Vollkommene Anerkennung nach 40 Jahren

Hans Rothgerbers fotografischer Exkurs in eine eingezäunte Welt

V.l.: Prof. Dr. Daniel Dejica-Carțiș (Dekan der Fakultät für Kommunikationswissenschaften), Dr. Simona Bursașiu (Zentralbibliothek BCUPT), Prorektor Prof. Dr. Sorin Mușuroi, Lekt. Dr. Ana-Maria Dascălu-Romițan, Dr. Johann Fernbach (Vorsitzender des DFDB), Konsulin Regina Lochner, Hans Rothgerber, Astrid Ziegler, Dr. Bogdan Mihai Dascălu (Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes). Im Hintergrund - die Fotografien von Hans Rothgerber Foto: Siegfried Thiel

Salopp gekleidet, tritt Hans Rothgerber diskret auf, begrüßt die Gäste, spricht mit den Ehrengästen und erklärt einige seiner Exponate. Es ist sein Tag und den haben ihm viele Menschen möglich gemacht und es wird eine späte und vollkommene Anerkennung. „Im Traum ein Loch im Zaun“ heißt seine Ausstellung experimenteller Fotografie, die noch bis einschließlich den 13. Juni im Foyer der Zentralbibliothek an der TU Politehnica in Temeswar zu sehen ist. Einen wohl noch bedeutenderen Tag hatte er, der Billeder Schwabe, vor rund 41 Jahren, als er nämlich 1984 den Großen Preis auf der nationalen Fotobiennale „Fotoson“ für seine Diashow gewann. Als die Medien jedoch ihn und den Preis nicht erwähnten, wusste man, dass die surrealistischen Kompositionen zwar nicht direkt im kommunistischen System angeeckt hatten, „die versteckte Kritik wurde aber von den Betrachtern durchaus verstanden“, wie die Ausstellungskuratorin Astrid Ziegler bei der Eröffnung erwähnte.

Die Zentralbibliothek der Polytechnischen Universität in Temeswar bietet nicht nur von der Location her den passenden Rahmen, sondern ist auch der Ort, an dem das Nicht-Vergessen besonders wichtig ist. Dieses Nicht-Vergessen ist gerade in Reihen der jungen Generation wichtig, bei Menschen, die den „Zaun“ von vor 1989 eher vom Hörensagen kennen. Wohl deshalb so willkommen die Anwesenheit von Studenten der Fakultät für Kommunikationswissenschaften der TU Politehnica bei der Ausstellungseröffnung. Dass die Geschichte nicht vergessen werden darf, griff auch der Schriftsteller und unser BZ-Kollege Bogdan Mihai Dascălu auf. Er erwähnte in seiner Ausstellungspräsentation, dass der Künstler damals die Realität vor Augen hatte, doch in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt war. Und direkt auf die Fotos bezogen: „Im Laufe der Zeit ändert sich die Perspektive und die Auffassung, Fotos sind deshalb zeitlos“, resümierte er. Diesen Aspekt hatte bereits zu Beginn der Veranstaltung Deutschlands Konsulin in Temeswar, Regina Lochner, so ähnlich bewertet: „Die veränderte Sicht auf Bekanntes ist das Spannendste an der wiederholten Betrachtung von Kunstwerken – sehen wir sie heute anders im Vergleich zu früher, zu einer Zeit vor einem Jahr, fünf Jahren oder länger? Die heutige Ausstellung lädt uns ein, Sehgewohnheiten und die Bereitschaft zur Gewinnung neuer Eindrücke zu überprüfen und uns vielleicht auch Neues von den Photographien sagen zu lassen“

Dr. Ana-Maria Dascălu-Romțian, die Organisatorin der Ausstellung, hatte bei der Vernissage auch die Moderation übernommen, leitete fließend zu den verschiedenen Rednern über, legte Wert auf eine zweisprachige Ausführung und wenn nötig, dolmetschte sie sich selbst, und wie selbstverständlich auch die Redner. Sie erwähnte dabei die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Rumänen, zwischen privaten Initiativen und der Uni und nicht zuletzt den Schulterschluss mit dem kulturellen Umfeld. Zum 40-jährigen Jubiläum der Verleihung des großen Preises wurde die Bilder erstmals nach langer Zeit dem breiten Publikum auf der von Astrid Ziegler betriebenen Internetseite banat-tour.de zugänglich. Astrid Ziegler, eine weitere Banater Schwäbin mit Billeder Wurzeln hat den seit 1988 in Deutschland lebenden Hans Rothgerber auch zu dieser Ausstellung ermutigt. Diesmal soll diese späte öffentliche Anerkennung auch über die Medien kommen. Printjournalisten notierten und ließen die Fotoapparate klicken, Kameraleute schwenkten über die suggestiven Bilder und verharrten auf den Rednern. Diese Fotos an einem öffentlichen Ort der Politehnica zu zeigen, hat für den Fotokünstler und Graphikdesigner Hans Rothgerber auch einen sentimentalen Wert: In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre hatte er selbst an der Temeswarer TU studiert.

Zu Wort kamen auch Spitzenvertreter der Technischen Universität in Temeswar, so der  Vizerektor der TU, Dr. Sorin Mu{uroi und der Dekan der Fakultät für Kommunikationswissenschaften, Dr. Daniel Dejia-Carțiș. Für sie, die den Kommunismus noch erlebt hatten weckten solche Bilder alte Erinnerungen. Vizerektor Sorin Mușuroi ließ den Wert dieser Fotoserie erkennen, die aus einer „analogen Welt stammen, aus einer Zeit, als der Künstler sozusagen dem Werk seinen Stempel aufzudrücken vermochte“, (…) „mit Botschaften, die aus dem Leid jener Zeit kommen, realistisch sind und uns erschüttern“. Und Dekan Dejica-Carțiș pflichtete ihm bei: Es sei ein historischer Moment, wobei man „europäische Werte am besten verstehen könne, wenn man die Vergangenheit kennt. Und gerade diese Ausstellung widerspiegelt unsere Vergangenheit“.

Hans Rothgerber lauschte bei der zweistündigen Veranstaltung den Worten der vielen Redner, gesprächig wurde er selbst erst dann, als es wieder darum ging, seine Fotos zu erklären und Erlebnisse zu beschreiben. Und zur vorgerückten Stunde lud er alle zu einem Imbiss und Umtrunk ein, den seine Billeder Landsleute im Parterre der Bibliothek betreuten.