In Wien, Leipzig, Stuttgart, Mannheim, Saarbrücken und auf vielen anderen deutschen Bühnen erklang 1939 die Operette „Mädel aus dem Kokeltal“. Eine bessere Werbung für Siebenbürgen konnte man sich gar nicht vorstellen. Manche Vorstellungen bekamen über 30 Vorhänge und der Applaus wollte kein Ende nehmen. Man trat in über 100 Vorstellungen in 30 Städten auf. Das Ensemble bestand samt den Orchestermitgliedern aus über 80 Mitwirkenden. Und das bunte Bild auf der Bühne, mit den vielen sächsischen Trachten, der Blaskapelle, dem für viele Zuhörer exotisch wirkenden Bühnenbild mit Wehrtürmen und alter Stadtmauer wirkte äußerst erfolgversprechend auf das Publikum. Leider sind die meisten Kritiken und Berichte zu dieser Deutschlandtournee verloren gegangen.
Natürlich stand im Mittelpunkt dieser Deutschlandtournee auch der kulturpolitische Aspekt der damaligen Zeit. So berichtete eine Stuttgarter Tageszeitung über den Empfang der „volksdeutschen Brüder aus Siebenbürgen“ beim Oberbürgermeister der „Stadt der Auslandsdeutschen“, also in Stuttgart. Jede der 15 Aufführungen in Stuttgart war „Gegenstand stürmischer Kundgebungen für ihre im siebenbürgischen Volkstum wurzelnde Kunst.“
Der Schöpfer der Operette
Wenn wir heute den Namen Richard Oschanitzky hören, denken wir meist an den berühmten Jazzpianisten und Komponisten, der, in Temeswar geboren, während seines kurzen Lebens (1939-1979) die Leichtmusikszene Rumäniens grundlegend beeinflusst hat. Der Schöpfer der Operette „Mädel aus dem Kokeltal“ aber war sein Vater, der am 17. Dezember 1901 in Hermannstadt geboren wurde. Bereits als Schüler des Brukenthal-Gymnasiums nahm er Unterricht bei keinem minderen als dem damaligen Kirchenmusiker und Musikvereinsdirektor Johann Leopold Bella. Er leitete damals bereits den Gymnasial-Gesangverein „Concordia“ und führte einige eigene Kompositionen auf. Nach einem kurzen Philosophiestudium in Wien wechselte er an die dortige Musikakademie (1920-1921) und danach an die Musikhochschule in Sonderhausen (Thüringen, 1921-1923). Vorübergehend war er Kapellmeister am Hermannstädter Stadttheater und Chormeister des Kronstädter Deutschen Liederkranzes (1924-1925). In einem seiner Kronstädter Konzerte führte er in der Aula des Honterus-Gymnasiums auch eigene Lieder und Chöre auf, die bereits zwischen 1915 und 1917 entstanden sind. Der Text einiger dieser Lieder stammt aus seiner Feder.
In den Jahren 192 und 1927 wirkte er als Lehrer und Organist der deutschen evangelischen Gemeinde in Bukarest wie auch als Dirigent der Bukarester Deutschen Liedertafel. In der rumänischen Hauptstadt gab er sogar ein Orgelkonzert für die rumänische Königin Maria.
Danach kam Richard Oschanitzky für kurze Zeit als Lehrer an das Realgymnasium in Bistritz.
Der Musikwissenschaftler Karl Teutsch, der ihm anlässlich seines 100. Geburtstags in der „Siebenbürgischen Zeitung“ einen Artikel gewidmet hat, stellte fest, dass Oschanitzky 1929-1930 am Staatskonservatorium in Würzburg Komposition und Dirigieren studiert hat, nach der eine wechselvolle Dirigententätigkeit in Wien, Stralsund, Berlin und Hermannstadt folgte. Dr. Oskar Klöffel schrieb im „Fränkischen Volksblatt“ nach dem Dirigat von Richard Oschanitzky in Würzburg: „Führung war unzweifelhaft am Pult bei Oschanitzky, der fraglos die beste Dirigentenleistung bot und Herr der Lage, seiner, des Stückes und der ausführenden Meister, mit seinem energiegeladenen Tempo, kräftigen Abschatten, festen Zusammennehmen aus dem Kompositionsversuch mehr Wirkung in den Saal trieb, als andere mit Meisterwerken.“
Noch während seines Studiums publizierte der Musikverlag Bote & Bock seine „Rosensuite“ für Klavier wie auch seinen Liederzyklus „Japanische Lieder“. Nachdem im Jahre 1933 die Sängerin Traute Lienert in einem Liederabend Werke von Rudolf Lassel, Paul Richter und Richard Oschanitzky vorgetragen hat, war man über diesen neuesten Liederzyklus begeistert. Der Chronist schrieb darüber: „Lebhaftes Interesse beanspruchte der japanische Liederzyklus des jungen, begabten, heimischen Musikers Richard Oschanitzky. Es sind tiefempfundene, bei aller Modernität von seltenem Wohllaut durchflutete Kompositionen eines Schaffenden, dessen weiterem Wirken zweifellos noch manches Große und Schöne entsprießen wird.“ Sein Ballett „Die Biene Maya“ wurde sogar von einem Dresdner Hochschulprofessor als „musikalische Schmiedekunst“ bezeichnet. 1934-1935 war er als Organist in Agnetheln tätig.