Als Erdbeben oder Tsunami, jedenfalls als verheerende Katastrophe wurde das Wahlergebnis des ersten Durchgangs der rumänischen Präsidentschaftswahlen bezeichnet. Ein so gut wie unbekannter unabhängiger Kandidat namens Călin Georgescu geht in die Stichwahl zusammen mit der USR-Kandidatin Elena Lasconi, wiedergewählte Bürgermeisterin der Kleinstadt Câmpulung Muscel und Ex-Journalistin bei ProTv. Erst nach der Wahl erfahren die meisten, wer eigentlich dieser Georgescu ist und wofür er steht: ein Rechtsextremist mit Sympathien für Putin, ein Bewunderer der Legionäre, ein Mann mit bizarren Theorien und Verschwörungsmythen. Ein Politiker der von Frieden und Neutralität spricht und dabei die Abschottung Rumäniens meint, der als religiöser Eiferer auftreten will und der wenig von der EU oder der NATO hält. Sein seltsames Gebräu von Ideen und Vorstellungen als politische Plattform zu bezeichnen ist nichts anderes als ein schlechter Witz, der aber plötzlich auch brandgefährlich fürs Land und unsere Zukunft wird. Zwar hat Georgescu seine Aussagen in den letzten Tagen relativiert – aber der Mann, der vorher auch als Berater und Experte für die Vereinten Nationen gearbeitet hat, bevor er dann solch einen totalen radikalen Wandel durchmacht – so ein Kandidat bleibt eine äußerst dubiose Gestalt, wobei unklar ist, wer hinter ihr steht.
Wie konnte es aber soweit kommen? Die Liste der (vermeintlich) Schuldigen, die so etwas möglich gemacht haben, ist sehr, sehr lang. Denn diesmal gilt offensichtlich nicht mehr das geflügelte Wort, demgemäß das Volk (dessen Wille demokratisch durch die Wahlen zum Ausdruck kommt) immer Recht hat. Wer oder was wird also zur Verantwortung für dieses Desaster gezogen? Es sind die alten Parteien, also das „System“, der eher abwesend und gleichgültig wirkende Präsident, die Geheimdienste, Tik-Tok, Putins Russland, die Diaspora, das Verfassungsgericht das, als Nachspiel, eine allgemeine Nachzählung der Wahlzettel anordnet.
Wo das Vertrauen in Frage gestellt wird, wird der Raum frei für Kräfte und Interessengruppen, die sich als einzige Alternative, als Retter des Volkes aufspielen. Manche sind wohl Opportunisten, die auf einen schnellen Profit ausgehen, den Machtpositionen im Staat in Aussicht stellen. Andere sind politische Abenteurer, die nationale Interessen hemmungslos aufs Spiel setzen. Andere wie-derum könnten Fanatiker sein für die ihre „Mission“ das Wichtigste auf der Welt ist und die in ihrem Inneren keinen Wert auf Demokratie oder Meinungsfreiheit setzen. Egal, wem man Georgescu zuordnet: er ist eine Gefahr für die europäische Zukunft Rumäniens; er steht für die dunkle Vergangenheit eines isolierten Rumäniens, so wie unter Ceau{escu in den 1980er Jahren.
Seine Gegenkandidatin Lasconi steht für Rumänien als verlässlicher NATO-Partner und EU-Mitgliedsstaat. Sie konnte sich vor dem PSD-Präsidentschaftskandidaten und Premier Ciolacu knapp behaupten. Jener Sieg müsste schwieriger gewesen sein als einem absolut unberechenbaren, skandalumwitterten Kandidaten den Weg zum höchsten Amt im Staate zu versperren. Das wäre ein erster Schritt aus einer Krisensituation die mit dem falschen Präsidenten nur weiter eskalieren würde. Dafür ist es aber notwendig, wählen zu gehen und für die europataugliche Präsidentschaftskandidatur zustimmen.