In der vergangenen Woche fand in Bukarest ein internationaler Wettbewerb für junge Gesangstalente statt, der in diesem Jahr zum allerersten Mal von der Nationaloper Bukarest organisiert wurde. Über hundert Kandidatinnen und Kandidaten im Alter von 19 bis 33 Jahren aus mehr als zwei Dutzend Ländern hatten sich zu diesem Talentwettbewerb angemeldet. Sechsundvierzig von ihnen wurden dann zur Endausscheidung eingeladen, die vom 13. bis 15. Juni in drei Etappen, von der Haupt- bis zur Finalrunde, im Bukarester Opernhaus veranstaltet wurde. In der feierlichen Galasoiree vom 16. Juni wurden dann die Preisträgerinnen und Preisträger des Wettbewerbs im vollbesetzten Saal der Nationaloper geehrt, nicht ohne sich beim Publikum mit Kostproben ihres beeindruckenden Könnens zu bedanken und sich zugleich für nationale und internationale Gesangskarrieren auf den Opernbühnen Rumäniens und der Welt zu empfehlen.
Die festliche Operngala verdankte ihr hervorragendes Gelingen nicht nur den grandiosen Stimmen und den mitreißenden Persönlichkeiten der prämierten Wettbewerbsteilnehmer, sondern zu einem nicht geringen Teil auch denjenigen, die dieses Opernereignis geplant, vorbereitet, begleitet und mitgetragen haben: der internationalen Jury, bestehend aus Opernmanagern, Casting-Direktoren, Musiktheateragenten sowie dem an der Metropolitan Opera in New York wirkenden Tenor Marcello Giordani; dem Direktor der Nationaloper Bukarest Răzvan Ioan Dincă sowie seinem künstlerischen Berater und Manager dieses anspruchsvollen Grand Prix-Projekts Mihai Cosma; den beiden Projektpartnern Rumänischer Kulturrundfunk und Botschaft Italiens in Bukarest; dem Bukarester Opernorchester unter Leitung von Iurie Florea; und nicht zuletzt den gewandten Dolmetschern, der perfekten Bühnentechnik, dem gelungenen Lichtdesign (Daniel Klinger) und dem professionellen Videodesign (Eugen Oprina).
Besonders beeindruckend war das Regiekonzept der Operngala, für das Ofelia Stanciu verantwortlich zeichnete. Es sorgte zunächst einmal für eine kompakte, zweieinhalb Stunden dauernde Veranstaltung, die nicht, wie das bei vergleichbaren Ereignissen immer wieder zu beobachten ist, zeitlich ausuferte, durch Wiederholungen langweilte oder in Selbstbeweihräucherungen schwelgte. Die klare Form und durchdachte Struktur ließ alle Preisträger durch auf Video aufgezeichnete und in verschiedenen Sprachen untertitelte Interviews zu Wort kommen, sodass das leibhaftige Erscheinen der Prämierten auf der Bühne in Gänze ihrem künstlerischen Können gewidmet war, abgesehen von der raschen persönlichen Entgegennahme der Urkunden und Blumen und einem kurzen ins Mikrofon gehauchten „Thank you“, „Spasiba“ oder „Mul]umesc“. Informationen über die Preisträger wurden im Stil des Eurovison Song Contest per Video eingespielt, danach teilte sich jeweils die Videowand in der Mitte und hervor trat die Preisträgerin in Galarobe oder Designerkleid oder der Preisträger in Frack oder Smoking.
Das Schematische des Ablaufs der Operngala wurde immer wieder durch schöne Regieideen unterbrochen. Bereits der Beginn der Veranstaltung wartete mit einer Überraschung auf: Die Preisträger saßen unerkannt im Publikum, erhoben sich dann, einer nach dem anderen, im Scheinwerferkegel von ihren Plätzen in Loge und Parkett, um sogleich mit virtuosen Vokalisen zu brillieren. Im Laufe des Abends traten dann immer wieder vier Trompeter in Galauniform auf, die zur Einleitung besonderer Programmpunkte strahlende Fanfaren intonierten. Der Tenor Marcello Giordani, der als Jurymitglied außerdem mehrere Sonderpreise (Teilnahme an seinen Meisterklassen) stiftete, riss das Publikum mit der Arie „Vesti la giubba“ aus Ruggero Leoncavallos Oper „Pagliacci“ (Der Bajazzo) zu Begeisterungsstürmen hin. Und am Ende traten alle Preisträger in einem gewaltigen Chorfinale an die Rampe der Opernbühne.
Schön wäre es gewesen, wenn die Solostücke der einzelnen Sänger noch jeweils vorher angekündigt worden wären und, falls das nicht zuviel verlangt ist, auch übertitelt gewesen wären, um dem Publikum Gelegenheit zu geben, den dramatischen Emotionen der Ausführenden bei der Darbietung ihrer Arien noch besser zu folgen. Störend wirkte allein die wenngleich minimale zeitliche Differenz zwischen realem Bühnengeschehen und der (leider eben nicht perfekt) synchronen Live-Wiedergabe auf der monumentalen Videowand: Wenn optische und akustische Wahrnehmung nicht zusammenstimmen, führt das unweigerlich zu Irritationen, gerade beim Genuss der musikdramatischen Dimension von Opern.
Eine Fülle von Preisen, Spezialpreisen und Zusatzpreisen wurden im Rahmen der Abschlussgala des „Le Grand Prix de l’Opéra“ der Nationaloper Bukarest verliehen. Ohne alle en détail nennen zu können, seien hier wahlweise nur folgende genannt: die Sopranistin Irina Baian² aus Rumänien erhielt den Preis des Rumänischen Kulturrundfunks; die Mezzosopranistin Polina Garaeva aus Russland erhielt, ebenso wie die in Spanien ansässige rumänische Sopranistin Irina-Maria Ionescu, die Zusage, im Rahmen eines von der Nationaloper Bukarest veranstalteten Galakonzerts auftreten zu dürfen; dem südafrikanischen Tenor Sunnyboy Dladla, der momentan an der Zürcher Hochschule der Künste studiert, wurde eine Hauptrolle in einer Bukarester Opernproduktion der kommenden Spielzeit zugesagt.
Der aus der Maramuresch stammende Bariton Daniel Pop erhielt den Spezialpreis der Jury für Wettbewerbsteilnehmer unter 24 Jahren und bedankte sich dafür mit der Arie des Figaro aus Rossinis Oper „Il Barbiere di Siviglia“. Einen weiteren Spezialpreis der Jury erhielt die aus der Republik Moldau stammende Sopranistin Natalia Tanasiiciuc. Dem 23 Jahre alten rumänischen Tenor Augustin Hotea wurde vom italienischen Botschafter in Bukarest für seine bravouröse Interpretation einer Verdi-Arie im Verdi-Jahr der Preis der Italienischen Botschaft in Bukarest verliehen. Der rumänischen Sopranistin Iulia Surdu wurde der Spezialpreis „Marcello Giordani“ vom Stifter und Namenspatron höchstpersönlich überreicht.
Ganz am Ende der Operngala wurden die Hauptpreise des Bukarester internationalen Gesangswettbewerbs verliehen, allesamt an virtuose Sopranistinnen: Den dritten Preis im Wert von 1500 Euro erhielt die Rumänin Veronica Anu{ca, den zweiten Preis im Wert von 3000 Euro die Rumänin Alexandra T²rniceru und der erste Preis im Wert von 6000 Euro wurde der aus Litauen stammenden und in Estland wohnhaften Sängerin Katerina Tretiakova zugesprochen, der damit zugleich ein Engagement am St. Petersburger Mihailovsky-Theater zugesichert wurde.
Dem Bukarester Publikum bleibt die Hoffnung, den einen oder den anderen Preisträger bald einmal wieder auf der Bukarester Opernbühne zu hören, sowie die Vorfreude auf die nächste und zweite Folge des internationalen Gesangswettbewerbs „Le Grand Prix de l’Opéra“ der Nationaloper Bukarest.