Der Monatsspruch für den Juni lautet: „Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ (Apg 10,28)
Der Vers aus der Apostelgeschichte regte das Thema des jüngsten Religionslehrertreffens in Hermannstadt/Sibiu an: Inklusion. „Niemand darf als unheilig oder unrein bezeichnet werden“ - niemand darf ausgeschlossen werden, alle sind gleichberechtigt und haben die gleichen Chancen.
Der größere Zusammenhang des Verses erschließt sich durch die Apostelgeschichte: Zunächst hat der römische Hauptmann Kornelius eine Vision. Er wird als „fromm und gottesfürchtig“ beschrieben, ist aber kein Jude, sondern Heide. Ein Engel erscheint ihm und gibt ihm den Auftrag, den Apostel Petrus als Gast in sein Haus zu holen.
Einen Tag später hat auch Petrus eine Vision. Er hat Hunger und sieht ein Gefäß vom Himmel sinken, gefüllt mit allerlei Tieren, die im Judentum als unrein gelten. Eine Stimme fordert ihn auf: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“. Doch Petrus weigert sich: Er habe noch nie etwas Unreines gegessen. Die Stimme erwidert: „Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein!“.Kurz darauf erreichen ihn die Boten des Kornelius und laden ihn zu diesem nach Hause ein.Petrus, zunächst zögerlich, überwindet das jüdische Reinheitsgebot und sagt zu Kornelius und dessen Hausgemeinschaft: „Ihr wisst, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten; mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ Er erkennt: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht.“
Mit dieser Geschichte begann eine Wende: Die ersten Christen waren ausschließlich Juden und lebten auch nach der Auferstehung Jesu als Juden weiter. Doch es stellte sich die Frage, wie man mit dem Missionsauftrag aus dem Matthäus-Evangelium umgehen solle: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Die ersten Christen begriffen, dass das Evangelium allen Menschen gilt. Der Weg zu Christus darf niemandem verwehrt werden, auch nicht denjenigen, die keine Juden sind. Jeder Mensch ist eingeladen, dieses Geschenk anzunehmen.
Als wir beim Religionslehrertag über Inklusion sprachen, musste ich immer wieder an ein Lied von Gerhard Schöne denken. Es heißt „Wellensittiche und Spatzen“, und der Refrain lautet:
„Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie –und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.“
Im Lied geht es um Menschen, die nicht der sogenannten „Norm“ entsprechen – ein behindertes Kind, ein Mann, der gerne Glitzerhosen trägt, ein Soldat, der lieber Bücher liest als mit den Kollegen zu trinken.
In der Schule erleben wir leider oft, dass Kinder, die sich anders verhalten als die Mehrheit, ausgeschlossen werden, oder dass sie mit Spott und Verachtung überzogen werden. Das passiert im Kontext der Schule nicht nur unter den Schülern, sondern manchmal auch unter den Lehrkräften. Und leider beobachten wir das in vielen Situationen, in denen Menschen sich begegnen: an unserer Arbeitsstelle, vielleicht auch in der Familie.
Als Christinnen und Christen stellt sich uns die Frage: Was tun wir? Wie verhalten wir uns als Christ, als Gemeinde, wenn wir Ausgrenzung statt Inklusion sehen? Machen wir mit bei den Spatzen? Oder nehmen wir den Auftrag ernst, inklusiv zu handeln – was bedeutet, alle einzubeziehen?
Die Geschichte aus der Apostelgeschichte erinnert uns: Wir gehören zusammen. Jeder und jede soll teilhaben können an der Gemeinschaft. Dann gibt es auch die anderen Momente, wenn wir uns selbst wie der Wellensittich fühlen. Dann dürfen wir gewiss sein: Gott sieht uns. Und vor Gott sind wir alle gleich und geliebt.