Zerreißprobe des Einzelnen im Schnitt von Freiheit und Konvention

Gabriela Culic dankt dem Brukenthalmuseum mit einer Schenkung

Wir legen nicht genug Bedeutung auf unsere Intuition!“, schärfte Gabriela Culic (links, mit dem Stift in der Hand signierend) ihrem Publikum im Brukenthalmuseum freundlich ein. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Zwei Glasflaschen aus dem Warensortiment der Billigkaufhauskette „Jumbo“, in die Weißwein gefüllt worden war, eine ungeöffnete Zweieinhalbliter-Colaflasche und etwa zwei Dutzend Gläser zur Selbstbedienung standen auf dem Tisch bereit, doch galt das Schlangestehen Mittwochmittag, am 22. Januar, nicht ihnen. Gabriela Culic (Jahrgang 1965) aus Bukarest schließlich hatte für ausreichend Kataloge ihrer eigenen Bilder in Mischtechnik und Öl am Brukenthalmuseum gesorgt, um allen Gästen der Vernissage mindestens je zwei verschiedene broschierte Alben mit Auszügen ihres Schaffens schenken zu können. Und weil sie sich für wirklich jede einzelne Person ausführlich Zeit nahm, die sich das Gedruckte von der 59 Jahre alten Künstlerin signieren lassen wollte, mussten die ein oder anderen Autogramm-Jäger sich auf längere Wartezeit einrichten. Die Eröffnung der Ausstellung „Ale somnului făpturi“ („Des Schlafes Wesen“) lockte zwar kein großes, aber umso mehr ein aufgeschlossenes Publikum in den kleinsten Erdgeschossraum des Brukenthalmuseums.

Für Museumsdirektor Alexandru Constantin Chituță als terminlich verhindertem Kurator der bis zum zweiten Februarsonntag offenen Ausstellung sprang Alexandra Runcan als diejenige Hausherrin der Stunde ein, die eine Woche nach Rumäniens Nationalem Kulturtag die landläufige Neigung zum überbetont Andächtigen freundlich in die Schranken zu weisen verstand: „Statt Zelebrierens sind wir eher das Gedenken gewohnt.“ Malerin Gabriela Culic hingegen, 2003 an der Kunstuniversität Bukarest diplomiert und in ihrem Atelier den charakterlichen Eigenheiten von Rabe und Wolf verfallen, wäre ein starker Beweis dafür, dass „jeder zur grausamen Kraft des Freiseins fähig ist.“

Wobei Gabriela Culic – in deren Lebenslauf weder Chișinău, Iași, Wien noch Berlin zu kurz kommen – den Freiheitsbegriff wörtlich nimmt, und das sogar in der Vertikalen. „Sobald ich mein Atelier betrete, bete ich zu Gott, keine Idee zu haben.“ Fast fühlt man sich beim Anblick der Bilder ihrer Ausstellung „Ale somnului făpturi“ in Hermannstadt/Sibiu von Franz Schuberts „Winterreise“ auf 24 Gedichte von Wilhelm Müller gefangengenommen, worin ein von Schwermütigkeit und Todesahnung Gezeichneter sich zum Fatalen schlechthin versteigt: „Will kein Gott auf Erden sein, sind wir selber Götter!“ Die Farbenwahl und das Drückende der in Hermannstadt exponierten Bilder von Gabriela Culic stimmen damit zweifelsohne überein. Auch der Rabe in ihren artistischen Verdeutlichungen des zutiefst individuellen Ringens mit sich selbst im Schnittpunkt von horizontalen und vertikalen Anforderungen an den Menschen, der auf Gesellschaft und Alleinsein gleichermaßen angewiesen ist, hat mit der Krähe aus Schuberts tragisch-berühmten Liederzyklus für Männerstimme und Klavier bestimmt mehr als nur das schwarze Federkleid gemeinsam. Gabriela Culic jedoch besteht immer noch auf ihrer Winterreise als Frau, und das ohne jede Spur politischen oder ideologischen Programms. Ihr Auftreten im „Top-Museum Rumäniens“, wie sie das Brukenthalpalais am Großen Ring/Piața Mare in Hermannstadt nennt, ist wegweisend und inhaltlich nicht zu überbieten.