Wir wurden davor gewarnt, dass sie kommen werden. Es wurde uns gesagt, dass sie unsere Straßen überfluten werden. Es wurde uns mit der Bibel in der Hand gepredigt, dass die Sünde zur Normalität in Rumänien werden wird. Seit Jahren kämpfen die „wahren Rumänen“ gegen die von den „Progressisten“ propagierte sexuelle Freizügigkeit. Es geht letztendlich um die Jugend, die der zähnefletschenden Perversität ausgesetzt werden soll, um in ihrem Rachen zu verschwinden. Denn Rumänien, der Garten der Mutter Gottes, kann, soll und wird nicht vom unchristlichen Westen, von Soros, von der zionistischen Verschwörung, den Globalisten und anderen Mächten Satans, die es auf dieses reine und keusche Paradiesstückchen abgesehen haben, mittels sexueller Freiheit und Gleichberechtigung in einen Sündenpfuhl verwandelt werden.
Und während in Dinkelsbühl das siebenbürgische Tanzbein bei Bier und Musik geschwungen wurde, in [umuleu-Ciuc abertausende ungarische Katholiken die traditionelle Pfingstpilgerreise vollbrachten, Andrew Tate auf dem Weg zu einer Party in Hermannstadt seinen Führerschein abgeben musste, die rumänische Nationalmannschaft einer Niederlage in Österreich entgegenblickte, man in den Verhandlungen um die Regierungsbildung keine realen Fortschritte zu verbuchen hatte, ein falsches Dokument betreffend eine Zwangsrekrutierung die rumänische Diaspora in Angst und Schrecken versetzte, wurde das Zentrum der Hauptstadt an der Dâmbovi]a von Regenbogenfarben eingenommen.
Zum zwanzigsten Mal fand in Bukarest der Pride-Marsch der LGBTQIA+ Personen (ich hoffe dabei keinen Buchstaben vergessen oder einen zu viel hinzugefügt zu haben... wenn, dann war es nicht beabsichtigt und ich bitte betroffene Personen um Entschuldigung) statt. Mit einer Rekordbeteiligung von 30.000 Menschen war der Marsch ein klares Zeichen der individuellen Freiheit in Rumänien. Wenn vor zwanzig Jahren das Aufgebot an Sicherheitskräften höher war als die Zahl der Teilnehmer, wenn über die Jahre von rechtsradikal angehauchten kirchennahen Vereinigungen aggressive Gegendemonstration organisiert wurden, so war die diesjährige Veranstaltung ein Beispiel für Normalität. Diese Menschen sind da, sie waren da und werden da sein. Sie haben genau wie jeder andere rumänische Bürger das Recht, ihr Glück zu erträumen, zu suchen, zu finden und zu leben.
Warum diese Normalität vielen unseren Mitbürgern fremd erscheint? Der Grund ist wohl in einer veralteten Weltansicht zu suchen: Es sind die Gleichen, die meinen, dass Sexualkunde in der Schule zur sexuellen Promiskuität führt anstatt entscheidend zur Senkung der Zahl der Teenager-Mütter beitragen zu können. Es sind dieselben, die meinen, dass Andersartigkeit eine Krankheit ist, die durch Gebet und exorzistische Praktiken kuriert werden kann. Es sind dieselben, die erklären, dass Frauen an den von ihnen erlebten Vergewaltigungen selbst schuld sind. Es sind die, die mit der Bibel in der Hand überzeugt sind, dass die Erlösung nur ihnen zusteht. Leider werden von vielen Kirchenvertretern – denominationsübergreifend – derartige Konzepte noch weiterhin in die rumänische Gesellschaft kolportiert.
Der Normalität der Pride-Parade stand die von Gigi Becali organisierte „Reinigungsveranstaltung“ gegenüber. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Orthodoxe Kirche sich von einer derartigen Witzveranstaltung vertreten fühlt. Mit einem Eimer in der Hand, gefolgt von singenden Pfarrern und Mönchen – die ausgezahlten Spenden dürften nicht gering gewesen sein – hüpfte der Multimillionär im Bukarester Zentrum wie ein Springhansel herum und bespritzte die Passanten, die Stühle und Tische der Terrassen und alles, was ihm noch so über den Weg lief, mit Weihwasser, um den Teufel zu vertreiben. Die Zirkusparade dürfte wenig bewirkt haben, denn Rumänien ist anders und es ist gut so.