar. 1898 errichteten beide Institutionen ein Denkmal aus schwarzem Marmor zu Ehren ihres Wohltäters.
Die jüdische Familie Mayer bewirtschaftete das Herrenhaus zwischen 1935 und 1946. Als wohlhabendste Familie der Gegend spielte sie eine bedeutende Rolle in der jüdischen Gemeinschaft – sowohl vor Ort als auch in Sathmar. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann der Leidensweg der Familie: Der Hausherr Csengeri Mayer Sándor und seine Frau Regina wurden in Konzentrationslager deportiert und kehrten nicht zurück. Ihre Tochter Eva, die sich mit ihrem Ehemann Paul Adler und den beiden Kindern in Budapest versteckte, lebte noch bis 1946 in Cărășeu. Nach dem Verkauf mehrerer Grundstücke engagierten sie einen Verwalter für das Gut und emigrierten schließlich nach Kanada.
1944 setzte die sich zurückziehende deutsche Armee das Getreidelager in Brand, damit es nicht in die Hände der Sowjets fiel. Die Rotarmisten plünderten anschließend das Herrenhaus und nahmen alles Wertvolle mit.Die tragischen Schicksalsschläge der Familie Mayer führten dazu, dass bis heute kein Nachkomme Anspruch auf das Herrenhaus in Cărășeu erhoben hat.
Heute ist das Gebäude renoviert, der Hof ist dekorativ gestaltet, gepflastert und mit einem kleinen Kinderspielplatz ausgestattet. Im Inneren befinden sich nun eine Apotheke und eine Arztpraxis.
Ein Dorf – zwei Herrenhäuser
Im auf den ersten Blick unscheinbaren Dorf Nisipeni begegnen sich Vergangenheit und Gegenwart auf eindrucksvolle Weise. Hier stehen sich, nur wenige Meter voneinander entfernt, zwei Herrenhäuser gegenüber – stille Zeugen einer glanzvollen Epoche, geprägt von der Adelsfamilie Berenczei Kováts.
Die Familie stammte ursprünglich aus dem ungarischen Borsod-Gebiet. In den lokalen Archiven taucht ihr Name erstmals im 18. Jahrhundert auf. Zwei Brüder, Sándor und Miklós Kováts, führten die Linie weiter – und mit ihnen entstand die architektonische Besonderheit des Ortes: zwei Herrenhäuser, gebaut für zwei Lebenswege.
Das ältere der beiden Häuser, jenes von Sándor Kováts, wurde 1862 vom berühmten ungarischen Architekten Miklós Ybl entworfen, der auch für das Budapester Opernhaus verantwortlich war. Dem beeindruckenden Gebäude wurden 1912 weitere Bauelemente hinzugefügt. Jahrzehntelang lebte die Familie hier zurückgezogen – bis 1945: Enteignung, Vertreibung, Schweigen.Von einem Tag auf den anderen musste die Familie ihr Anwesen verlassen und verlor ihren Besitz. Das Herrenhaus verfiel mit den Jahrzehnten zunehmend. Seit über zwei Jahren befindet es sich in Renovierung und soll somit seinen alten Glanz wiedererlangen.
Das zweite Herrenhaus, ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut, gehörte Miklós Kováts – Jurist, Parlamentsmitglied, leidenschaftlicher Pferdezüchter und ein Mensch, dem eine große Menschlichkeit nachgesagt wurde. Die Architektur seines Hauses wirkt bis heute modern – eine Mischung aus Neogotik, Jugendstil und Sezession. Zur Zeit seiner Erbauung galt der Stil als provokant, fast exzentrisch. Heute jedoch erkennt man darin den Weitblick eines Mannes, der seiner Zeit voraus war.
Nach der Enteignung wurden die einstigen Herrenhäuser zu staatlichen Einrichtungen umfunktioniert: Wachtposten, Gefängnis, Schule. Als das Haus 1997 zurückgegeben wurde, ließ die Familie die Schule des Dorfes noch neun Jahre lang kostenlos dort weiterlaufen.