ADZ-Serie - Wertvolle Jugendbücher: Angst vor der Angst

„Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen“ von Ava Reed Ueberreuter Verlagg, ausgeliehen in derBibliothek des Goethe-Instituts Bukarest, Calea Dorobanți 32/ Pavilion, www.goethe.de/bukarest

Wie eine dunkle Wolke bricht sie plötzlich über Lenis Leben her: die Angst. Zuerst war es nur die Angst vor einer Prüfung. Normal, so kurz vor dem Abitur, denkt Leni, denkt eigentlich jeder, die Lehrer, die Eltern, die beste Freundin Emma, dann auch die Ärzte, und sehr viel muss passieren, bis sie alle - einschließlich Leni - begreifen: So einfach ist das nicht!

Doch da hat sich die Angst schon festgebissen. Sie beherrscht ihr Leben, lässt sich nicht mehr vertreiben. Wie konnte das passieren?

Während einer wichtigen Klassenarbeit im alles entscheidenden Abiturjahr wird Leni auf einmal schlecht. Zu groß ist der Druck, sie muss raus. Sie hat die Klassenzimmertüre hinter sich noch nicht ganz geschlossen, als es plötzlich losgeht: Sie erbricht sich in alle Richtungen, häßlich, lautstark, peinlich. Dann liegt sie erschöpft im Krankenzimmer und wartet, dass die Mama sie abholt.

Doch damit hört der Albtraum nicht auf. Noch Tage später äffen einige Mitschüler Würgegeräusche nach, wenn sie Leni sehen. Die anderen, die dabei stehen, johlen. Lachen auf ihre Kosten. Leni versucht sich zu beruhigen: da muss man eben durch. Das geht schon wieder vorbei. Am besten ignorieren. Sie weiß natürlich zu gut, dass das nicht wirklich geht.

Obwohl Leni entschlossen ist, sich zusammenzureißen, gibt es bessere und schlechtere Tage. Irgendwie ist nichts mehr genauso wie zuvor. An den schlechten Tagen hat sie plötzlich sogar Angst davor, zu Emma aufs Moped zu steigen, mit dem sie seit Jahren gemeinsam zur Schule fahren. Und die Angstmomente schlagen stets unerwartet zu. Bald hat Leni Angst vor allem: vor dem neuen Tag, vor dem Rausgehen, vor den Menschen, vor der Schule, vor der Angst. Die Angst vor der Angst lähmt. Bald empfindet sie nur noch das Bett als sicheren Ort. Da würde sie dann am liebsten für immer liegen bleiben, denkt sie - aber was ist das noch für ein Leben?

Die Mutter schleppt Leni von einem Arzt zum andern: Meinungen, Ratschläge. Sie soll sich auf Prüfungen gut vorbereiten... mal richtig entspannen... ein paar Tage Auszeit nehmen. Nichts hilft. Leni verlässt jetzt kaum noch das Bett, geschweige denn das Haus, geht nicht mehr ans Handy, isoliert sich sogar vor ihrer besten Freundin Emma. Sie fühlt sich wie ein kaputtes Spielzeug.

Dann kommt „der Wimpernschlag, der alles verändert“: Leni erhält endlich die richtige Diagnose: Depression. Doch die Angst hat sich inzwischen in ihr festgebissen. Medikamente, andere und wieder andere, bringen nicht den erhofften, durchschlagenden Erfolg. Mit einem Rest an Mut verlangt Leni nach einer unfreiwilligen Überdosis an Beruhigungsmitteln selbst ihre Internierung. Vor der sie zwar Angst hat - aber was gibt es zu verlieren? Inzwischen besteht alles nur noch aus Angst.

Im Therapiezentrum trifft sie auf junge Menschen, die wie sie aus dem Gleichgewicht geraten sind. Keiner von ihnen ist „normal“. Dort lernt sie auch Matti kennen, der an einer seltenen Erbkrankheit leidet, die sein Leben mindestens so stark einschränkt wie die Angst das ihre – und dies seit frühester Kindheit. Matti aber will endlich richtig leben!

Als der Junge plant, aus der Anstalt auszubrechen, trifft Leni einen gewagten Entschluss. Mit diesem Jungen, den sie kaum kennt, will sie dem Lichtlein am Ende des Tunnels endlich nachjagen – ihre allerletzte Chance!

Zwei Hälften, beide auf ganz eigene Weise versehrt, lassen sich auf ein gewagtes Abenteuer ein. Und schaffen es schließlich gemeinsam, mit vielen Hürden und Rückschlägen, wie ein - fast - Ganzes zu funktionieren, das langsam, ganz langsam, wieder leben und lieben lernt.

Autorin Ava Reed bekennt am Ende des Buches, in ihrer Jugend selbst in eine solche Angstspirale hineingeraten zu sein. Wichtig sei es, rechtzeitig zu erkennen, wenn ein psychisches Problem das normale Maß übersteigt, und schnell gezielt Hilfe zu suchen, rät sie. Im Nachspann nennt sie auch Anlaufstellen für Betroffene, deren Angehörige oder Freunde, sowie für Telefonund E-Mail-Beratung. Selbst wenn der Weg zurück in die Normalität schwer ist und oft nicht mehr alles so wie früher wird, meint Reed, so liegt doch zwischen Allem und Nichts noch ganz viel Erlebenswertes!


Die monatliche ADZ-Reihe „Wertvolle Jugendbücher“ möchte Kinder und Jugendliche zum Lesen in deutscher Sprache anregen. Die Bücher sind in den deutschsprachigen Bibliotheken des Goethe-Instituts auszuleihen.