Wälder sind als CO2-Speicher im Kampf gegen die Klimakrise bedeutende und unentbehrliche Partner. Die andauernde, legale, aber auch oft illegale Abholzung von Wäldern zugunsten anderer Nutzungsformen wie Landwirtschaft, Straßenbau oder industriellem Holzeinschlag gehören zu den Hauptursachen des Klimawandels. Wissenschaftler machen diese Praktiken für mehr als zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. In den letzten drei Jahrzehnten sind weltweit etwa 4,2 Millionen Quadratkilometer an Waldflächen verloren gegangen. Dies entspricht einer Fläche, die größer ist als die EU. Die Europäische Union versucht, mit einer neuen Verordnung globale Unternehmen im Kampf gegen Abholzung deutlich stärker in die Pflicht zu nehmen. Das Vorhaben wird sich einschneidend auf die weltweiten Lieferketten auswirken.
Bereits am 5. Dezember 2022 einigten sich EU-Kommission, EU-Ministerrat sowie das europäische Parlament auf einen finalen Gesetzesentwurf zu entwaldungsfreien Lieferketten. Das Gesetz ist nach seiner Verabschiedung Ende Juni 2023 offiziell in Kraft getreten. Die neue EU-Verordnung EUDR (EU Deforestation Regulation) soll das Risiko verringern, dass Produkte auf den EU-Markt kommen, die am Beginn der Lieferketten mit Entwaldung, Waldschädigung sowie der illegalen Vertreibung der lokalen Bevölkerung in Verbindung stehen. Die Nachfrage und der Handel von legalen und entwaldungsfreien Rohstoffen und Produkten sollen damit angekurbelt werden. Die EUDR ersetzt die bereits 2010 eingeführte EU-Holzhandelsverordnung (EUTR). Mit der EUTR wurden erstmals die Einfuhr von illegal erzeugtem Holz oder Holzprodukten in die EU sowie deren Erzeugung in den EU-Staaten untersagt. Sie war ein erster Schritt, um das Risiko der Einfuhr von illegalen Holzerzeugnissen zu reduzieren. Vor allem große und global agierende Unternehmen müssen daher die Anforderungen spätestens ab Dezember 2024 umsetzen, kleinere Unternehmen haben noch weitere sechs Monate Zeit.
Sieben Risiko-Rohstoffe im Fokus
Konkret zielt die neue Verordnung auf Produkte ab, welche aus den Rohstoffen Rindfleisch, Soja, Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao und Naturkautschuk gewonnen werden. Das Gesetz betrifft sowohl den Import als auch den Export dieser Erzeugnisse und deren Produkte auf den EU-Markt. Ausschlaggebend bei der EUDR ist, dass neben der illegalen Entwaldung auch die Entwaldung generell, also auch die im Produktionsland legale, ausgeschlossen ist. Entwaldungsfrei sind demnach Erzeugnisse, die auf Flächen produziert werden, die nicht nach dem 31.12.2020 entwaldet wurden bzw. für die keine Waldschädigung nach diesem Datum stattgefunden hat. Die Ware muss zudem in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Produktionslandes hergestellt worden sein. Also im Einklang mit den geltenden Umwelt-, Menschen- und Arbeitsrechten. Mögliche Landrechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften auf den Produktionsflächen müssen festgestellt und ihre Zustimmung geklärt werden.
Wie sieht die Sorgfaltspflicht aus?
Die EUDR sieht für globale Unternehmen und Marktteilnehmer ein sehr strenges Verfahren für die Sorgfaltsprüfung vor.
In der EUDR sind Marktteilnehmer Unternehmen, die die Erzeugnisse oder die daraus hergestellten Produkte auf dem EU-Markt zuerst in Verkehr bringen. Sofern sie keine Kleinstunternehmen oder natürlichen Personen sind, stehen diese Unternehmen in der Pflicht, die volle Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen oder Produzenten ist eine Sorgfaltspflicht nicht notwendig. Sie sind jedoch angehalten, für die Ware, mit der sie auf dem EU-Markt handeln wollen, im Besitz der Informationen zu sein, dass die Ware entwaldungsfrei und entsprechend den Rechtsvorschriften des Produktionslandes hergestellt wurde.
Das Sorgfaltspflichtverfahren besteht aus drei Stufen. Erst wenn ein Unternehmen die erforderlichen Schritte des Verfahrens durchlaufen hat und zum Ergebnis gekommen ist, dass kein oder lediglich ein unerhebliches Entwaldungsrisiko besteht, erhält es die Erlaubnis, das betreffende Produkt auf den EU-Markt zu bringen oder es auszuführen.
Der erste Schritt des Verfahrens ist die Informationssammlung. Neben den Warenbeschreibungen muss z. B. genau die Herkunft der Ware durch Geokoordinaten angegeben werden. Ebenso müssen ausreichend Informationen existieren, dass die Ware entwaldungsfrei und mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Herkunftslandes konform ist.
Im zweiten Schritt fällt für alle Marktteilnehmer, die Waren aus Ländern mit einem normalen oder hohen Risiko beziehen, eine umfangreiche Risikoprüfung an. Sie müssen die Ware auf verschiedene Kriterien überprüfen, u. a. bei Bedenken hinsichtlich der Nichtkonformität der Ware mit der EU-Verordnung. Die Risikoprüfung muss jährlich durchgeführt werden. Sie ist in diesem Ausmaß nicht fällig, wenn die bezogene Ware aus einem Land mit niedrigem Risiko stammt. Allerdings müssen bei diesen Ländern auch die Komplexität der Lieferkette sowie das Umgehungs- und Vermischungsrisiko erörtert werden. Gibt es berechtigte Hinweise, dass die Ware nicht EUDR-konform sein könnte, ist eine vollständige Risikoanalyse auch bei Ware aus Staaten mit einem niedrigeren Risiko fällig. Jeder Information, dass die Ware gegebenenfalls nicht mit den in der Verordnung vorgeschriebenen Anforderungen übereinstimmt, ist nachzugehen.
Wenn die Risikoprüfung ergeben hat, dass Entwaldungsrisiken vorliegen, müssen in einem dritten Schritt sogenannte „Risikominderungsmaßnahmen“ angewendet werden. Das kann bedeuten, dass weitere Informationen oder Unterlagen angefordert, Daten unabhängig erhoben, vor Ort überprüft oder die Produzenten bei der EUDR-Umsetzung unterstützt werden müssen. Dafür ist ein umfassendes Risikomanagementsystem notwendig, welches über angemessene Strategien und Kontrollverfahren zur Risikominderung verfügt. Jährliche unabhängige Inspektionen sowie Compliance-Beauftragte müssen zudem von Marktteilnehmern und großen Händlern nachgewiesen werden.
Sind Risikominderungsmaßnahmen durchgeführt und auf ein vernachlässigbares Maß reduziert worden, kann die Sorgfaltserklärung eingereicht und die Ware auf dem EU-Markt eingeführt werden. Die Risikominderungsmaßnahmen müssen dokumentiert, jährlich überprüft und gegebe-nenfalls angepasst werden.
Unternehmen stehen somit nun stärker in der Pflicht, ihre Sorgfaltsprüfungen zu intensivieren und ihre Rückverfolgbarkeitssysteme deutlich zu erweitern, um beispielsweise die Bereitstellung von geografischen Informationen zu erleichtern. Die an die Unternehmen gestellten Erfordernisse gehen auch über die Rohstoffzertifizierungssysteme hinaus. Die Erstellung von Satellitenkarten sowie die Trennung von Importfracht wird erforderlich. Die Kontrollen der Sorgfaltspflichterklärung und beigefügter Dokumente erfolgen vor Zollfreigabe von den zuständigen Behörden im jeweiligen Mitgliedsstaat. Die Wahrscheinlichkeit, kontrolliert zu werden, ist dabei abhängig davon, wie hoch das Risiko ist, dass die Ware nicht den Normen der Verordnung entspricht.
Drohende Sanktionen sollen abschrecken
Wird bei Kontrollen ein Verstoß gegen die Verordnung festgestellt, können Geldbußen auf ein Unternehmen zukommen. Die Höhe dieser Geldstrafen wird so berechnet, dass den Verantwortlichen der aus ihren Verstößen gezogene wirtschaftliche Nutzen tatsächlich entzogen wird. Bei wiederholten Verstößen soll das Level dieser Strafzahlungen schrittweise angehoben werden. Gemäß der Verordnung können dem Unternehmen weitere Konsequenzen drohen, die sich bis zu einem zeitweiligen Handelsverbot mit der betreffenden Ware erstrecken können.
Um die Kontrollinstanzen zu unterstützen, veröffentlicht die EU-Kommission auf ihrer Webseite eine Liste der sanktionierten Unternehmen. Auch Verbraucher können diese Listen als Information nutzen.
Auswirkungen auf globalen Handel und Preisstrukturen
Aus makroökonomischer Perspektive könnte die EUDR das Muster des weltweiten Handels durchaus verändern. Es gibt weltweit um die 55 Staaten, die jährlich Waren im Durchschnitt von über 100 Millionen US-Dollar in die EU exportieren.
Durch die strengeren Kontrollauflagen könnten Importe in die EU aus einigen betroffenen Ländern, in denen es ein besonderes Entwaldungsrisiko gibt, deutlich abnehmen. Diese Kontrollmechanismen gehen in den meisten Fällen aber auch mit wesentlich höheren Betriebs- und Input-Kosten einher. Die EU schätzt, dass allein die neu auferlegten Kontroll- und Sorgfaltsmechanismen die Kosten um 175 Millionen bis zu 2,6 Milliarden Euro erhöhen könnten. Die Kostenlast treffe demnach nicht nur Unternehmen, welche in der EU ansässig wären, sondern in erster Linie auch multinationale Unternehmen und Konzerne, die Produkte und Waren in die EU importieren. Allein die Abnahme an Produkten, die nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen, führe unumgänglich zu einem Mangel auf der Angebotsseite, was wiederum zu Preissteigerung bei einigen Waren führen dürfte.
Die EU-Verordnung hat nicht nur Auswirkungen auf die globalen Unternehmen. Die Veränderungen der Handelsströme betreffen auch die kleinsten in diesem Handelskreislauf. Für Bauern, die auf kleinen Flächen einige der Risikorohstoffe erzeugen, könnte es den Verlust ihrer Existenz bedeuten. Wer in festgestellten Risikogebieten anbaut, kann seine Produkte gegebenenfalls nicht mehr verkaufen. Die höheren Kosten für die Kontrollmechanismen könnten sich darüber hinaus auch auf die Kleinbauern auswirken. Im Extremfall kommen die Bauern in eine Notlage, in der sie den großen Unternehmen vor allem im Bereich der Abnahmepreise noch mehr ausgeliefert sein könnten.