Anlässlich ihres Geburtstages, der sich genau am heutigen Weltfrauentag zum 100. Mal jährt, sei es angemessen, die Persönlichkeit und das Werk der rumänischen Künstlerin jüdischer Herkunft, Alma Redlinger, vorzustellen und sie entsprechend zu ehren. Derzeit gibt es im Nationalen Museum für Gegenwartskunst MNAC eine Ausstellung mit ihren Werken.
Alma Redlinger ist am 8. März 1924 in Bukarest geboren und am 2. Februar 2017 ebenda gestorben. Von den judenfeindlichen Gesetzen unter der Diktatur des Königs Carol II. und, nach seiner Abdankung, des Marschalls Ion Antonescu gezwungen, musste Alma die staatliche Schule für Buchhaltungswesen verlassen und von einer privaten Bildungseinrichtung aufgenommen werden. Zwischen 1940 und 1944 besuchte sie die Malschule des jüdischen Malers Max Hermann Maxy an der Freien Kunstakademie für Juden in Bukarest und 1945 die Kurse des Bildhauers Marcel Guguianu. 1944 heiratete Alma den Philosophen und Schachspieler vom Meisterrang, Ladislau Redlinger, und gebar ihm zwei Töchter namens Ileana und Daria. Nach Schulabschluss unternahm die Künstlerin Forschungsreisen quer durch Rumänien.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann sie in Salons für grafische Kunst und anschließend auf staatlichen Themenausstellungen auszustellen. 1951 wurde Alma Redlinger Mitglied des Verbandes bildender Künstler in Bukarest.
Im Laufe ihrer knapp 93 Lebensjahre organisierte Alma Redliger insgesamt 22 persönliche Ausstellungen, vor allem in Bukarest und beteiligte sich an zahlreichen Gruppenausstellungen im Inland sowie in Europa, Israel, Ecuador und China.
Ihre Hochbegabung und Verdienste für die rumänische Kultur wurden öffentlich anerkannt und durch Auszeichnungen und Kunstpreise mehrfach honoriert: angefangen mit dem Anastase-Simu-Preis für junge Künstler (1945), dem Preis des Kunstministeriums ein Jahr später, der goldenen Medaille der italienischen „Accademia delle Arti e delle Professioni“ und dem „Oscar d’Italia“ (beide 1985), dem Kulturverdienstorden im Rang eines Kommandeurs (2004), dem Marcel-Iancu-Preis für bildende Künste (2006) und 2011 durch die Verleihung der königlichen Auszeichnung „Nihil Sine Deo“ von König Michael I. abgerundet.
Ein facettenreiches Werk
Ihre Werke können hauptsächlich dem Modernismus und Postmodernismus zugeordnet werden und weisen expressionistische, fauvistische, kubistische und konstruktivistische Einflüsse auf. Sie sind Teil der Dauerausstellungen des Kunstmuseums in Bukarest und seiner Filialen in Bacău, Galatz, Temeswar sowie von Kunstmuseen und privaten Kunstsammlungen im Ausland.
Die Kunstkuratorin Maria-Magdalena Crișan schrieb 2006 in der 329. Nummer der Kulturzeitschrift „Observatorul Cultural“: „Alma Redlingers Malerei und Zeichnungen basieren auf dem System, einer von der Vernunft vorgegebenen Strenge. Eine starke Zeichnung mit gebrochenen Flächen und festen Linien bildet die Komposition. Die Künstlerin kontrolliert die Oberfläche des Gemäldes bis ins letzte Detail, achtet auf die Ausdrucksvielfalt, auf die Komposition der Objekte und ist darauf bedacht, den Zustand, das Gefühl eines Augenblicks wiederzugeben. Dies erklärt die große Vielfalt dieses Gemäldes im Kontext relativ begrenzter Themen. Ihre Lieblingsthemen kommen aus der vertrauten Umgebung: die Werkstatt, die Menschen in der Nähe, Familie oder Freunde. In einigen Kompositionen beschreibt sie Ecken oder weite Bilder der Werkstatt oder das Stadtbild von ihrem Fenster, in anderen beschränkt sie sich auf wenige Gegenstände oder Bücher, aber alles wird so betrachtet, dass die menschliche Präsenz vorhanden ist.“
Liebe über die Zeit hinaus
Almas Ehemann, Ladislau Redlinger, erinnerte sich, als Jugendlicher denselben Poesiekreis wie ihre mittlere Schwester Nectara besucht zu haben und diese einmal zu einer Opernaufführung eingeladen zu haben. Bei ihrem Elternhaus angekommen, fiel ihm die 16-jährige Alma mit offenem, hüftlangem Haar auf. „Ich habe sie seither jeden Tag von der Schule abgeholt. Damals war es Kinderliebe, sie war 16 Jahre alt, ich war 19. Nach vier Jahren haben wir geheiratet und unsere Liebe ist ständig gewachsen“, erzählte er der Nachrichtensprecherin Ela Crăciun für ihre Aktion „Liebe dich selbst“. Im Jahr 2017 in einem auf Ela Crăciuns Website veröffentlichten Gespräch mit dem Ehepaar gingen die beiden näher auf ihre Liebesgeschichte ein.
„Wir haben uns geliebt, ohne es einander zu sagen. Es war selbstverständlich. Mit zunehmendem Alter verstehen wir, dass es wichtig ist, es einander auch zu sagen. Sie hat neben mir ihre Favoriten, Matisse, Picasso, Van Gogh, die Liste ist endlos, aber sie hat mir beigebracht, sie auch zu lieben. Sie will nicht zugeben, dass sie eine großartige Malerin ist. Sie denkt, dass sie es nur für mich ist. Sie glaubte mir nicht, als ich ihr sagte, dass sie schön sei. „Was findest du so schön an dieser kleinen Alten, die ich bin?“, fragte sie mich. Was sieht sie wohl an diesem Greis, der ich bin? Aber ich sehe sie jetzt sehr schön, immer schöner, weil sich in ihr all ihr Schaffen und ihr ganzes Leben widerspiegelt. Mein Vater hat immer gesagt, dass wir wie zwei Diamanten sein sollen, die sich gegenseitig polieren. Ich glaube, wir haben einer vom anderen gelernt“.
Alma wusste es zu schätzen, dass ihr Gatte sie ein Leben lang unterstützte und sie an ihre Kunst glauben ließ.
Ihre Tochter Daria Simion Redlinger betonte dabei, dass ihre Eltern die Liebe zum Leben und die gleichen Freuden, von der Musik über das Theater bis hin zu Büchern, vereint hatte. „Die ganze Nachbarschaft kannte sie als das ältere Ehepaar, dass Hand in Hand spazieren ging. So verstanden sie, ihr Leben zu führen“.
Adrian Buga, Kunstkritiker und Familienfreund, erinnerte sich, in Alma Redlingers Werkstatt ein schmales Einzelbett von einem Meter Breite bemerkt zu haben. Auf seine Nachfrage erfuhr er ein süßes, intimes Geheimnis des Ehepaares: Dieses war ihr Ehebett, indem sie schon immer eng umarmt geschlafen hatten.
Als außergewöhnlich schöner Teil ihres Lebens galten die gemeinsamen Reisen quer durch Europa. „Das ist eine Fülle von Erinnerungen, die uns niemand wegnehmen kann“, besann sich Ladislau. „Es war ein erfülltes gemeinsames Leben“, schlussfolgerte Alma.
Im Mai 2018, ein Jahr nach ihrem Tod, eröffneten ihr verwitweter Mann und ihre Tochter Daria eine Gedenkausstellung in der Bukarester Simeza-Galerie. Bei der Vorbereitung der Ausstellung half auch der Kunstkritiker Adrian Buga. Nach dieser letzten Geste der Wertschätzung und Liebe für seine Frau verstarb Ladislau Redlinger im August 2018.
In einem bei jener Ausstellung aufgenommenen Material für die Sendung „Mozaica“, die der jüdischen Gemeinschaft gewidmet und Februar 2019 über den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVR 2 ausgestrahlt worden ist, stellte Almas Familie ihre Persönlichkeit auch jenseits ihrer Werke für die Nachwelt vor. Dabei stellte Ladislau fest, das Leben sei zu schnell vergangen. „Wir hatten uns in unseren insgesamt 77 Ehejahren gerade erst kennengelernt, wir hätten uns noch mehr Zeit gewünscht, um uns besser kennenzulernen. Gerne wären wir gemeinsam 100 Jahre alt geworden“.
Für ihn war Alma weiter durch ihre Bilder anwesend. „Ihre Malerei war für mich immer eine Oase, ohne Schatten, ohne Anfang und ohne Ende, ein Stützpunkt in der Welt“, gestand er.
„Meine Werke sprechen besser als ich“
Weiter sprach der Witwer über die Atmosphäre in Almas Werkstatt. Nach seiner Pensionierung war er immer an ihrer Seite und las ihr aus verschiedenen Büchern vor, während sie malte. Er empfand es als Privileg, Zeuge dieser „Magie“, wie er es nannte, zu sein. Sie hörte gern Mozart und Chopin, liebte Blumen, besonders gelbe Seerosen. Sie malte jeden Tag und wenn sie nicht malte, dann ging es ihr nicht gut. Die Künstlerin verbrachte meist mehrere Tage oder Wochen vor einem Gemälde. Ein besonderes Werk von ihr ist „Die Cellistin“, das sie jedoch innerhalb eines Tages fertigstellte. Ihr gesamtes Werk ist von einer bestimmten Musikalität geprägt, da sie oft Musikin- strumente oder Instrumentalisten dargestellt hat. Tochter Daria ist der Ansicht, die Bilder ihrer Mutter strahlen eine besondere Atmosphäre und Wärme aus.
Für Alma war jede Ausstellung wie eine sorgfältig vorbereitete Show. Die Bilder wurden miteinander in Dialog gebracht, um die thematische oder chromatische Verwandtschaft zwischen ihnen hervorzuheben. Die Organisation erfolgte gemeinsam mit der Familie. Die Künstlerin bestand immer darauf, die Reihenfolge der Bilder nicht von zu Hause aus zu bestimmen: „Lass es sein. Wir bringen die Werke in die Galerie und dort wird sich ihre Reihenfolge von alleine ergeben“, sagte sie. Trotzdem wurde nichts dem Zufall überlassen. Jedes Detail wurde besprochen: Broschüren, Kataloge, Einladungen, sogar Etiketten.
Auf Ausstellungseröffnungen kam sie kaum zu Wort, erinnerte sich ihr Mann. Sie ließ lieber die Bilder an ihrer Stelle sprechen, „Die Bilder sprechen besser als ich“.
Auf ihrer 2014 im Buka-rester Kunstheim organisierten Jubiläumsausstellung „90 Lebensjahre und 70 Jahre Malerei“ behauptete Alma Redlinger „Die Malerei war wie mein Leben. Ich habe die Malerei von Anfang bis Ende ausgeübt. Als ich mit dem Malen begann, lernte ich auch meinen Gatten kennen. Alles verlief reibungslos, ich hatte keine Unterbrechungen.“
Solange die Künstlerin lebte, verkaufte sie einige ihrer Gemälde und sagte der Familie, das sei kein Problem, sie werde andere malen. Nun kann die Familie nicht mehr auf ihre beliebtesten Werke verzichten und bei Ausstellungen gelten einige Gemälde daher als reserviert.
Wie Adrian Buga ausdrückte, „schenkte uns Alma Redlinger ihren Frieden, ihr künstlerisches Gefühl und vor allem die Liebe, die sie für ihre Familie hatte“. „Sie lächelte immer, war offen und großzügig. Wer sie kannte, liebte sie“, ergänzte ihre Tochter Daria.
In Bukarest ist noch bis zum 31. März die auf Alma Redlingers Gesamtschaffen rückblickende Ausstellung „Verlust der Unschuld“ im Nationalen Museum für Gegenwartskunst MNAC in einem Flügel des Parlaments-Palastes (Calea 13 Septembrie Nr. 1-3, Eingang E1) zu sehen.