Wort zum Sonntag: Scherben bringen Glück


Wer die Eucharistie und die Fronleichnamsprozession feiert, darf sich im Leben und Tod zur Freundschaft mit Jesus eingeladen wissen.

Vielleicht trösten auch Sie sich mit dem „Scherben bringen Glück“, wenn bei Ihnen einmal ein kostbares Geschirr oder etwas Wertvolles zu Bruch gegangen ist. Viele unserer Zeitgenossen wissen nicht, dass dieses Sprichwort auf einen bestimmten Brauch im Orient, im alten Griechenland, zurückgeht. Die Gültigkeit eines Vertrages wurde durch zwei zueinander passende Tonscherben festgestellt. So wurde im Nahen Orient bei bestimmten Geschäftsabschlüssen ein Tongefäß zerbrochen und durch zwei ScherbenstückeVerträge abgeschlossen. Bei den Griechen wurde in der Antike, oft auch über Generationen hinweg, durch zwei Scherben gültige Gastfreundschaften besiegelt. Selbst über Generationen hinweg galten zwei zueinanderpassende Tonscherben als Zeichen einer Gastfreundschaft. 

Wir feiern diese Woche das Fest Fronleichnam, das Fest der Gastfreundschaft Gottes mit uns und halten durch die Fronleichnamsprozession nicht hinterm Berg. Wir sind stolz auf diese Gastfreundschaft und tragen dies aus der Kirche in die Straßen und Plätze unserer Stadt.

Das Fest Fronleichnam steht in engem Zusammenhang mit dem Letzten Abendmahl – mit dem Gründonnerstag. Da sitzt der Herr mit den Seinen zu Tisch und hält, bevor er mit seinem Tod am Kreuz sein Opfer für seine Freunde wahr macht, ein Mahl. Er sitzt in ihrer Mitte, bricht das Brot und teilt es bei diesem Mahl mit den Worten aus: „Nehmet und esset, das ist mein Leib!“ Das Fest „Fronleichnam“ hat also mit einem „Lebendigen“ zu tun: mit Gott, dem Herrn, der auf diese Weisen unter den Menschen lebendig ist. Die ersten Christen nannten ihre sonntäglichen Versammlungen das „Brotbrechen“. Das Brotbrechen und das Austeilen sind für sie – und heute für uns – die wichtigen Zeichen der Gastfreundschaft Gottes mit seinen Jüngern, seiner Gegenwart unter ihnen. Für sie war – und für uns heute ist – es der Inbegriff dessen, was Jesus für die Seinen getan hat. 

Im Brotbrechen tritt das Sterben Jesu in unsere Mitte und vergegenwärtigt das Geschehen am Kreuz, wo der Herr einst die Freundschaft mit den Seinen, den Bund mit uns, besiegelt hat.

Freundschaften müssen gepflegt werden und erst recht verpflichten sie. Wer eine Freundschaft eingeht, darf nicht nur an den eigenen Vorteil denken. Er muss sich selbst einbringen. Er muss ein Stück seines Lebens mit dem Freund teilen. Darum zerbrach man im alten Griechenland auch meist kostbare Gefäße, um zu verdeutlichen, dass man bereit ist, eine Schicksalsgemeinschaft zu bilden, bereit ist, den Wert eines Lebens miteinander zu teilen. 

Es muss ein feierlicher Augenblick gewesen sein, wenn beim neuerlichen Zusammentreffen zweier Familien die Hausväter ihre jeweiligen Schalenhälften hervorholten und die alte Gastfreundschaft mit dem Ineinanderfügen der beiden Teile neu aufleben ließen. 

Die Eucharistiefeier und Fronleichnamsprozession gehören heute zusammen. Als einzelner kann man keine Prozession machen, auch wenn jeder persönlich auf seinem Lebensweg gefordert ist. Die Pilgerschaft als Freund Christi, als Jünger, ist nur gemeinsam möglich. Doch diese Prozession hat nichts mit Umzügen, Aufmärschen oder Demonstrationen zu tun. Durch die heutige Fronleichnamsprozession bekennen wir uns zu Jesus und sagen: Wir halten zusammen, wir wissen Jesus seit dem Letzen Abendmahl als lebendiges – als das Brot des Lebens in unserer Mitte. Er hat uns als Gemeinschaft zusammenfügt, mit ihm gehen wir. 

Das Fest Fronleichnam bedeutet, dass denen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denen, die hungern nach Wahrheit, denen das Brot des Lebens gereicht wird, allen, mit denen wir eine Lebensgemeinschaft, eine Freundschaft am Tisch des Herrn bilden, wir uns verpflichtet wissen, den Auftrag des Herrn in die Tat umzusetzen. Wir wollen am Fest Fronleichnam für sie und mit ihnen unsere Gaben weitergeben, die Gastfreundschaft feiern.