Auf der Donau ins „wilde“ Banat (11)

Die frühe Ansiedlungszeit der Banater Schwaben im Spiegel der Literatur/ Romane von Karl Wilhelm von Martini, Adam Müller-Guttenbrunn und Gerda von Kries

Der Schwabendichter Adam Müller-Guttenbrunn Foto: privat

Besonders erfolgreich war er mit seinen historischen Romanen. Sie zählen bis heute zu den beliebtesten Heimatromanen der Banater Schwaben, darunter  auch „Der große Schwabenzug. Die Einwanderung der Schwaben in Ungarn zur Türkenzeit“ (1913), der erste Teil der Trilogie „Von Eugenius bis Josephus“, zu der auch die Romane „Barmherziger Kaiser“ (1916) und „Joseph der Deutsche“ (1917) gehören.

Adam Müller-Guttenbrunn wurde mehrfach als Schriftsteller und für sein kulturelles Wirken ausgezeichnet: Bauernfeldpreis der Stadt Wien für den Roman „Die Glocken der Heimat“; Ehrendoktor der Universität Wien (1922); Orden „Bene  Merenti I. Klasse“ (Rumänische Regierung).

 

4.2. Adam Müller-Guttenbrunns Roman „Der große Schwabenzug“ (1913)

 

Mit diesem Roman hat unser Schriftsteller ein  komplexes literarisches Spiegelbild der frühen deutschen Auswanderung ins Banat und der habsburgischen Kolonisation dieses Gebiets geschaffen. Wir lesen heute den vor hundert Jahren erschienenen „Großen Schwabenzug“ mit anderen Augen als die Generationen unmittelbar nach dem Erscheinen des Werkes 1913 und dann  auch noch nach dem Ersten Weltkrieg. Denn ein national-politischer Auftrag – die Bewahrung des Schwabentums im Banat! -  kann davon ja nicht mehr ausgehen. Der Roman bleibt jedoch ein spannendes, Geschichte bewahrendes literarisches Dokument. Er behält seinen Rang selbst im heutigen nationalen und internationalen (!) Literaturvergleich, wie übrigens auch sein Verfasser, wenn man etwa die renommierte digitale Bibliothek „Projekt Gutenberg“ als Maßstab nimmt. Darin werden im Internet über Spiegel-online rund 50.000 Bücher von Autoren aus aller Welt zur Lektüre angeboten. Unser Schriftsteller ist - als einziger Banater Autor – mit drei Titeln vertreten: „Der große Schwabenzug“ (nach der Ausgabe von 1913); „Die schöne Lotti und andere Damen. Ein Geschichtenbuch“ (1920); „Meister Jakob und seine Kinder“ (1918).

„Der Große Schwabenzug“ ist das erste Buch einer von Adam Müller-Guttenbrunn bereits mehrere Jahre davor geplanten Trilogie. So heißt es in Müller-Guttenbrunns Eintragung vom 5. Januar 1911 in sein Tagebuch: „Idee: Einwanderung der Schwaben nach Ungarn zu schildern. Roman aus dem 18. Jahrhundert. Zweiter Roman bis 1848. Dritter bis 1867. So käme ein Zyklus zustande von Kulturbüchern in Romanform. Vederemo!“ (Wir werden sehen!) (Weresch)

1917 war die Trilogie - wenn auch über andere als die ursprünglich gedachten Zeiträume - unter dem Titel „Von Eugenius bis Josephus“ vollendet. Zum „Großen Schwabenzug“ gesellten sich die beiden Romane „Barmherziger Kaiser“ (1916) und „Joseph der Deutsche“ (1917).

Der Roman liest sich spannend von Anfang an, denn der Autor lässt die geschichtlichen Ereignisse, die den Anlass und Hintergrund des gesamten Geschehens bestimmen, an Menschenbildern und Lebenswegen, an Charakteren und Schicksalen geradezu aufleben. Doch letztendlich treibt die „Masse“ der Auswanderer bzw. der Ansiedler - mit ihren Hoffnungen, ihrem Lebenskampf und Aufbauwillen - als eine Art kollektiver Held das Romangeschehen voran. Adam Müller-Guttenbrunn kommt bei der Gestaltung dieses historischen Vorgangs die Erfahrung als Dramatiker und das akribische Studium der Zeit-Dokumente in den Wiener Archiven zugute.

Was veranlasst Zehntausende Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen? Was wird sie im unbekannten Land erwarten? Diese fundamentalen Fragen treten leitmotivisch im ersten Teil des Romans auf.

Schon im Anfangskapitel „Die Botschaft des Konstablers“, das den durchgehenden volksnahen Erzählstil Adam Müller-Guttenbrunns erkennen lässt, wird die bedrückende Atmosphäre in Deutschland zur Auswanderungszeit geschildert, und dies anhand einer lebhaften Wirtshaus-Szene, in deren Mittelpunkt der pfiffige Briefträger aus Ulm steht, der ein Schreiben des Jakob Pleß aus „Hungarn“ an die „ehrsame Wittib Therese Scheiffele“ überbringt. Er muss ihr diesen Brief auch vorlesen und weiß mehr als seine Umgebung über dessen Inhalt. Der Ulmer Jakob Pleß hatte es unter Prinz Eugen zum „Konstabler“ (Geschützmeister im Rang eines Unteroffiziers) gebracht und blieb nun nach der Eroberung von „Temeschwar“ (1716) im Banat. Er warb um die tüchtige Therese aus Blaubeuren, die ihm späterhin als seine Frau beim Aufbau des Gasthofs „Zu den sieben Kurfürsten“ in Temeswar zur Seite stehen sollte. Seine Brautwerbung wird zu einer Art Ruf  zum Aufbruch ins Banat, wo unter dem Gouverneur Graf Mercy ein großes Aufbauwerk bevorstehe. Das Signal schlägt hohe Wellen. Denn die Not ist groß im Lande, so die Klage der Bauern von nah und fern im Wirtshaus:

Sie führten heute ein ernstes Gespräch, klagten über allerlei Nöte der Zeit. Der hatte fünf Söhne, jener vier und ein anderer gar sechs. Wo soll der Mensch Grund und Boden hernehmen für sie? Das Stift gibt keine Scholle her, der Graf weiß nicht, wie viel Robot-Tage er verlangen soll, wenn ein Bauer ein Stück Feld pachten will. Handwerker mussten die Buben werden und Soldaten, in die Fremd´ mussten sie alle. Dem sein Ältester diente in der Schweiz, jener hatte zwei Söhne als Handwerker in Wien, einen als Soldaten in Paris. Und dem Nikolaus Eimann waren schon zwei zu den Kaiserlichen gelaufen und einer zu den Holländern. Soldaten wurden sie auf Lebenszeit, weil die Steuern zu hoch und das Land zu klein war. Wo diesem und jenem die Kugel bestimmt sei, wisse nur Gott. (AMG)

 

Fortsetzung folgt