Hirschknöpfe, Stehkragen und Lodenröcke waren im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) tonangebend. Zwar wurde am Mittwoch, dem 21. Februar, zur Zeit der Abenddämmerung weder ins Horn gestoßen noch mit der Flinte geschossen, aber immerhin die Jagd auf das 2017 im Honterus-Verlag erschienene Buch „Gurghiu/Görgény-Szent-Imre. Domeniul regal de vânătoare în trecut şi astăzi“ von August Roland von Spiess (1864-1953) eröffnet. Der Geschäftsführer des Honterus-Verlags, Helmut Mathes, verkaufte die begehrten Exemplare der Monografie des vormals Königlichen Jagdgeheges höchstpersönlich und zum Vorzugspreis an die wissbegierigen Besucher der Buchvorstellung.
Der im Juli 1921 zum Direktor der Königlichen Jagd ernannte Naturkenner, Jäger und Offizier trug vor seiner Adligsprechung den Namen August Roland von Braccioforte zu Portner und Höflein und erblickte das Licht der Welt im vormals galizischen, heute polnischen Przemysl. Die Habsburger Monarchie verschwand von der geopolitischen Landkarte Europas, doch August Roland von Spiess hielt an Etikette fest und war 17 Jahre lang in- und außerhalb des Landes erste Ansprechperson in Sachen Wildbestand und Jagd auf rumänischem Territorium. Um ganze 26 Jahre überlebte er seinen Arbeitgeber König Ferdinand I. von Rumänien und war zeitlebens nicht nur als Jäger auf dem Terrain unterwegs, sondern auch als Autor einiger Fachbücher tätig, die nicht zu kennen für einen jeden Jäger, Förster und Jagdliebhaber aus Rumänien immer noch als unverzeihlich gilt.
Helga Stein (Hildesheim, Deutschland), Herausgeberin der Publikation und Enkelin des Jägers August Roland von Spiess, war bei der Buchvorstellung anwesend. Obwohl man ihrem Akzent den Wohnort außerhalb Rumäniens deutlich anmerkte, hielt sie eine Rede in flüssigstem Rumänisch. Sie versicherte, dass die deutschsprachige Ausgabe des von ihrem Großvater verfassten Buches 2019 in Deutschland veröffentlicht wird. In Zusammenarbeit mit Forstingenieur und Mitherausgeber Radu Mija habe sie unzählige Male korrigierend in die rumänische Übersetzung eingreifen müssen und ernüchtert festgestellt, dass die Jagddomäne mitsamt einschlägiger Fachterminologie im rumänischen Allgemeinbewusstsein allerhöchstens eine Nische einnimmt. Sanda Ignat und Adela Motoc hätten ganze Arbeit geleistet, die aus dem Deutschen oftmals falsch ins Rumänische übersetzten Fachbegriffe könne man ihnen nicht unter die Nase reiben. Eine Kompetenz Eingeweihter ist und bleibt die Jägersprache.
Jäger und Trophäen sind in dem Buch nicht nur auf unzähligen Schwarz-Weiß-Fotos aus der Zwischenkriegszeit, sondern auch in etlichen Aquarellen des Malers Venceslav Melka (1834-1911) porträtiert, der Nechita Bloşu gut gekannt haben muss. Das bärbeißige Konterfei des breitschultrigen Bauern ziert den Umschlagdeckel und zeigt einen stämmigen, älteren Eingeborenen in Volkstracht aus dem Gurghiu-Gebirge, der mit gezückter Feldflasche und tiefernstem Blick auf dem erlegten Meister Petz Platz nimmt. Nechita Bloşu war dem Thronfolger Prinz Rudolf von Habsburg (1857-1889) treu ergeben und geleitete seinen Herrn auf sicherem Schritt durch die Wälder des Karpatenbogens, wann immer dieser Siebenbürgen besuchte. Prinz Rudolf von Habsburg seiner-seits sorgte dafür, dass Nechita Bloşu mit allen fürstlichen Ehren beerdigt wird.
Ein ebenso edles Verhältnis verband August Roland von Spiess und König Ferdinand I. von Rumänien. August Roland von Spiess schrieb alles Wichtige über die rumänischen Jagdgründe und im besonderen über das Königliche Jagdgehege nieder, doch hinterließ sein Tod 1953 eine biografische Lücke, welche Jahrzehnte später von Forstingenieur Radu Mija nachträglich gefüllt werden konnte. In einem separaten Kapitel des Buches skizziert Mija die Geschichte des Gurghiu-Gebirges und ehemals Königlichen Jagdgeheges von 1938 bis in die Gegenwart. Mit seiner polternden Sprechstimme erteilte er der aktuellen Forstverwaltung Rumäniens einen Rüffel, stehe doch für die Herren Politiker aus der Hauptstadt im besten Fall rücksichtsloses Vergnügen im Vordergrund, während nach dem Erhalt des Gleichgewichtes der Karpatenfauna kein Hahn mehr zu krähen bereit sei. Laut Alexandru Bârsan, dem glücklichen Besitzer des originalen Aquarells „Nechita Bloşu - Vânătorul de urşi“ von Venceslav Melka, bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Leser durch ihre Lektüre zu weiter Verbreitung des neuen Buches beitragen.
Dass von oben herab nicht die nötigen Schritte unternommen werden und der Spielraum stattdessen in die Hände letaler Anarchie zu geraten droht, spürt man in Rumänien auch auf Ebene der Umwelt und Natur. Treffend die Anspielung des Moderators Benjamin Józsa, Geschäftsführer des DFDR, dass man zur Büffeljagd gar nicht mehr in die wilde Natur zu fliehen brauche. Direkt vor der Haustüre seien mehr als genug närrische Beutetiere auf der Straße unterwegs. Der gestandene Lokalpolitiker Dr. Hans Klein brachte denselben Gedanken in eine stilvollere Form und erinnerte nostalgisch an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als die Regierung Rumäniens ausschließlich „echte Menschen“ mit hohen Führungspositionen betraute.
Um eine Person auf Integrität zu testen, verleihe man ihr Entscheidungsgewalt, besagt ein rumänisches Sprichwort. Die Vorstellung des im Honterus-Verlag erschienenen Buches „Gurghiu/Görgény Szent-Imre. Domeniul regal de vânătoare în trecut şi astăzi“ von August Roland von Spiess (ISBN 978-606-8573-96-0) im Spiegelsaal des DFDH offenbarte die beispielhafte zivile Haltung etlicher Jäger, Förster und Naturfreunde Rumäniens, die dem Krankheitserreger namens Missbrauch den Zugang in die eigene Riege versperren wollen.