Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Sehr geehrter, hochwürdiger Herr Bischof József Csaba Pál, sehr geehrter, hochehrwürdiger Herr Dechant Veniamin Pălie, liebe Amtsbrüder in Dienste des Herrn, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Es ist für uns Evangelische eine große Freude und Ehre, heute hier in dieser schönen Kirche miteinander das Kirchweihfest zu feiern. Herzlichen Dank für die Einladung. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit einer Gruppe Pilger nach Rom zu fahren, wo wir natürlich auch die schöne päpstliche Basilika Santa Maria Maggiore (Groß-Sankt Marien) oder auch noch Santa Maria della Neve (Unsere Liebe Frau vom Schnee genannt), eine der sieben Pilgerkirchen besucht haben. Um den Weihetag der Basilika Santa Maria Maggiore am 5. August 434 rankt sich eine Legende, die allerdings nicht auf dieses Gründungsdatum, sondern auf den 5. August 352 (oder 358) bezogen ist. Danach soll die Gottesmutter Maria in der Nacht auf den 5. August 358 dem römischen Patrizier Johannes und seiner Frau erschienen sein und versprochen haben, dass ihr Wunsch nach einem Sohn in Erfüllung gehe, wenn ihr zu Ehren eine Kirche an der Stelle errichtet werde, wo am nächsten Morgen Schnee liege. Das Ehepaar begab sich daraufhin zu Papst Liberius, der, wie man erfuhr, denselben Traum gehabt hatte. Am Morgen des 5. August sei dann die höchste Erhebung des Esquilin-Hügels von Schnee weiß gefärbt gewesen. Deshalb führt die Marienkirche bis heute auch die Bezeichnung Santa Maria ad Nives (Unsere Liebe Frau vom Schnee).Es ist jene Kirche, nach der auch Ihre schöne Kirche hier in Reschitza benannt wurde. Wir haben eben eine schöne alttestamentliche Lesung aus dem Buch der 1. Könige 19 gehört. Es geht hier um den Propheten Elia, um die rechte Gottesverehrung und um die Gottesbegegnung in schweren Zeiten. Wie oft hört man den Ausspruch: „Hauptsache gesund!“ und wie selten: „Hauptsache selig!“ Die Christen nehmen ab an Zahl, in Westeuropa werden Kirchen geschlossen, Gemeinden gehen ein, Pfarrstellen werden gestrichen - das erfahren wir in kleinerem Maße auch hier bei uns. Die Kenntnis der Bibel und der christlichen Grundwahrheiten hat erschreckend abgenommen. Selbst viele engagierte Kirchenmitglieder wissen nichts mehr vom Schrecken der Sünde und von seiner Überwindung durch Christus, ein Thema, das im Mittelalter sehr aktuell war. Der Reformator der Evangelischen Kirche, Martin Luther, hat sich immer wieder gefragt: “Wie kriege ich einen gnädigen Gott?” Wer fragt heute noch danach? - leider die wenigsten ! Von vielen deutschen Kanzeln wird diese Kernbotschaft des Evangeliums ja auch nicht mehr gepredigt. Ja, wir leben in schweren Zeiten, und es kommt vor, dass unser Glaube dadurch angefochten wird. Darum sehnen wir uns nach Vergewisserung im Glauben und nach Gott, nach Gottes Eingreifen und nach Begegnung mit ihm. Damit sind wir dem Propheten Elia und seiner Zeit sehr nahe. Sein Volk Israel hatte dem wahren Gott den Rücken gekehrt und war dem Baalskult verfallen. Wie heute die Religion der Gesundheit, der Schönheit, des Reichtums und des Erfolgs vorherrscht, so herrschte damals die Religion des Götzen Baal vor. Auch Elia war mit seiner Glaubenstreue einsam geworden; viele um ihn her waren abgefallen. Elia hatte erfahren, wie all sein Verkündungseifer und alle Mühen nichts halfen, die rechte Gottesfurcht im Lande wieder zurückzugewinnen, es wurde im Gegenteil alles immer schlimmer. Obendrein hatte seine größte persönliche Feindin, die Königin Isebel, bei sich geschworen, dass sie ihn umbringen werde wegen seines Kampfes gegen den Baalskult. So klagte Elia Gott sein Leid und betete: „Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.“ Dabei war Elia keineswegs selbstgerecht; schon einmal wenig zuvor hatte er müde und resigniert gebetet: „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ (1. Könige 19,4). Nun haben wir es ja eigentlich doch besser als Elia. Elia war auf der Flucht vor mächtigen Leuten, die ihn umbringen wollten; uns trachtet, Gott sei Dank, noch keiner nach dem Leben - es könnte sich aber ändern. Elia war mutterseelenallein – er hatte sich in einer Höhle am Berg Sinai versteckt und konnte mit keinem Menschen über seinen Kummer reden; wir haben unsere schöne Gemeinschaft in den Gottesdiensten und auch bei anderen Gemeindeveranstaltungen, wo wir im Glauben gestärkt werden durch die Gemeinschaft unter Gottes Wort. Aber was uns und Elia verbindet, das ist die Anfechtung des Glaubens angesichts einer gottlos geworden Umwelt sowie auch die Sehnsucht nach einer aufrichtenden Begegnung mit Gott zur Vergewisserung des Glaubens. Elia befand sich am Berg Sinai. Es ist der Berg der Gottesoffenbarung, wo Gott einst seinen Bund mit dem Volk Israel besiegelte. Hier war Gott dem Mose begegnet im Feuer des brennenden Dornbusches und hatte ihn zu seinem Boten gemacht. Mit großen Macht erweisen hatte Gott Moses Mission unterstützt und den Auszug der versklavten Israeliten aus Ägypten erzwungen. Mit einem starken Wind hatte er das Schilfmeer geteilt, sodass das Volk hindurch ziehen und den hinterherjagenden Feinden entkommen konnte. Diesem ganzen Volk hatte Gott sich dann persönlich mit lauter Stimme offenbart und ihnen die Zehn Gebote gegeben. Das war wieder am Berg Sinai geschehen; dabei hatte es ein Erdbeben und andere gewaltige Naturerscheinungen gegeben. An diesen Berg Sinai führte Gott nun den verzagten Propheten Elia. Würde er sich ihm hier persönlich zeigen wie einst Mose? Würde er Elias Glauben stärken mit großen Macht erweisen, mit Feuer wie beim brennenden Busch, mit Wind wie bei der Teilung des Schilfmeers, mit einem Erdbeben wie bei der Verkündigung der Zehn Gebote? Ja, Gott wollte dem Elia begegnen und kündigte es ihm an. Er begegnet ihm – aber ganz anders, als dieser es erwartete, ganz anders, als es einst bei Mose und den Israeliten war. Zwar kam ein großer starker Wind wie damals am Schilfmeer, ein unheimlicher Sturm, bei dem sogar Felsbrocken vom Berg polterten, aber Elia spürte: In diesem Sturm begegnet mir Gott nicht.
Dann geschah ein Erdbeben wie bei Gottes Bundesschluss mit Israel, aber wieder spürte Elia: In diesem Erdbeben begegnet mir Gott nicht. Dann fegte auch noch ein Feuer über den Berg, sodass alles Dornengestrüpp hell brannte wie der Dornbusch bei Moses Berufung, aber wieder spürte Elia: In diesem Feuer begegnet mir Gott nicht. Ja, wie wollte ihm Gott denn dann begegnen? Da geschah ein stilles, sanftes Sausen, ein angenehmes Lüftchen, ein erfrischender Wind, und da spürte Elia: Jetzt begegnet mir Gott. Und er verließ seine Höhle, in die er sich bis dahin verkrochen hatte, und trat Gott entgegen. Da redete Gott mit ihm und schickte ihn wieder unter die Menschen. Gott hatte noch ein paar Aufträge für ihn, die er vollenden sollte, ehe Elia in Gottes ewige Herrlichkeit eingehen konnte. Warum ist Gott dem Elia nicht mit Sturm, Erdbeben und Feuer begegnet, sondern mit einem sanften Sausen? Darum, weil er Elia etwas lehren wollte, und ebenso will er auch uns etwas lehren. Die großen und erschreckenden Naturgewalten gingen immer mit Gottes Gesetz einher und waren Zeichen für seinen Zorn über die Sünde. Am Sinai hatte Gott das Gesetz gegeben, das allen Gehorsamen gutes Leben versprach, allen Sündern aber Strafe und Tod. Nun zeigt Gott durch das sanfte Sausen, dass sein Zorn und sein Gesetz nicht das letzte Wort haben. Das sanfte Sausen ist Zeichen für Gottes Liebe und Barmherzigkeit, für seine milde und vergebende Vatergüte; letztlich ist nur darin Gott zu finden. Und letztlich will er damit die Gottlosigkeit der Welt überwinden. Das sanfte Sausen steht für das Evangelium, für Gottes neuen Bund in seinem Sohn Jesus Christus, den er alle Propheten vorhersehen ließ - auch Elia durch das sanfte Sausen. Das sanfte Sausen steht auch für den Heiligen Geist, denn in den Sprachen Bibel, auf Hebräisch und Griechisch, heißt das Wort für „Geist“ wörtlich übersetzt „Windhauch“. Und da lernen wir an diesem Gotteswort, wie Gott uns noch heute begegnen will: Nicht mit Zorngericht und Tod, sondern mit vergebender Liebe und Barmherzigkeit, die durch seinen Sohn Jesus Christus offenbar geworden ist und die wir durch den Heiligen Geist in Wort und Sakrament erfahren dürfen. Ja, hier ist heute unser Berg Sinai, hier begegnet uns heute Gott mit dem sanften Sausen seines Geistes: Im Gottesdienst, wo uns die Sünden vergeben werden, wo von der Gnade des neuen Bundes gepredigt wird und wo der Herr uns im Heiligen Mahl leiblich begegnet unter Brot und Wein. Hier finden wir Trost, hier finden wir Glaubensvergewisserung inmitten einer gottlos gewordenen Umwelt. Und hier sendet uns Gott zu unseren Mitmenschen, denn wir sollen sie nicht verachten, sondern - trotz allem - lieben, wie Gott die Welt durch seinen Sohn geliebt hat. Wir sollen uns nicht in die Höhle unserer Resignation zurückziehen, auch nicht in die Höhle einer nur für uns selbst gelebten Frömmigkeit, wohin uns die Politiker durch das Corona-Virus verbannen wollen, sondern wir sollen auf Gottes Geheiß aus unseren Höhlen heraustreten - ebenso wie Elia das sollte. Wir sollen uns von ihm senden lassen, um das zu tun, was Gott uns als Christenmenschen in der Welt aufgetragen hat, gerade in dieser Zeit der Verunsicherung. Und wir tun gut daran, dass wir ihm mit Ehrfurcht begegnen, vor ihm aufstehen oder vor ihm niederknien, die Hände falten, die Augen schließen, die Alltagsgedanken und Alltagsgespräche draußen vor der Kirche lassen - so wie Elia ehrfürchtig sein Gesicht mit seinem Mantel bei der Gottesbegegnung verhüllte. Ja, in diesem Geist wollen wir uns ihm nahen, wenn er uns jetzt nahe ist in seinem Wort und wenn er uns gleich ganz nahe sein wird im Sakrament des Altars, um den Leib und das Blut unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu empfangen. Er möge uns durch sein Heiliges Wort und Sakrament stärken.
Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit! Amen.
Redaktion der Seite: Erwin Josef Țigla