Eigentlich wollte ich diesen Kommentar „Je suis Paris“ betiteln und über den unkonventionellen dritten Weltkrieg schreiben, ausgehend von der Kriegsrhetorik des F. Hollande, des Präsidenten Frankreichs. Als aber Montag früh gemeldet wurde, dass er den Ausnahmezustand in Frankreich auf drei Monate verlängert hat und als er nur andeutete, den Bündnisfall der Nato auszurufen, habe ich mich entschieden, nochmal bei der aktuellen rumänischen Innenpolitik zu bleiben.
Denn auch hier tut sich nun einiges von dem, was „die Straße“ nach der Brandkatastrophe im „Colectiv“ gefordert hat. Cioloş ließ am Montag seine „Technokratenregierung“ parlamentarisch begutachten und verhielt sich erfrischend vorsichtig zu den populistischen Beschlüssen der Ponta-Regierung, die einerseits (durch Steuersenkungen) die Staatseinkommen verringern, andrerseits mehr als einer Million Staatsangestellten (Gesundheits- und Unterrichtswesen, Staatsbedienstete, einschließlich den 18.000 Popen und 70.000 Nonnen und Mönchen) die Löhne zwischen zehn und 25 Prozent erhöhen wollte.
Zwischendurch hatten Soziologen die Idee, mal ad-hoc nachzuforschen, wer denn „die Straße“ ist, die sich einerseits so konsequent im Protest, andrerseits so chaotisch im Forderungsverhalten benahm. Überraschung: die dezenten, verhaltenen, zivilisierten Protestler der ersten beiden Tage waren zu 54 Prozent Hochschulabsolventen, 17 Prozent unter ihnen hatten auch ein postuniversitäres Studium abgeschlossen, 26 Prozent waren Lyzeumsabsolventen, je ein Prozent hatten eine allgemeinbildende oder Fachschule besucht.
Man kann also von einem „von Intellektuellen dominierten Protest“ sprechen. Demgemäß ging auch die Umfrage aus, was „die Straße“ sich denn von einem Politiker wünsche (vorausgesetzt, man ist sich einig, dass es nunmal ohne Politiker - im ursprünglichen Sinn der altgriechischen „polis“ - nicht geht). Korrektheit (15 Prozent), Integersein/Integrität (10 Prozent), Redlichkeit (8 Prozent), Rechtschaffenheit (8 Prozent), Ehrlichkeit (4 Prozent) waren die am häufigsten genannten moralischen Werte, während am verurteilenswertesten von „der Straße“ die „Korruption“ (19 Prozent) „Manipulation und Lüge“ (11 Prozent) genannt wurde, wobei sie auch ein grundsätzliches Problem hat mit der „politischen Klasse“ und ihren sich als Legislative dreckig zugeschanzten Privilegien (10 Prozent). Rund 78 Prozent der Demonstranten waren zwischen 21 und 40 Jahre alt, 75 Prozent waren im Arbeitsleben aktiv, 65 Prozent davon in der Privatwirtschaft. 17 Prozent waren Studenten. Aufschlussreich ist auch, wie sie auf die Straße kamen: 65 Prozent durch die Sozialisierungsplattformen (vor allem Facebook) und 17 weitere Prozent übers Internet. Bloß 14 Prozent hatten beim Fernsehgucken von den Protesten gehört. Sie wollen eine neue politische Klasse, bei der moralische Kriterien überwiegen sollen.
Eigentlich schade, dass Präsident Johannis und sein verschlafener Stab bisher nicht mehr aus diesem Potenzial gemacht haben.