Die Meisterinnen der rumänischen Kunst

Eine Künstlerkönigin, die erste Kunstprofessorin und eine deutsche Fotografin bei „Art Safari“

„Weiße Lilien“ (1935) von Königin Maria von Rumänien. Wasserfarben auf Papier

„Mutterschaft“ von Cecilia Cuțescu-Storck. Öl auf Leinwand

„Sillleben mit Orangen“ von Nadia Grossman-Bulighin. Öl auf Pappe

„Art Safari“, das beliebte temporäre Kunstmuseum und der größte Kunstveranstalter in Osteuropa, ist für eine neue Saison wie gewohnt in den Dacia-România-Palast, in der Bukarester Altstadt (Str. Lipscani Nr. 18-20) zurückgekehrt.

Im Mittelpunkt seiner vielen Ausstellungen stehen Frauen, die einen wichtigen Beitrag zur rumänischen Kunst und Kultur geleistet haben. Gewidmet sind die Ausstellungen der Künstlerin-Königin Rumäniens Maria (1875-1938), den rumänischen Malerinnen und Bildhauerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Malerin und ersten Kunstprofessorin in Europa, Cecilia Cuțescu-Storck und den jungen rumänischen Gegenwartskünstlerinnen. Die Überraschung dieser Ausgabe ist die hierzulande erstmalige Ausstellung „Busen“ – in der Darstellung von Altmeistern der rumänischen Kunst bis hin zu Gegenwartskünstlern. Für die internationale Gastausstellung fungieren erneut das Institut für Auslandsbeziehungen ifa und die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland als Partner von „Art Safari“ und präsentieren zusammen Mode- und Kunstfotos der deutschen Fotografin Sibylle Bergemann (1941-2010).


Kunstwerke einer Königin

Prinzessin Marie Alexandra Victoria von Edinburgh Sachsen-Coburg und Gotha, Enkelin der britischen Königin Victoria, wurde 1875 in Kent, Großbritannien geboren und empfand schon als Kind eine besondere Leidenschaft für die Malerei. 1893 heiratete sie den Kronprinzen Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen und beide wurden 1922 zum Königspaar Großrumäniens gekrönt.

Neben ihrer königlichen Pflicht pflegte die Königin ihre Leidenschaft für das Reiten, Malen und Schreiben weiter. Ihr künstlerisches Werk kreist um keltische Motive und Kreuze, zoomorphe Figuren aus der nordischen Mythologie und Blumen, insbesondere weiße Lilien, rote Mohnblumen, und Schwertlilien, die sie mit einer besonderen chromatischen Feinfühligkeit mit Wasserfarben auf Papier oder dem Rand der Familienfotos im Sinne des Jugendstils malte oder als Dekorelemente für Möbelstücke, Schmuckkästchen und andere persönliche Gegenstände entwarf. Die Architekten Karel Liman und Jean Ernest passten ihre Entwürfe für bestimmte Möbel an, die in den Werkstätten der Kunst- und Handwerksschule Sinaia hergestellt oder von weltberühmten Porzellan-, Glas- und Schmuckherstellern umgesetzt wurden.

In der Ausstellung „Maria von Rumänien, Königin und Künstlerin“ in Partnerschaft mit dem Peleș-Museum, können neben ihren Werken und persönlichen Gegenständen auch ihr nach byzantinischer Inspiration, mit Goldfaden, Seidenstickerei, Edelsteinen und Hermelinfell reich gezierter Krönungsmantel bewundert und die Aufnahme der Krönungzeremonie in Karlsburg angeschaut werden.

Zu den Verdiensten von Königin Maria zählen nicht nur ihr Kunstnachlass aus den Sammlungen des Pelișor-Schlosses, des Peleș-Palastes in Sinaia und des Cotroceni-Palastes in Bukarest, ihre Wohltätigkeitsarbeit u. a. durch die Ermutigung und Pflege der verwundeten Soldaten im Ersten Weltkrieg, ihre Verhandlungen bei der Friedenskonferenz in Paris 1919-1920, welche die Vereinigung der historischen rumänischen Regionen unter dem Königreich Rumänien ermöglichte, sondern auch die Förderung der rumänischen Künstler durch die Sammlung ihrer Werke und durch ihre Schirmherrschaft über Künstlergemeinschaften wie etwa die Gesellschaft „Tinerimea artistică“ (deutsch: „Künstlerjugend“) und der Verein „Femei pictore și sculptore“ (deutsch: „Malerinnen und Bildhauerinnen“), mit denen sie als Ehrenvorsitzende selbst ausgestellt hat.

Erste Kunstprofessorin in Europa

Der Verein „Malerinnen und Bildhauerinnen“, Namensgeber einer der gegenwärtigen Ausstellungen, wurde 1916 in Bukarest von den Künstlerinnen Cecilia Cuțescu-Storck, Olga Greceanu und Nina Arbore gegründet und sollte den Weg der Anerkennung der weiblichen Persönlichkeiten der rumänischen Kunst eröffnen und ihnen das Ausstellen – allein oder in Gruppen – ermöglichen, beziehungsweise erleichtern.

Die einflussreiche weibliche Persönlichkeit der Zwischenkriegszeit und Vorkämpferin für Frauenrechte, Cecilia Cuțescu-Storck, machte ihre Ausbildung an der Damenakademie in München, der Académie Julian und der École des Beaux-Arts in Paris, wo sie bei den wichtigsten Kunstsalons ausstellte. 1906 kehrte sie zurück nach Rumänien und heiratete 1909 den Bildhauer Frederic Storck.

1916 eröffnete die Malerin den Weg für Frauen europaweit, die seit Langem eine Stelle als Hochschullehrkraft anstrebten, und bekam infolge eines schwierigen Wettbewerbs das Recht an der Akademie für Schöne Künste in Bukarest zu unterrichten. Außerdem hatte sie das Leitungsamt der Gewerkschaft der Schönen Künste inne. Für ihre Ausstellungen im In- und Ausland und reiche künstlerische Tätigkeit wurde Cecilia Cuțescu-Storck mit vielen Preisen und mehreren Verdienstorden ausgezeichnet, die in der aktuellen Ausstellung neben ihren Gemälden zu sehen sind.

Ihr Werk umfasst impressionistische Marinen aus dem Baltschik, Porträts und Akte in Öl, insbesondere von Tatarinnen und Roma-Frauen, mit Themenschwerpunkt auf Weiblichkeit und Mutterschaft sowie Innenansichten und Wandmalereien, alle mit Fokus auf dekorativen Elementen.

Meisterinnen der rumänischen Kunst

In einer Blütezeit kultureller Dynamik bildeten sich die Mitglieder des Vereins „Malerinnen und Bildhauerinnen“ durch den Kontakt mit der akademischen europäischen Kunst sowie mit moderner und avantgardistischer Kunst bei begabten und engagierten Professoren aus, bei denen sie ihre Meisterschaft erlangten und entwickelten.

Heute zieren zeitweilig ausdrucksvolle Landschaften, Marinen, Porträts, Stillleben, Akte und Skulpturen von Olga Greceanu („ein Brâncuși der rumänischen Malerei“, so Kunstkritiker Petru Comarnescu, 1927), Maria Ciurdea-Steurer, Elena Popea, Lucia Beller, Coca Romano, Irina Codreanu, Micaela Eleutheriade, Margareta Sterian, Ligia Macovei, Rodica Maniu (Mützner), Nina Arbore („eine leidenschaftliche Künstlerin, die technische Fantasien auf dem Hintergrund eines gut beherrschten Handwerks stickt“, laut D. Karnabatt, 1925), Milița Petrașcu („eine unserer wichtigsten Bildhauer“, so Sigmund Maur), Magdalena Rădulescu, Nadia Grossman-Bulighin, Lucia Demetriade Bălăcescu, Cecilia Cuțescu-Storck u. a. die Ausstellungsräume des Dacia-România-Palastes.

Die Meisterinnen der rumänischen Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind nun nicht nur durch ihre Werke vertreten, sondern daneben wird das Leben und die Kunstauffassung jeder einzelnen von ihnen kurz auf einer Textplatte vorgestellt. Weitere Texte erläutern die Ausstellungstätigkeit im Rahmen des Vereins.

Schönheit und Individualität

Eine Gegenwartskünstlerin, die sich diesmal durch ihre Fotografie behauptet hat, ist Sibylle Bergemann. Sie zählt zu  den führenden zeitgenössischen deutschen Fotografinnen. Geboren 1941 in Berlin, tauschte Bergemann 1966 ihre kaufmännische Karriere für die Fotografie, die sie bei Arno Fischer, ihrem späteren Ehemann, studierte. Ihre Bilder wurden im Modejournal „Sybille“ sowie in den Magazinen „Sonntag“, „Geo“, „Die Zeit“, „Der Spiegel“, „Stern“, „The New York Times Magazine“ usw. veröffentlicht.

Nach der Wende war sie Mitbegründerin der Fotografen-Agentur „Ostkreuz“. 1994 wurde Bergemann Mitglied der Akademie der Künste Berlin und begann sich an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu beteiligen. Bergemanns künstlerisches Werk führte sie quer durch die Welt über die Modefotografie zu Reportagen, fotografischen Essays, Stadt- und Landlandschaftsaufnahmen sowie Porträts.

Geprägt sind die bei „Art Safari“ ausgestellten Werke von ihrer Vielschichtigkeit, die Ausdruck der Einsicht und des Feingespürs sind, mit denen Bergemann ihre Umgebung zu erfassen vermochte.

In ihren Modekompositionen stellt Bergemann immer die komplette Frau dar, nie die Anziehpuppe. Die Fotografin besteht eher auf der Persönlichkeit und Individualität der Models als auf ihrer Pose und lässt einen gewissen Zweifel – an ihren eigenen Fähigkeiten, an eine bessere Zukunft? – in ihre Gesichtsausdrücke erkennen. Bergemanns Modefotos erweisen sich als echte Gesellschaftsbilder, die Schönheit, Botschaft und Strenge ins sich vereinen. Ebenso sind auch ihre farbenfrohen Bildreihen, die soziale Kontexte aus Senegal, Ghana, Jemen, Japan, den USA usw. schildern. Die Details ihrer Fotografien offenbaren auch Bergemanns kritische Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität in der DDR.

Neben den Bildern ist auch der Film „Take a Picture – The Photographer Sibylle Bergemann“ zu sehen.

Junges Blut 3.0

Noch weiter in die Gegenwartskunst schreitet die dritte Ausgabe der Ausstellung „Young Blood“, kuratiert von Călina Coman, welche die aktuelle weibliche Kunstszene in Rumänien vorstellt. Die mehr als 40 ausgewählten jungen Künstlerinnen setzen sich durch alle Mittel der Kunst mit Themen wie etwa Menschsein, Intimität, Sozialrollen, Erinnerung, generationsübergreifendes Trauma, Absurdität, utopische Welten, dystopische Diskurse, die Umwelt als heiliger Raum, der digitale Bereich, der Schnittpunkt zwischen Kunst und Technologie auseinander.

Weitere zwei von Kosmetikfirmen gesponserte Ausstellungen schildern die „Haargeschichten“ junger Künstlerinnen und begrüßen die natürliche Schönheit des weiblichen Körpers in allen seinen Formen und Farben – ohne Photoshop-Eingriffe oder Filter.

Überraschung für das Publikum

„Busen“, eine einmalige Ausstellung hierzulande befasst sich ebenfalls mit dem weiblichen Körper mit Fokus der weiblichen Brust. Eine Sammlung von Akten gibt einen diachronischen Überblick über die Darstellung und Umwandlung dieses Motivs in der rumänischen Kunst von den Altmeistern Nicolae Tonitza, Samuel Mützner, Iosif Iser, Camil Ressu, Ion Theodorescu-Sion, über Theodor Pallady, Corneliu Baba, Sabin Bălașa bis hin zu den Textilwerken der Museumsforscherin Raluca Ilaria Demetrescu, die bei „Art Safari“ vor zwei Jahren die Ausstellung der siebenbürgisch-sächsischen Textilkünstlerin Lilian Theil kuratiert hatte und nun ihr künstlerisches Debüt macht.

„Art Safari“ kann donnerstags bis sonntags von 12 bis 21 Uhr und bei nächtlichen Führungen bis zum 15. Dezember besucht werden. Tickets sind am Eingang und unter www.artsafari.ro/project/bilete verfügbar.