Am 25. November ist in Leipzig eine Auswahl der Gedichte von Georg Hoprich herausgekommen. Am Erscheinungstag waren es noch just vier Wochen bis zum 73. Geburtstag des Dichters (29.12.1938 - 9.4.1969) aus Thalheim/Daia bei Hermannstadt/Sibiu. Nach der unauffällig scheinenden, allerdings fulminanten Gedichtsammlung von Stefan Sienerth (Kriterion Verlag Bukarest 1983, 169 S. 11 Lei) ist diese Auswahl nun die zweite Edition des hinterlassenen Werkes.
Sie stammt von Bertram Reinecke (Jg. 1974). Sein Name steht mit für den Verlag in Leipzig, dazu ebenso für nachhaltiges und sachte wachsendes Interesse an Thalheims Sohn. Der Hermannstädter Literaturkreis hatte ihm 2010 öffentlichkeitswirksam eine Sitzung gewidmet (ADZ berichtete am 24.4. 2010 und 5.5.2010). Als sich dann im Frühjahr 2011 die Vertreter der internationalen Ortschaften des Namens T(h)alheim bei ihrer Namensschwester in Siebenbürgen trafen, wurden sie mit „Blasmusik, rumänischer Folklore und Georg- Hoprich-Gedichten“ empfangen (ADZ 8.6.2011). Da meldete sich also kulturelle, literarische und menschliche Offenheit zu Worte.
Liebhaber und Spezialisten werden diesen frischen Band von 101 Seiten vergleichen wollen mit Sienerths klassischer normativer Leistung. Das sollen und müssen die Profis auch tun. Etwas anders liegen die Dinge für uns einfache Liebhaber der Literatur. Denn der studierte Germanist, Philosoph und Psychologe, der das Literaturinstitut an der alma mater Lipsiensis absolvierte, gibt uns ein ganz eigenes Gewächs aus dem Feld seiner Kultur-Sorge in die Hand.
Die vorbelastete Leserschaft wird gewiss Sienerths Auswahl vor Augen haben, aber auf wen und wie viele kann das real überhaupt zutreffen? Reinecke spricht in seinem Nachwort von der „seltenen Kriterion-Ausgabe“. Das heißt praktisch z. B.: Mein Exemplar erwarb ich antiquarisch nach – sagen wir es so – einiger Distanz finanztechnischer Art schließlich für etwa vierzig Euro. Jetzt bietet das lediglich scheinbar allwissende Internet überhaupt kein altes Exemplar mehr an ,und zumindest ein dominanter digitaler Buchhändler behauptet sogar mit Blick auf die neue Edition: z. Z. nicht lieferbar.
Reinecke meint, Sienerths Band von 1983 sei die Melancholie anzuspüren gewesen, dass er aus verständlichen Gründen zu spät kommen musste, „um in die aktuellen Debatten eingreifen zu können“ (S. 89). 2011 haben sich seiner Meinung nach die Rezeptionshindernisse (wie er ästhetische Schwierigkeiten heutiger Leserschaft nennt) sogar verstärkt. Wir-Gedichte und verbindliche Weltdeutung etwa kämen aus einer anderen Zeit.
Eine emotionale Reduktion der Texte auf „ein Dokument der poststalinistischen Zwangsverhältnisse“ wäre ebenfalls nicht angemessen. Kann alles stimmen und wird gewiss doch zuerst noch einmal diskutiert werden. Aber gerade deswegen ist diese aktuelle Möglichkeit zu unvoreingenommener Lektüre für eine neue Generation ermutigend und erhellend. Diese neue Generation kann sich von Reineckes höchst professionellem Nachwort und den Verweisen auf Textvarianten im Vergleich zum Buch von 1983 und durch sein Studium auch der handschriftlichen Quellen informieren lassen, mit Entdeckerfreude selbst Streichungen von Hoprichs Hand in beigefügten Faksimiles wahrnehmen, bewegen wird sie die Stimme eines jungen Siebenbürger Sachsen aus Thalheim, die Zuwendung und Liebe, Anerkennung und Gerechtigkeit in eigener Tonlage anspricht und zuspricht.
Hoprich kann uns ebenso an eine vergessene Wahrheit erinnern: Ohne Verklärung, auch wir landlosen Städter kommen alle vom Dorf, und dort ist auch Welt. Da sinken einige Rezeptionshindernisse hin. Eines beseitigt der Herausgeber sogar gleich selbst, indem er für zwei Mundartgedichte hochdeutsche Übertragungen von Klaus F. Schneider beibringt.
Bertram Reinecke sei Dank! Eine künftige Gesamtausgabe des überschaubaren Werkes von Hoprich bleibt ein Wunsch, der gerade angesichts dieses Dankes ausgesprochen werden soll, weil mit der neuen Edition ein vielleicht entscheidender Impuls vorliegt für die gegenwärtige und künftige Wirkung des Thalheimers.
Eines nahen Tages wird auch die polyglotte Beschließerin von Kirche und Friedhof in Thalheim ein Exemplar von „Bäuchlings legt sich der Himmel“ in der Hand haben, und die Worte von Hoprich könnten gehört werden: „wenn alles sich abwärts durchwandert/bis zur Einfachheit des Staubes“ (S. 53). Denn: „Der Besen der Zeit fegt die Binsenwahrheiten rein“ (S. 77).
Das erwähnte internationale Thalheim-Treffen scheint weiter zu wirken. Im näheren Umkreis von Thalheim hat die Lokale Aktionsgruppe der Region Harbachtal (GAL) einen Wettbewerb ausgeschrieben: Wer gehört zu den 10 bedeutendsten Persönlichkeiten des Harbachtals? Georg Hoprich ist einer der Kandidaten für dieses Decemvirat.
Georg Hoprich: „Bäuchlings legt sich der Himmel“.
Gedichte, Verlag Reinecke & Voß Leipzig
2011, 101 S., 10 Euro, .ISBN 978-3-942901-00-0