Von Hexenszenen, Dorfbarbier und Batzer

Nachlese zur 39. Musikwoche Löwenstein vom jung promovierten Dirigenten Andreas Schein

Am 14. April verteidigte Andreas Schein seine Doktorarbeit an der Temeswarer Westuniversität. | Foto: privat

Abschlusskonzert der 39. Musikwoche Löwenstein in der Kilianskirche Heilbronn | Foto: GDMSE

„Es ist löblich, wenn junge Musiker sich mit Banater Musikgeschichte befassen. Das Kapitel über Bartzer ist für uns sehr wertvoll, denn es geht ja um einen deutschen Komponisten des Banats. Und darüber gibt es leider nicht viele Arbeiten“, schreibt der Banater Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz aus München über einen Teil der Doktorarbeit des jungen Dirigenten Andreas Schein. Diese hat er erfolgreich, sogar summa cum laude, verteidigt. Geforscht hat der Lenau-Absolvent über „Die Opern- und Operettenschöpfung der Banater Komponisten zwischen 1850 und 1950“. Kurz nach der Promotion leitete er in Löwenstein (Deutschland) die 39. Auflage der gleichnamigen Musikwoche, die auch in diesem Jahr über 150 Musiker in der Woche nach Ostern vereinte, um Werke von Komponisten aus Siebenbürgen und dem Banat einzustudieren. Einzelheiten zu Theorie und Praxis, wenn es um Banater Musikgeschichte geht, erfragte ADZ-Redakteurin Astrid Weisz beim frisch gebackenen Dr. phil.

Dr. Andreas Schein, wie viele Opern oder Operetten wurden in den von Dir erforschten 100 Jahren im Banat geschrieben?

Wenige, aber diese paar Opern bzw. Operetten sind sehr wertvoll, sowohl aus musikalischem Gesichtspunkt, als auch aus geschichtlichem Gesichtspunkt; gerade die Operette „Grüß mein Banat“ von Emmerich Bartzer oder die komische Oper „Der Dorfbarbier“ von Wilhelm Franz Speer sind hervorzuheben. Und dann gibt es zwei rumänische Opern von Hermann Klee, „Se face ziuă“ (Es tagt) und „Făt Frumos“. In meiner Arbeit habe ich eigentlich nur „Grüß mein Banat“ als Zentralpunkt meiner These analysiert, die anderen nur ganz kurz erwähnt.

Was zeichnet diese Banater Opern und Operetten aus?

Etwas Banaterisches finden wir bei Emmerich Bartzer schon, die Oper von Speer ist eher eine ganz normale, komische Oper aus dem 19. Jahrhundert, quasi in Mozart-Beethoven-Stil und die Opern von Hermann Klee sind in seinem eigenen Stil komponiert, mit Einflüssen von Wagner, aber mit rumänischem Text, zumal Klee Dirigent an der Klausenburger Oper und auch Professor am Klausenburger Konservatorium war und die zwei Opern aufgrund von Librettos von Victor Eftimiu oder Zaharia Bârsan komponiert hat.

Wurden diese Werke je aufgeführt?

Die Operette von Bartzer hatte vor zwei Jahren Premiere und ich plane einen Bartzer-Liederabend, zumal es nächstes Jahr 150 Jahre seit seiner Geburt sind. Auch bei der 38. Musikwoche Löwenstein, also letztes Jahr, hatten wir das Streichquartett von Emmerich Bartzer im Programm. Die Werke von Emmerich Bartzer waren mehr oder weniger verbreitet im Banat, wahrscheinlich auch jene Klees zu seiner Zeit, aber die Oper von Wilhelm Franz Speer wurde gar nicht bekannt, weil er selbst auf dem Titelblatt des Werkes geschrieben hat, dass er es nur zum Studienzweck komponiert. Doch es ist es ein sehr wertvolles Werk, das noch nicht öffentlich aufgeführt wurde.

Wie bekannt sind diese Komponisten hier in Banat? Wie leicht war es, an Dokumente über sie zu kommen?

An dieser Stelle muss ich Dr. Franz Metz danken, dass er mir Zugriff auf sein Südosteuropäisches Musikarchiv gegeben hat, denn ohne sein Archiv hätte ich diese Werke nicht entdecken können. Ich würde sagen, dass es in Temeswar kaum noch Dokumente gibt, die meisten sind ja bei Dr. Metz im Archiv in München. Den ganzen Nachlass von Emmerich Bartzer, also seine Operette und so weiter habe ich in Bitburg recherchiert, bei seinem Enkel, Adrian Nuc˛-Bartzer zu Hause.

Und dann war da mein Betreuer, Dr. Cristian Ladislau Andriș, der mich entlang dieser drei Jahre immer betreut hat und meine Arbeit durchgelesen hat und mir Korrekturvorschläge gemacht hat.

Ich würde das zweite Kapitel zu Emmerich Bartzer gerne veröffentlichen, weil es noch keine ausführliche und insbesondere keine korrekte Biografie von ihm gibt. Im Internet gibt es sehr viele Unstimmigkeiten, was seine Biografie betrifft. Bartzer dürfte nicht nur für die Banater, sondern für alle Rumänen interessant sein. Darum sollte das Buch sowohl Rumänisch als auch Deutsch erscheinen.

Warum beschäftigt dich Banater Musik und ihre Geschichte?

Weil ich selbst ein Opern- und Operettendirigent bin und ich mich sehr wohl in diesem Bereich fühle; deswegen habe ich auch dieses Thema gewählt. Als Banater Deutscher habe ich mich auch für dieses Thema interessiert. Darum nehme ich auch so gerne an der Musikwoche Löwenstein teil, die die Gesellschaft für Deutsche Musikkultur im Südöstlichen Europa e.V. (GDMSE) seit 40 Jahren organisiert. Ich empfinde die Veranstaltung immer wieder wie einen Atemzug frischer Luft für mich, künstlerisch und nicht nur. Und nächstes Jahr feiern wir die 40. Auflage ganz besonders.

Was für Stücke wurden in diesem Jahr in Löwenstein einstudiert?

Da gab es zunächst die Ouvertüre zur Straußschen Operette „Der Zigeunerbaron“, wegen des 200. Geburtsjahrs des Komponisten; dann eine sehr schöne Orchestersuite, „Rumänien in Lied und Tanz“, komponiert von Otto Sykora, einem Temeswarer Komponisten, der im 20. Jahrhundert lebte und auch Domkapellmeister hier war. Als kleines Übergangsstück haben wir das Intermezzo aus „Cavalleria Rusticana“ von Mascagni gewählt, dann das Requiem aus „Hexenszenen“ von Professor Heinz Acker, Komponist aus Siebenbürgen, und zum Schluss eine sehr interessante Messe, eine Missa Solemnis in C, von Franz Hübl, einem Arader Komponisten.

Wie leicht oder schwer war es, dieses umfangreiche Programm in einer Woche bis zur Aufführung einzustudieren?

Also wenn man es mit Leidenschaft macht, dann ist alles leicht. Aber es waren teils schwere Werke für ein quasi Laienorchester. Das Potpourri von Sykora war technisch gesprochen, besonders für die Violinen nicht leicht. Die Messe war auch sehr effektvoll, denn sie ist zwar 1833 komponiert, wurde aber stark von Étienne-Nicolas Méhuls Oper „Joseph“ von 1803 beeinflusst, einem Werk, das zwei Jahre, nachdem Beethoven seine erste Symphonie komponiert hat, entstanden ist. Der „Eroica“-Einfluss ist klar zu spüren.

Mit rund 150 Teilnehmern ist diese Musikwoche anscheinend schon ein Magnet für Laienmusiker. Woher so ein großes Interesse?

Was man in Löwenstein erlebt, kann man einfach nicht beschreiben. Was mich wirklich wundert, ist, dass es auch in diesem Jahr sehr viele Jugendliche waren. Ich habe neue Gesichter gesehen und ich meine, dass die Jugendlichen, die das erlebt haben, zu Hause ihren Freunden davon berichtet haben, so dass diese zur nächsten Musikwoche gekommen sind.

Woher kommen oder stammen die Teilnehmer?

Es gibt auch sehr viele Rumäniendeutsche, insbesondere aus Siebenbürgen und aus dem Banat. Es wurde Deutsch, Rumänisch und Ungarisch gesprochen Der Konzertmeister stammt selbst aus Bukarest, wohnt jetzt aber in Recklinghausen, in Deutschland. Die Musikwoche verbindet Musiker, die sowohl einen Banater oder siebenbürgischen Background haben, als auch eben Laienmusiker aus Deutschland, die lediglich an der mittel- und osteuropäischen Musik interessiert sind.

Wer leitete noch die 39. Musikwoche Löwenstein?

Die Chormeisterin ist Andrea Kulin, eine aus Kronstadt stammende Kantorin in Bissingen/Enz und Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei, und sie hat auch die „Hexenszenen“ von Heinz Acker dirigiert. Markus Piringer ist der Jugendchorleiter.

Was das Schwierige an dieser Musikwoche, die jährlich in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein bei Weinsberg in der Osterwoche stattfindet?

Die größte Herausforderung ist, den Leuten klar zu machen, dass die Werke nicht so schwer sind, wie sie zunächst scheinen und dass sie das spielen können. Die Konzerte am Ende beweisen es in jedem Jahr und die St. Kilianskirche in Heilbronn ist es jedes Jahr voll, der Applaus langanhaltend. Die Finanzierung ist aber mitunter eine der größten He-rausforderungen der Organisatoren, die sogar um die Fortführung dieser wertvollen, traditionsreichen Veranstaltung bangen. Die Komponisten und die Werke, die wir da aufführen, sind trotz ihres Werts und ihrer klanglichen Qualität kaum bekannt. Das macht das Projekt nicht nur wichtig, sondern auch attraktiv.

Was für Pläne gibt es für die 40. Auflage?

Es wurde mir vorgeschlagen, ein Werk für die nächste Auflage zu komponieren. Da muss ich mir noch Gedanken darüber machen, über Text und die Ausgestaltung, denn es muss ja ein Werk für Chor und Orchester sein. Beim Stil will ich etwas, was den „Löwensteinern“ Spaß macht, so ein bisschen Richtung Film- oder Jazzmusik, Paul-Abraham-Stil oder so.

Vielen Dank für das Gespräch!