Liebe Mitbrüder im priesterlichen Amt!

In Christus geliebte Brüder und Schwestern!

Die Liturgie der Osternacht – die Ostervigil – ist einzigartig schön. Die Messen, die in dieser Nacht in allen Kirchen der Welt zelebriert werden, verhelfen uns zu einer gemeinsamen Feier des Hochfestes der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, so dass wir verstehen können, dass es hier eigentlich um das wahre Leben geht, und zwar das Leben, welches den Tod besiegt hat, und um unser eigenes Leben. Denn ein jeder von uns wünscht sich, sein eigenes Leben als wahres Leben bezeichnen zu können.

 

Die Lesungen aus der Heiligen Schrift und aus dem Evangelium bezeugen einstimmig, dass das Leben mit voller Hingabe gelebt werden muss und nicht nur halbwegs. Das Leben unseres Auferstandenen Heilands soll unser ganzes Leben durchdringen, nicht nur Teile unserer Existenz. 

Wir sehen zwar, dass die Auferstehung Christi nicht allen Menschen Freude gebracht hat. Und da müssen wir nicht unbedingt an die Feinde Christi denken. Die Auferstehung brachte auch jenen Menschen keine Freude, die gleichgültig, zu Hause geblieben sind, die ihr Leben nicht aufs Spiel setzen wollten für Ihn. Jene aber, die am frühen Morgen zum Grabe eilen, nehmen es in Kauf eventuell geschlagen, vertrieben und verhöhnt zu werden. Und trotzdem gehen die Frauen, und danach auch die Jünger, dieses Risiko ein.

 

All jene, die kein Risiko eingehen, die den Ablauf der Ereignisse aus einer gewissen bequemen Entfernung, mit Teilnahmslosigkeit verfolgen, die keinen Glaube haben oder gleichgültig sind, haben auch keinen Anteil am Leben, an der wahren Freude. Der auferstandene Jesus hat uns das Leben gebracht, ein Leben, das aber gelebt werden muss, und nicht nur aus der Ferne teilnahmslos betrachtet werden soll. Wir müssen uns selber aktiv engagieren in diesem Leben, das unser Heiland uns schenkt, und im Leben seiner Gemeinschaft, auch wenn wir damit Risiken eingehen. Sonst bleiben wir am Rande des Lebens stehen, vielleicht reich, vielleicht auch berühmt, aber höchstwahrscheinlich unglücklich, unzufrieden.

 

Es scheint zwar, dass jene Menschen, die kein Risiko eingehen und in sicherer Entfernung stehenbleiben, dadurch ihre eigene Haut retten. Aber sie setzen dennoch etwas extrem Wichtiges aufs Spiel: das wahre Leben. Diese Fülle des wahren Lebens können sie so nicht erleben!

Der heilige Apostel Paulus warnt uns in einem seiner Briefe mit den Worten: „Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Rom 8,32). Begreifen wir eigentlich, mit wie viel Freude uns der Heilige Paulus das sagt? Der Apostel der Völker hat für Christus alles riskiert, er hat sogar für ihn gelitten und ist doch nun voller Freude. Sogar im hohen Alter, aus dem Kerker, schreibt er begeisterte Briefe, ist immer noch lebensvoll! Warum? Weil das Leben in ihm ist, weil er Jesus Christus in seinem Herzen aufgenommen hat. „Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ Er erlebt eigentlich dieses „alles“: ich habe in Gott alles bekommen, der Herr schenkte mir alles und deswegen bin ich glücklich. Ja, tatsächlich schenkte uns der Herr alles, allerdings aber „mit Ihm“, mit seinem Sohn, nicht außerhalb von Ihm oder ohne Ihn. Wenn ich zugebe, dass ich seinen Sohn brauche und wenn ich Ihn in meinem Leben aufnehme, dann wird er mir alles schenken.

 

Liebe Brüder und Schwestern, in unserem Leben als Christen geht es nicht nur darum, ob wir eine Glaubenswahrheit wie, zum Beispiel, die Auferstehung Jesu Christi anerkennen oder annehmen. Es geht um viel mehr: es ist nämlich nicht genug, zu glauben, sondern wir müssen Christus auch in unserem Leben aufnehmen.

Das ist es, was der Auferstandene mit uns tun will: er möchte uns nicht von außen belehren, sondern er will in unserem Herzen wohnen, in unserem Leben, in jeder Faser unseres Wesens, in jedem Atemzug, in unserer Seele möchte er leben. Er möchte uns formen, leiten und lehren, aber aus unserem Inneren heraus, damit wir so am wahren Leben Anteil haben können. Er ist auferstanden und will, dass auch wir, in Ihm und mit Ihm, ein neues Leben haben sollen. Amen!

 

Temeswar, am Ostersonntag des Herrenjahres 2019

† Josef Csaba Pál,

Bischof von Temeswar