Die Stafette ist 20 geworden. Zwei Tage lang wurden im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus der Literaturkreis und die deutschsprachige Literatur in Rumänien gewürdigt. Noch halten sie sich wacker, fanden Vertreter. Jedoch müssten auch Neuerungen stattfinden, um auch die nächsten 20 Jahre zu bestehen.
Namhafte Größen der rumäniendeutschen Literatur nahmen an der Jubiläumsveranstaltung des deutschsprachigen Literaturkreises „Stafette“ teil. Aus Siebenbürgen reisten die Autoren Joachim Wittstock und Eginald Schlattner an, aus Deutschland das ehemalige Mitglied des Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreises Horst Samson sowie die Dichterin Ilse Hehn, die in der gleichnamigen Nachfolgegruppe mitgewirkt hatte. Auch der Präsident des internationalen Exil-P.E.N. Clubs, Prof. Dr. Wolfgang Schlott, besuchte die Begastadt, um an den Festlichkeiten teilzunehmen. An bedeutenden Literaten hat es nicht gefehlt.
Dagegen war das Publikum spärlich und die Zahl der jugendlichen Teilnehmer fast inexistent. Dabei fand die zweitägige Literaturveranstaltung der Stafette unter dem Motto „Junge rumäniendeutsche Literatur“ statt. Zwar beteiligten sich ganze Klassen von der Nikolaus-Lenau-Schule abwechselnd an manchen Programmpunkten, dafür wurde ihnen allerdings eine gute Note in den Fächern Deutsch und Physik versprochen. Worum es eigentlich bei der Veranstaltung ging, davon wussten die meisten Schüler nur bedingt etwas.
Der angestrebte Austausch zwischen den erfahrenen rumäniendeutschen Autoren und der Jugend blieb fast gänzlich aus. Allein die jungen Schreibenden der Stafette durften von der Begegnung mit Schlattner, Wittstock, Hehn und Samson profitieren. Diese waren besonders von den beiden Mädchen Karina Körösi (17) und Laura Purtätor (16) begeistert.
„Also, hätte ich damals wie sie schreiben können, ich wäre wirklich stolz auf mich gewesen“, lobte Horst Samson die Mädchen. Auch Joachim Wittstock verwies in seinem Vortrag zum Thema „Rumäniendeutsche Literatur seit der Wende“ auf Karina Körösis Kurzgeschichte „Das Buch“. Ihr Text könnte genauso gut von dem Übergang der rumäniendeutschen Literatur zu einer deutschsprachigen Literatur in Rumänien handeln.
Viele der Autoren sind sich einig, dass die letzten 20 Jahre eine Zeit der Transformation waren. „Die Stafette, die überhaupt von denen, die weggezogen sind, hingeworfen wurde, haben andere aufgehoben“, findet der Autor Eginald Schlattner. Die Texte der Jugendlichen sind längst nicht mehr repräsentativ für die Banater Schwaben. Selbst die Älteren unter den Jüngeren, die Geschwister Brădiceanu-Persem, Bianca Barbu und Lucian Vărşăndan reißen allgemeingültige Themen in ihrer Prosa oder Dichtung an, die nur selten ortsgebunden sind. Das fehlte Prof. Dr. Wolfgang Schlott in den Texten der jungen Stafette-Mitglieder. Zwar nicht unbedingt minderheitenbezogene Literatur, dafür aber mit Verweis auf die gegenwärtige Situation des Landes und der Region.
Der aus Kronstadt/Braşov stammende und in Köln lebende Schriftsteller Ingmar Brantsch musste aus gesundheitlichen Gründen seine Teilnahme an der Festveranstaltung kurzfristig absagen. Seine Eröffnungsrede las die Dichterin Ilse Hehn vor. „Nur wer die Jugend hat, hat die Zukunft“, wurde Brantsch zitiert.
Diese für deutschsprachige Literatur zu gewinnen, wird in den nächsten 20 Jahren die Herausforderung sein. Um Literatur für die Jugendlichen schmackhafter zu machen, müsse man multimedial denken, so Schlott. In Bremen sucht man seit einigen Jahren Mittel und Wege, Literatur mit anderen Medien zu verbinden. Für die Stafette noch unerforschtes Neuland, das allerdings nicht ignoriert werden darf. In Deutschland hat sich schon längst Twitter- und Online-Literatur durchgesetzt. Ilse Hehn schwärmte von Poetry Slams, für die es allerdings zum gegebenen Zeitpunkt nicht genügend Dichter gebe. Die überschaubare Zahl der jugendlichen Schreiber erklärt sich auch durch die Sprache. Es gibt immer weniger Muttersprachler und immer häufiger wird das Deutsch als Ausdruckssprache von anderen Sprachen verdrängt.
Schließlich fehlt eine deutschsprachige Literaturkritik. Die meisten rumäniendeutschen Autoren von Wittstock bis Samson finden es bedauerlich, dass die jungen Schreiber keiner konstruktiven Kritik ausgesetzt sind. Auch Schlott vertrat die Ansicht, dass manche der vorgelesenen Texte ausbaufähig wären.
Der Literaturwissenschaftler und Publizist Walter Engel, der in einem Vortrag das jüngste Buch des Schriftstellers Balthasar Waitz vorstellte, vermisst deutschsprachige Literaturkritik im Banat. Die jungen Schreiber hätten durchaus, an wen sie sich wenden können. Erfahrene Schriftsteller wie Waitz könnten über die Texte drüberschauen und mit Anmerkungen kommen, findet Engel.
Der Stafette-Literaturkreis wurde 1992 von Dr. Annemarie Podlipny-Hehn gegründet. Es sollte eine Weiterführung des Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreises (AMG) sein. Aus dem AMG-Literaturkreis gingen die Nobelpreisträgerin Herta Müller und der Dichter und Journalist Horst Samson hervor. Zu den Mitgliedern der Stafette zählen neben Jugendlichen auch 30 bis 40-jährige sowie eine ältere Generation, bestehend aus über 60-jährigen. Das älteste Mitglied ist der Vorsitzende des Vereins der Russlanddeportierten, Ignaz Bernhardt Fischer (87). „Ideale sind wie Sterne“, meinte Fischer in seiner Eröffnungsrede. „Man kann sie nicht erreichen, aber man orientiert sich an ihnen.“ Ein treffender Leitsatz für die Stafette, schlussfolgerte eine Zuschauerin.