Im Künstlerhaus Edenkoben (bei Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz) fand im Rahmen des von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projektes „Literarische Kreuzwege“ eine Lesung sowie die Eröffnung einer Fotoausstellung unter dem Titel „Neue rumänische Prosa – 20 Jahre nach der Wende. Schriftliche und visuelle Spiegelung der Gegenwart“ statt. Corina Bernic, Kulturmanagerin der Baden-Württemberg Stiftung, hatte dafür die in Bukarest lebende Erzählerin und Literaturwissenschaftlerin Liliana Corobca (Republik Moldau), den Jassyer Lyriker und Romancier O. Nimigean sowie meine Wenigkeit (in meiner Eigenschaft als leidenschaftlicher Hobbyfotograf) eingeladen.
Leider wartete der pfälzische Freitagabend fix zum Zeitpunkt, da die Gäste aus dem schmucken Weinstraßenstädtchen sich auf den Weg zum Künstlerhaus machen sollten, mit einem unglaublichen Unwetter auf, bei dem man nicht wusste, was denn nun schlimmer war: der kübelweise niederprasselnde Regen oder der unerbittliche Wind, der jeden Regenschirm „aushebelte“!
Trotz allem waren nicht nur Angehörige des Künstlerhauses (allen voran dessen Leiter Hans Thill) und die momentanen Stipendiaten desselben (die AutorInnen Mila Haugova/Slowakei, Kerstin Preiwuss/Dresden, Markus Bundi/Schweiz) sowie Freunde der Angereisten anwesend, sondern es gab auch zahlende Gäste, deren Literatur- bzw. Kunstneugier auf ihre Rechnung kam – so wie es nicht zuletzt aus den nachträglichen Gesprächen bei einem Glas Wein hervorging.
Liliana Corobca las aus ihrem Roman „Un an în paradies“ (Polirom, 2005), der 2011 unter dem Titel „Ein Jahr im Paradies“ in der Übersetzung von Ernest Wichner bei Edition Schloss Solitude erschienen ist. Thema: Frauenhandel – eine als Tänzerin angeheuerte Bessarabierin landet als Zwangsprostituierte in einem westeuropäischen Puff. Für die Lektüre des ausgewählten Romanfragments sorgte der Schweizer Lyriker und Erzähler Markus Bundi.
O. Nimigean las aus seinem zweiten Roman „Rădăcina de bucsau” (Polirom, 2010 - Prosapreis der Zeitschrift „Observator cultural”, ex aequo mit Gabriela Adameşteanu). Das in Edenkoben vorgelesene Romanfragment aus Nimigeans „Buchsbaumwurzel” wurde von Julia Richter (Leipzig) übersetzt, von Markus Bundi und Kerstin Preiwuss – mit mir als Sprachen-Hermes – redigiert.
Nimigeans umfangreicher und vor allem vielschichtiger Roman gibt ein unverblümtes Bild der harten und nicht endenwollenden rumänischen Transitionszeit wieder, das sich aus Brüchen (der Ehe des Ich-Erzählers, verschiedener Freundschaften) und Ängsten zusammensetzt, wobei die Krankenhauserfahrung der gebrechlichen alten Mutter des Ich-Erzählers (wer Cristi Puius Film „Der Tod des Herrn Lăzărescu“ gesehen hat, weiß, was das heißen kann) den Haupterzählstrang abgibt.
Was die 12 von mir ausgestellten Fotos betrifft, man denkt, bildliche Kunst spricht für sich, doch konnte ich einmal mehr feststellen, dass meine „Jassyer Mi(se)rabilien” mindestens zum Teil und vor allem für Westeuropäer im Allgemeinen und Deutschlanddeutsche im Besonderen die eine oder andere aufklärende Erläuterung brauchten! So etwa der Fall eines Fotos, auf dem der Ausschnitt eines unfertigen Hauses zu sehen ist, dessen Fenster mit Plastikfolien sowie einem Plakat abgedichtet wurde. Auf dem Plakat: die Trikolore im Umriss Rumäniens, ein Kleinbus einer Personentransportfirma, dazu zu lesen: „Italia”...
Allerdings werde ich nun nicht darangehen, das Bild auch für die Leser dieses Textes zu erläutern, fest davon überzeugt, dass hierzulande sich im Grunde genommen jeder seins drauf reimen kann!