Eine Banater Schwäbin auf Weltreise (56)

Rumänische Schwarzmeerküste –alte Schatten im neuen Gewand

Das Delfinarium von Konstanza bleibt, trotz gepfefferter

Eintrittspreise, ein Besuchermagnet

Mit welcher Erwartungshaltung macht jemand heutzutage Urlaub an der rumänischen Schwarzmeerküste? Die einzig richtige Erwartungshaltung, damit man nicht enttäuscht wird, ist, überhaupt keine Erwartungen zu haben.

 

Für Jugendliche, Studenten, junge, frisch verliebte Pärchen oder Familien mit Kindern ist es ein ideales Urlaubsziel, weil sehr budgetschonend und so anspruchslos, dass man hier ohne Gewissensbisse mal so richtig die Sau raus lassen kann etwa wie in einer Bar in Spanien, wo die Erdnusschalen direkt auf den Boden gespuckt werden können.

 

Urlaub an der rumänischen Schwarzmeerküste ist selbst mitten in der Hochsaison noch sehr günstig, wirklich sehr günstig und nichts ist ausgebucht, man findet Hotels und Unterkünfte jeder Art auch problemlos ohne Reservierung. Am Strassenrand stehen Menschen mit Schlüsseln in der Hand und wedeln damit den vorbeifahrenden Autos zu.

 

Die Schlüsselmenschen bieten private Unterkünfte an, ein Platz im Hof zum Zelten, ein Bett, ein ganzes Zimmer, ein ganzes Haus, je nachdem, was man grad braucht, es gibt für jeden etwas. Romantisch direkt am Meeresstrand zelten kann man noch immer in Vama Veche – aber man muss wirklich ein hartgesottener Naturmensch sein, denn es gibt dort nur Plumsklos am Strand und Kaltwasserduschen oder überhaupt: fliessendes Wasser ist Mangeware. Aber die Atmosphäre ist sehr künstlerisch angehaucht, mit Kunstausstellungen am Strand, live Konzerten abends.

 

Die Menschen sind alle sehr Hippie, Punk, Rock oder Emo, tätoviert, mit Rastalocken (weil ordentlich Haare waschen kann man da eh nirgends) und eine psychiatrische Klinik hätte dort Hochbetrieb, denn alle Camper haben trotz ihres durchschnittlich sehr jungen Alters schon so viele Spuren im Sand ihres Lebens hinterlassen, dass bei den Meisten einmal Spurenlesen wirklich dringend nötig wäre. Also Fazit: Vama Veche ist ideal, wenn man jung ist, viel Alkohol und wenig Hygiene verträgt und unter Gleichgesinnten einen Selbstfindungssommer ohne sozialgesellschaftliche Einschränkungen an einem Meer sucht.

 

Allein hat man an der Schwarzmeerküste nichts verloren. Am schönsten ist es, wenn man mit einer Clique, kleinen Kindern oder zumindest frisch verliebt dort Urlaub macht (wegen der rosa Brille, denn dann ist alles andere sowieso egal). Wenn´s lieber ein Hotel sein soll, anstelle eines Zeltes oder einer Privatunterkunft, keine Sorge, auch die gibt`s hier wie Sand am Meer und zu höchst erschwinglichen Preisen. Fünf-Sterne-Hotels gibt`s eigentlich keine, die wenigen Vier-Sterne-Hotels haben die Sterne nicht wirklich verdient.

 

Die Drei-Sterne Hotels sind aber sauber und ganz ok. Die alten kommunistischen Hotels wurden alle neu angepinselt, aber die Farbe hilft kein bisschen, die alte Kasernenatmosphäre zu vertreiben, man fühlt sich trotzdem wie eine Sardine in einer Massenabfertigungsmühle. Ob die Abhöranlagen der Securitate entfernt sind?

 

Die Strände sind das Gegenteil von den Hotels: hier hat die Moderne Einzug gehalten. Und die teuren Preise. Eine Liege am Strand für einen Tag mieten kostet halb so viel wie eine Hotelübernachtung, was sie natürlich und verhältnismäßig sehr teuer macht. Auf dem Handtuch darf man nicht mehr überall im Sand liegen, es gibt spezielle, extra abgegrenzte Zonen dafür. Mülleimer gibts keine, der Sand ist dementsprechend voller Kippen, Essenresten und sonstigem Zivilisationsabfall.

 

Der Strand ist aber voller luxuriös anmutender und sehr modern eingerichteter, gemütlicher Lounge-Bars, wo man es sich an den lauen Sommerabenden wirklich richtig entspannt gut gehen lassen kann, wenn man die passende Gesellschaft und die entsprechenden Moneten hat.

 

Das Angebot an Essbuden, Restaurants und Imbissständen ist natürlich wegen der erwartet riesigen Anzahl von Touristen sehr gross. Man muss aber ein bisschen suchen, um Fischspezialitäten zu finden. “Guvizi”, kleine Grundwassergrundel, die jeder Angler an der Mole mit etwas Brot als Köder an den Haken kriegt, sind was Typisches fürs Schwarze Meer und sollten unbedingt probiert werden (- wenn man gerade nicht großen Hunger hat, weil satt wird man davon nicht wirklich, obwohl sie lecker sind).

 

Die Strandpromenade wimmelt nur so von Menschen, zu fast jeder Tageszeit, bis spät in die Abendstunden und kurz vor dem Sonnenaufgang geht`s dann wieder los mit den Frühaufstehern, die sich den herrlichen Sonnenaufgang über dem Meer - zu recht - nicht entgehen lassen wollen oder zum Muschelsammeln aufstehen, bevor die Menschenmassen den Strand überfallen.

 

In Konstanza/Constanţa, an der Strandpromenade, gibt`s etwas Aussergewöhnliches, was man wirklich einmal im Leben probieren sollte: es gibt hier Segways zu durchaus erschwinglichen Preisen zu mieten. Segways sind so eine Art zweirädrige, elektrische Roller, die durch die Verlagerung des Körpergewichts nach vorne, auf die Zehen, beschleunigen und durch die Verlagerung auf die Fersen bremsen. Es ist ein eigenartiges, spannendes neues Körpergefühl, das man schwer beschreiben kann, aber unbedingt mal ausprobieren sollte, wenn man schon zufällig in der größten Hafenstadt am rumänischen Schwarzmeerufer ist.

 

Am besten aber vor 18 Uhr oder nach 23 Uhr, denn ansonsten ist die Promenade so voller Leute, dass man ständig aufpassen und schwer genügend Platz zum Ausfahren findet, um die maximal 20 km/h, die das Gerät an Geschwindigkeit aufbringt, mal auszuprobieren.

Was man außerdem sich nicht entgehen lassen sollte, ist das Delfinarium in Konstanza (obwohl der Eintritt mit 50 RON/Person für eine 20-minütige Show doch im Verhältnis zu den sonst hier üblichen Preisen sehr teuer ist und obwohl man bezüglich der Gefangenhaltung und Dressur von so edlen und hochintelligenten Tieren wie den Delfinen unterschiedlicher Meinung sein kann).

 

Man ist danach eigentlich trotz allem verzaubert und erstaunt darüber, wie intelligent, liebenswürdig und aussergewöhnlich diese Tiere doch sind und wünscht sich plötzlich unwillkürlich, auch mal ins Becken zu springen und mit den Delfinen schwimmen zu dürfen.

 

Was für uns Banater natürlich erschwerlich ist bei einem Schwarzmeerurlaub ist die Entfernung bis dorthin. Mit Auto oder Zug ist man praktisch einen ganzen Tag unterwegs und es ist doch sehr ermüdend. Flugzeuge aus Temeswar gibt`s nur jeden zweiten Tag, zu recht ungünstigen Uhrzeiten und der Preis ist nicht gerade bescheiden.

 

Eine durchaus extravagante und kostengünstige Alternative ist ein Privatflug. In 3 Stunden ist man aus Temeswar am Schwarzen Meer, fliegt wann man will, jeder sitzt am Fenster und es kostet für 3 Personen weniger als mit dem Linienflugzeug (www.maxair.ro) - von dem Abenteuer ganz zu schweigen: davon erzählt man ein Leben lang, von seinem ersten Flug in einer kleinen privaten Cessna.

 

Aber egal wie man dorthin gelangt, in Tuzla am Flughafen gibt`s halbstündige Rundtouren über die Küste. Wie klein die Schwarzmeerküste doch ist, merkt man erst von oben: in weniger als zehn Minuten überfliegt man sie von einem Ende zum anderen.

 

Wenn man es richtig anstellt, nicht allein ans Meer fliegt/fährt und im richtigen (jüngeren) Lebensabschnitt dort Urlaub macht, kann man bei einigem Augenzudrücken eine wirklich schöne, unvergessliche Zeit dort erleben – aber mitten im Leben, als erwachsenes, komfortbedürftiges, leicht zivilisationsverwöhntes oder älteres Paar ist dieses Urlaubsziel nicht wirklich die beste, wohl aber unter Umständen die knickrigste Wahl.