Vom ehemals Sitz der kommunistischen Presse zur Plattform für Gegenwartskunst

Ein ungewöhnlicher Kunstraum im Bukarester Pressehaus

„New Tenant | Sunshine Noir“ ist noch bis zum 13. Juli immer donnerstags bis sonntags von 12 bis 20 Uhr zugänglich. Der Eintritt ist frei.

Im ehemaligen Druckereigebäude der kommunistischen Zeitung „Scânteia“ befindet sich heute der unabhängige Kunstraum „Atelierele Scânteia“. Im Sinne des „Urban Reclaiming” wurden die verlassenen Räumlichkeiten saniert, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren. Entstanden ist ein Ort für zeitgenössische Kunst.

In den früheren Druckhallen der kommunistischen Zeitung Scânteia sind die Spuren der Vergangenheit noch sichtbar:  erhaltene Fliesen und Farbreste an den Wänden. Doch dort, wo einst Ideologie gedruckt wurde, stehen heute Skulpturen, Performances und Soundinstallationen.

„Wir wollten einen Raum schaffen, der nicht steril ist. Keinen White Cube – damit gemeint ist, keinen makellos weißen Ausstellungsraum – , sondern einen Ort mit Charakter, mit Vergangenheit,“ sagt Roxana Morar, eine der Mitgründerinnen des Projekts. Gemeinsam mit Dani Ghercă und Michele Bressan bildete sie das Gründungsteam, das das Gebäude 2023 erstmals besichtigte. „Alles war verfallen, überall Farbe, Müll, Reste von Maschinen. Aber wir haben sofort das Potenzial gesehen.“

Vier Monate dauerten die ersten Renovierungsarbeiten. Heute sind mehrere Ateliers, ein großer Ausstellungsraum und eine Freifläche im Hof nutzbar.

Benannt ist das Projekt bewusst nach der kommunistischen Zeitung „Scânteia“ aus spielerischer Aneignung eines historisch aufgeladenen Ortes. „Wir wollten die Geschichte nicht ausradieren, sondern mit einem neuen, zeitgenössischen Geist füllen,“ erklärt die Initiatorin. Die Fassade des Außengebäudes  zeigt noch immer kommunistische Symbole, der offizielle Name des Hauses wurde nach 1989 zwar in „Haus der Freien Presse“/„Casa Presei Libere“ geändert, aber das kollektive Vermächtnis bleibt sichtbar. „Uns ging es nicht darum, den Ort vom Kommunismus reinzuwaschen“, sagt Roxana Morar. „Uns gefiel der Name, weil wir dachten, wir können ihm eine neue Bedeutung geben.“

Auch die Lage des Projekts ist ein Statement: „Atelierele Scânteia“ liegt nicht in einem der etablierten Galerienviertel, sondern im düsteren Hinterhof des Pressehauses. „Das Gebäude wurde nachts ignoriert, es ist nicht einmal beleuchtet, es ist ein riesiger Gebäudeblock im Dunkeln, sodass man nicht einmal merkt, dass es hier ist“, sagt Roxana Morar. Es ginge auch mit der Wiederbelebung darum, gegen die starke Zentralisierung der Kulturszene in Bukarest zu wirken.

Der Hauptausstellungsraum wurde im November 2023 mit einer Gruppenausstellung eröffnet. Seither finden dort regelmäßig Ausstellungen, Performances und Veranstaltungen statt, aktuell ist „New Tenant | Sunshine Noir“ von Marius Bercea zu sehen. Bercea wurde 1979 in Cluj-Napoca geboren und zählt zu den prägenden Vertretern der sogenannten „Cluj School“,  einer Künstlergruppe, die sich nach dem Umbruch von 1989 formierte.

Inspiriert von Eugène Ionescos Theaterstück „Le Nouveau Locataire“, in dem ein Protagonist zunehmend von seinen eigenen Besitztümern erdrückt wird, verwandelt Bercea den Raum in ein begehbares Bühnenbild.

Zwölf Einzelwerke: Gemälde, Objekte und Rauminstallationen, sind frei im Raum verteilt und lassen sich ohne vorgegebene Reihenfolge erkunden. Dabei spielt Bercea gezielt mit Maßverhältnissen: Eine verhältnismäßig kleine Frauenfigur sitzt beispielsweise auf einem überdimensional großen Hamburger.

Der Zugang ist bewusst niedrigschwellig: „Wir möchten keine Schwellenangst erzeugen. Auch Schüler und junge Gruppen können sich bei uns melden, wenn sie Ideen haben.“ So ist für den Sommer bereits eine Kooperation mit einer rumänischen Schulklasse geplant, ebenso wie eine Kooperation mit der Kunsthochschule München. Neben festen Programmpunkten lebt das Projekt auch von Spontaneität, Improvisation und der aktiven Beteiligung seiner Community.

„Wir sind offen für jedes Publikum und wollen uns nicht nur auf die Kunstszene beschränken. Es wäre schön, wenn auch Menschen außerhalb dieser Bubble zu uns finden“, so Morar.