Mit seinem neuesten Buch „Die Bibelfälscher” legt der Heidelberger emeritierte Neutestamentler Klaus Berger eine harte Abrechnung mit der historisch-kritischen liberalen Theologie und ein leidenschaftliches Plädoyer für einen sorgfältigeren Umgang mit den biblischen Texten vor. Jeder, der sich mit den Inhalten des christlichen Glaubens auch theoretisch beschäftigt hat, wird darin Aufschluss finden für viele Ungereimtheiten zwischen Altar, Kanzel und dem Leben der Christen in der Welt, die seit der Aufklärung stetig zunehmen und die heute besonders viele Menschen von der Kirche fernhalten: „Wesentlich die liberale Exegese hat dazu beigetragen, dass Jesus von Nazareth zum blassesten aller Friedenstäubchen wurde, zum sandalentragenden Verkünder belangloser Sonntagsweisheiten, die es unmöglich machten, ihren Urheber ernst zu nehmen.”
Berger wirft den Bibelauslegern der letzten zweihundert Jahre historische Destruktion der neutestamentlichen Berichte vor, denn es gebe zwischen der Ankündigung der Geburt Jesu und seiner Himmelfahrt nichts, was die Exegeten als eindeutiges Faktum hätten stehen lassen: Alles wurde als nachösterliche Erfindung, als Fälschung, als Lüge entlarvt und dem modernen Menschen ist weisgemacht worden, im Neuen Testament stünden lauter fiktive Legenden zur Rechtfertigung kirchlicher Strukturen, die Jesus nie gewollt habe. Man sei bestrebt gewesen, dem Glauben, der nach reformatorischem Verständnis ohne Werke sein müsse, auch die Stütze durch historische Tatsachen zu entziehen, damit er sich als reiner und rechter Glaube erweise. Wo der geschichtliche Hintergrund aber fehlt, da bleibt nur die Phantasie; ein Glaube an nichts, ein Zeugnis von nichts.
Wie kann die Bibel entstaubt und mit neuer Lust gelesen werden? Die Bibel ist nicht zum Nulltarif zu haben, sie verlangt Zeit, bevor sie sich erschließt, Zeit für das Wesentliche. Sie verlangt einen Raum, in dem sie leben kann, sei es die Studierstube, der Mittagstisch oder eine Parkbank, aber vor allem der feierliche Gottesdienst und die Kanzel. Die Bibel handelt von Gott, und wer nach Gott fragt, muss so lange auf sein Wort hören oder vor ihm knien, bis er selber zu sprechen beginnt. In und unter den vielen Buchstaben der Schrift ist Gott selbst gegenwärtig; zuerst stoßen wir auf sein Wort und dann auf ihn. Man muss sich dem Text aussetzen, mitgebrachte Regelsysteme und eigene Maßstäbe können nicht helfen, denn sie wissen nichts von Gott, von Gnade und von Auferstehung. Die Bibel muss man lesen, muss geduldig, parallel zu ihrem Gewebe, ein eigenes Gewebe des Verstehens erstellen. Jugendliche können das auch, sie brauchen keine Bibel auf Kindergartenniveau: Jeder, der Erneuerung sucht, fragt nicht nach Erleichterung, sondern nach Substanz und Konsequenz.
Ein Buch, das nicht nur theologisch Gebildete und nicht nur Kirchgänger lesen sollten, denn die darin enthaltenen Gedankengänge sind erfrischend für jeden Geist und machen Mut zu einem neuen, von Altlasten befreiten Fragen nach Gott und seinen Absichten. Antwort darauf geben doch nur die kanonischen Texte der Heiligen Schrift, so wie sie jeder lesen kann, denn es gibt kein Wissen um die Wahrheit ohne diese Texte oder neben ihnen her, sondern nur durch sie.