Schülerlager heute – Ein Trendsetter sieht anders aus

Staatliche Freizeitanlagen wurden reihenweise geschlossen

„Guten Morgen, Herr Klassenlehrer!“ Manchmal schreiben Kinder auch kleine Nettigkeiten auf die Türen der Schlafräume. Das dürfte die Verwalter jedoch kaum verärgern.

Die neuen Medien fassen überall: Adrian Tal (Foto) wirbt auch über Facebook für die Schülerlager im Kreis Temesch.

Zum Abschluß ein Wink: Jetzt den Redakteuren der Banater Zeitung, später dem Ferienlager.
Fotos: Zoltán Pázmány

Großkeweresch/ Cheveresu Mare, und Poieni Strâmbu, im Poiana Ruscai-Gebirge, sind die einzigen noch funktionellen Freizeitstätten im Verwaltungskreis Temesch/ Timis, die von der Kreisdirektion für Jugend und Sport verwaltet werden. Die anderen drei - in Herneacova, Poieni Sat und Bogda – werden längst nicht mehr genutzt. Ihre Zukunft ist unsicher, aber plangemäß sollen sie an den Kreisrat übergeben werden, erzählt Aurel Cotarca, Mitarbeiter in der Abteilung Ferienlager der Kreisdirektion für Jugend und Sport. Die Freizeitstätte in Nadrag/ Nadrag hatte eine ähnliche Geschichte und wurde 2011 dem Kommunalrat zugeteilt. Diese Entscheidungen kommen vom Ministerium für Jugend und Sport. Die Neuverordnung, die es Gruppen aller Zusammensetzungen erlaubt, in den Freizeitstätten gegen Bezahlung einen Aufenthalt zu buchen, wurde ebenfalls vom Ministerium bestimmt. „Großkeweresch und Poieni Strâmbu sind bei uns nicht als Schul-Ferienlager, sondern als Freizeitstätten, eingetragen“, so Adrian Tal, Direktor der Kreisdirektion für Jugend und Sport.

Wanderziel: Ceausescu-Villa

Immer mehr Kinder und Jugendliche werden Erlebnisse zum Thema Ferienlager versäumen, denn die staatlich geförderten Freizeitanlagen in Rumänien werden von Jahr zu Jahr weniger und die vom Bildungsministerium finanzierten Aufenthaltsplätze ebenfalls. Sonstige Gäste müssen selbst für die Unterkunft bezahlen, was trotz erschwinglichem Preis, für viele - weniger betuchte Familien - immer noch zu viel ist. Eltern, mit finanziellem Potenzial,  bevorzugen andere Ferienorte, auch für ihre Kinder: Ferienlager sind nicht mehr im Trend.

Einst war das Jagdhaus von Diktator Ceausescu ein gut bewachter Ort. Ein Vierteljahrhundert später ist es Wanderziel für Schüler und Jugendliche, die sich im Ferienlager in Großkeweresch aufhalten. „Ceausescu’s Jagd-Hütte” – so nennen die Einheimischen die Herberge auch heute noch, auch wenn sie längst dem Forstamt gehört. Der sieben Kilometer lange Weg aus dem Dorfzentrum zum Ferienlager scheint länger als er in Wirklichkeit ist, denn auf der Forststraße ist Autofahren nur im gemäßigten Tempo möglich. Am Forstamt vorbei, quer durch einen Wald mit spärlichem Baumbestand, sieht man schon in der Ferne das Gebäude des Ferienlagers. Aus der Richtung kommen fröhlich spazierend mehrere Kinder, die sich dort derzeit aufhalten. Ihr Ziel: natürlich „Ceausescu’s Jagd-Hütte”.

Zu einem thematischen Ferienlager haben sich die Kinder eingefunden. Aus Josefsdorf/ Iosifalau sind sie gekommen, um vier Tage im Freien zu verbringen, „zu lernen wie man besser miteinander umgeht und die Allgemeinbildung zu verbessern“, sagt Pfarrer Cosmin Chiroiu, der die Gruppe leitet. Die Teilnehmer gehören zum Chor der orthodoxen Kirche aus Josefsdorf und beteiligen sich aktiv am kulturellen Dorf-Leben, sagt Pfarrer Chiroiu. Mit Unterstützung der Metropolie, der Kommunalräte aus Topolov²]u Mare und Großkeweresch, sowie eines privaten Sponsors hat es Pfarrer Chiroiu geschafft, die 35 Kinder und Jugendliche für vier Tage ins Ferienlager zu bringen. Für so viel hat wohl das Geld gereicht. Auch wenn sie volles Programm, mit Bildungs- und Sport-Aktivitäten haben, soll es an Spaß mit Tanz, Spiel und Karaoke nicht fehlen. Sogar  angeln im nahe gelegenen Temesch-Fluß ist angesagt. Einst gab es da einen Badestrand, heute trauern diesem nur noch einheimische Nostalgiker nach. So erfolgreich war es mit dem Angeln in der Temesch für die Gruppe aus Josefsdorf zunächst nicht: Allein Darian hatte einen Fisch am Haken. Ihre Gedanken schweifen jedoch schon zum Abendprogramm mit Lagerfeuer, denn ein solches muss im Ferienlager unbedingt mit dabei sein, erzählen die Kinder.

Neue Bungalows und stillgelegte Holzhäuschen...

53 Unterkunftsplätze hat die 2,2 Hektar große Freizeitanlage von Großkeweresch, in zwei Bungalows und einem Pavillon aufgeteilt. Die etwas abseits stehenden Holzhäuschen werden nicht mehr genutzt und sind dem Verfall preis gegeben, denn seit 2006 entsprechen sie den vom Ministerium festgelegten Normen nicht mehr. Sie seien zu klein und haben kein fließendes Wasser. Das sind nur einige der Gründe, warum sie nicht verwendbar sind. Trotzdem können sie nicht entfernt werden, denn sie gehören zum Staatseigentum und solch eine Entscheidung kann nur durch einen Regierungs-Beschluss getroffen werden. Niemand beschäftigt sich jedoch damit, also stehen die Häuschen dort herum, als sollten sie an die 1989 gefallene Regierung erinnern. Daneben, viel Gegenwart: Auf die Außenwand des Freizeit-Klubs gemalt – die EU- bzw. die  Rumänien-Flagge.

Die Spuren des Aufenthaltes vieler Kinder und Jugendlichen sind allgegenwärtig. An Türen und Wänden sind sie eingeritzt. „Einige Schäden sind unvermeidbar“, so Aurel Cotarca, „denn obwohl es Vorschriften gibt, beachten sie nicht alle. Es sind meist die Studenten, die keine Rücksicht nehmen und Schäden verursachen“. Der Lagerverwalter des Camps, Gheorghe Cârdei, nickt zustimmend. Er hat vieles schon erlebt, in den 28 Jahren, seitdem er am gleichen Ort seinen Job versieht. Er ist einer von drei Mitarbeitern, die von der zuständigen Behörde angestellt sind. „Etwas zu tun ist hier immer, aber wir sind zu wenige und deshalb ist die Arbeit nicht einfach.“ Mit dabei, eine Köchin und ein Wächter. Gheorghe Cârdei erinnert sich an „die früheren Zeiten“, als der Ort 120 Plätze hatte und zumindest in den Ferien komplett ausgebucht war. Nun werden viel weniger Ferienlager organisiert – zu 50 Prozent wurden die Plätze diesen Sommer belegt.

Soziale Komponente ganz groß geschrieben

Die Besucherzahlen lägen wohl weit unter den ohnehin schon schlechten Werten, gäbe es nicht Sportler, deren Ansprüche und finanzielle Möglichkeiten dem Niveau eines Schülerlagers entsprechen. Der Ort, 30 Kilometer von Temeswar/ Timisoara entfernt, ist für Trainingslager auch deshalb geeignet, denn 2008 wurde der Sportplatz erneuert und die Gegend erlaubt den Teilnehmern auch sonstige Sport-Aktivitäten im Freien. Die Fußballer des Sportlyzeums Banatul aus Temeswar halten sich hier wiederholt auf. Karate- und Tanz-Klubs haben ebenfalls ihr Trainingslager vor Ort abgehalten. Im Camp bei Großkeweresch werden auch soziale Ferienlager, für Kinder und Jugendliche, die keine finanziellen Möglichkeiten haben, veranstaltet. Auch Ferienlager für behinderte Kinder werden organisiert. Der Aufenthalt solcher Gruppen mit Sozialfällen wird komplett vom Staat finanziert. Ansonsten kostet ein Tag im Camp 66 Lei, Unterkunft und drei Mahlzeiten eingerechnet. Zielgruppe sind Jugendliche von 14 bis 35 Jahren. Zwei mit Holz betriebene Heizungsanlagen machen es möglich, auch im Winter Gruppen zu beherbergen. Besonders bei Studenten ist das Camp im Winter gefragt.

Die Trägerschaft über Ferienlager ist in Ministerien und ihren dezentralisierten Einrichtungen Aufgabe und Verantwortung zugleich. Ein wenig Nostalgie dürfe ebenfalls mitmischen, wenn solche Einrichtungen nicht gänzlich geschlossen werden. Und nicht zuletzt, manch ein Kind hat so überhaupt mal einen Kurzurlaub. Geld ist für den Träger damit keines zu verdienen, „denn der Mittelstand fehlt“, sagt Aurel Cotarca. Gerade Kinder aus Familien aus dem Mittelstand kann er sich gut im Ferienlager vorstellen: Nicht betucht, aber trotzdem so viel Geld, um sich den Spaß zu ermöglichen. Ein Seufzer entlockt Direktor Adrian Tal die Frage, ob Schülerlager Nutzen oder Plage sind. „Wir decken gerade so die Kosten“.