Lenau-Absolventen: Jahre später

Ganz egal, ob es große Bauprojekte oder der Ankauf von Landmaschinen sind, Radu Popa (Foto) erstellt Papiere für EU-Gelder.
Foto: Zoltán Pázmány

Etwa einhundert Absolventen schließen jedes Jahr allein das Nikolaus Lenau-Lyzeum ab. Weitere Schulabgänger im Banat kommen jährlich aus deutschen Lyzeen in Arad, Reschitza, Karansebesch und Lugosch. Viele von ihnen sind in Verwaltung, Wirtschaft, oder Kultur in der Region zugegen. Die Banater Zeitung beginnt heute eine Serie von Porträts über die Absolventen deutscher Schulen im Banat. Die Redakteure der Rubrik werden keine a priori festgelegte Hierarchie verfolgen. Bestimmte Anlässe aus dem jeweiligen Bereich, in dem die Personen tätig sind, können jedoch durchaus als Argument stehen, um in dieser Reihe berücksichtigt zu werden.


Deutsch, weil die Mutter darauf bestand

Lenau-Absolvent unterstützt bei Akquirierung von EU-Fonds

 

Nach dem Fotoshooting legt Radu Popa das Sakko ab, lehnt sich lässig zurück: „Wie führen wir das Interview? Deutsch oder rumänisch“. Obwohl ein lockeres Gespräch ansteht, bleibt die Krawatte eng um den Hemdkragen geschlungen. „Meine Mutter, die pragmatische Geschäftsfrau, hatte damals die Idee, mich an die deutsche Schule zu schicken“. Auch wenn es fast 30 Jahre her ist, erinnert er sich an seine ersten Deutschkenntnisse „von Frau Renate vermittelt, dann die gute Bildung bei Lehrerin Betty Brucker“.

Wohl hat sich Radu Popa zu seinem gepflegten Äußeren auch aus beruflichen Gründen selbst erzogen, denn seine Kunden erwarten von ihrem Wegbereiter für die Akquirierung von EU-Fonds über weite Strecken den seriösen Berater-Typen und nicht etwa einen salopp gekleideten späten Teenager. „Ich habe eh leichten Nachteil, den Kollegen von der Konkurrenz gegenüber, die ihre Klienten umarmen und umgarnen“. Seine Erfahrung in Sachen Unternehmensberatung und Wegweiser kommt jedoch nicht von ungefähr. Obwohl der Vater stadtweit Showrooms betreibt, hat der Sohn nur kurze Zeit im väterlichen Betrieb gearbeitet und seine Erfahrung in mehreren Branchen gesucht. Die Bindung zur Familie hat der gelernte Bauingenieur – fast selbstverständlich mit einem Studium an der deutschen Abteilung in Temeswar - jedoch auch beruflich aufrecht erhalten, steht ihm doch im väterlichen Unternehmen ein kleines, zweckmäßig eingerichtetes Büro zur Verfügung. „Es ist nicht einfach, mit den Leuten. Viele haben nur eines im Kopf: „Wieviel Geld kriege ich?“, so die häufige Frage. „Manche glauben, sie müssten für Nachhaltigkeit in meiner Arbeit sorgen und noch etwas über die offizielle Rechnung hinaus drauflegen“. Im gleichen Atemzug und zum gleichen Thema setzt er fort: „Es gibt noch immer Bürger, die der Meinung sind, dass ihnen ganz einfach alles zusteht“, weiß der Mitdreißiger. Selbst die Erfahrung musste er machen, dass sich potenzielle Kunden in seinem Büro erst einmal schlau machen und dann mit den Informationen zur Konkurrenz gehen. Aber es gibt auch den routinierten Geschäftsmann, „der weiß, worauf es ankommt, der die notwendigen Mittel zur Co-Finanzierung hat und nicht zuletzt auch versteht, dass EU-Gelder einer strikten Bewertung  unterzogen werden“. Deshalb kann er, als Consulter auch recht gut schätzen, wie viele Bewertungspunkte das jeweilige Dossier erhält, die Sicherheit zur Finanzierung kann er jedoch nicht garantieren. „Das hängt ja immer auch von den Mitbewerbern ab“.

Überall werde bestochen, nur so käme man an Gelder und Aufträge ran. Solche Urteile fällen Interessenten und Implizierte an den verschiedensten Projektfinanzierungen. Obwohl die BZ faire Recherche, Untersuchung und Berichterstattung zugesagt hatte, wollte keiner eine solche Aussage auch zu Veröffentlichungszwecken machen. Radu Popa ist nun der ideale Gesprächspartner, um diesem Thema nachzugehen: „Ich glaube nicht, dass es eine Gepflogenheit ist, bei den Projekten zu tricksen“, denn „das Risiko ist viel zu groß“. Zumindest bei Fonds für Privatunterfangen, die der Ingenieur betreut, sei dies der Fall. Fakt ist jedoch, „dass viele Kunden zu mir kommen, um sich einen Traum zu verwirklichen“.

In das Sakko des Beraters – das Radu Popa zum Abschluss unseres Gesprächs erneut anlegt – ist der Unternehmensberater stufenweise hineingewachsen. Mitarbeiter im Autohaus, Einführung neuer Technologien in der Temeswarer Bierbrauerei, auf dem Bau oder in der Regionaldirektion für Wegebau hat er reichlich Erfahrung gesammelt, bis er vor zwei Jahren seine eigene Beraterfirma gründete. Dabei richtet er seinen Fokus vor allem auf Projekte für Unternehmer, die nicht immer vor Ort sein können und denen er die Managementaufgaben abnehmen kann. Und geht es dabei um ausländische Kunden, sind ihm solche aus dem deutschsprachigen Raum am liebsten. „Mit ihnen kann ich problemlos kommunizieren“. Und da ist er heute glücklich, dass er die Lenau-Schule absolviert hat: „Denn bei einer Übersetzung geht immer einiges verloren“. Und nicht zuletzt: „Wenn zwei die gleiche Sprache sprechen, wird schon früh das in Geschäftsfragen nötige Vertrauen aufgebaut.“