Das Ende der Spielzeit leitete in Temeswar eine etwas andersartige Veranstaltung ein, wie übrigens auch in den vergangenen Jahren. Wieder gab es eine Konzertaufführung an einem ungewöhnlichen Ort, diesmal in der Elisabethstadt, beim neuen Kreisverkehr am Bălcescu-/Lahovary-Platz. Eine große Zahl Musikliebhaber war hier zusammengekommen. Peter Oschanitzky dirigierte Chor und Orchester der Philharmonie „Banatul“, zudem mehrere Solisten. Zu Gehör gebracht wurde sowohl Unterhaltungsmusik, als auch sehr beliebte klassische Melodien, verwoben mit visuellen Überraschungen, was bei einem Teil des Publikums sehr gut ankam. Ich bedauere aber, dass solcherart Veranstaltungen nicht auch im Rosenpark anberaumt werden, der dafür speziell eingerichtet wurde. Dort müsste man nicht auf übertrieben viel Play-back zurückgreifen, man hätte viel größeren Genusskomfort – und auch der Verkehr in einer sowieso zum Chaos neigenden Stadt müsste nicht unterbrochen werden. Was mich aber am meisten wundert: Findet sich in Temeswar wirklich keine aufgelassene Werkhalle – die noch nicht von Immobilienhaien aufgekauft ist –, die man zum vielgewünschten unkonventionellen Auftrittsort gestalten kann?
Mit legererer Musik, fußend auf Tanz- und Filmmusik, trat das Bläserensemble der Philharmonie vors Publikum – das scheinbar immer dann zusammenkommt, wenn der Trompeter Franz Tröster in Temeswar weilt, ein Spezialist für Blasmusik. Das dargebotene Programm ähnelte stark dem vom vergangenen Jahr: Händel, Bach, Mozart, Mendelssohn waren zu hören, auch Chatschaturjan,
Arrangements für dieses Ensemble nach Klaus Badelt („Die Piraten der Karibik“) oder Chuck Mangione („Children of Sanchez“). Es fehlte auch nicht ein Stück, das einheimisch klang, Ionel Dumitrus „Rumänischer Tanz Nr. 2“ in einem Arrangement des in Deutschland lebenden Enrique Crespo. Der himmlische Klang dieses Ensembles, das einen in Richtung Orgelklang entführt, mit glänzenden Soloeinlagen von Franz Tröster, Corneliu Meici, Florin Mangan, Felix Burghelea, Bogdan Dijmărescu und Cristian Mihale brachten ihm einen durchschlagenden Erfolg. Vielleicht dürfen wir uns von ihm künftig auch ein Zurückgreifen auf die Renaissancemusik erhoffen, die für Bläserensem-bles oft Meilensteine setzt.
Ein hohes Maß der Erwartungen erfüllten auch die beiden Solisten der Philharmonie, Dragoş Mihăilescu (Klavier) und Gabriel Popa (Violine), die ihren Zyklus der Beethoven-Sonaten für Klavier und Violine konsequent fortsetzen. Diesmal mit Opus 12 (Nr. 2 und 3), mit ihrer schwermütigen Atmosphäre, aber auch mit der Frühlingssonate (Opus 24, Nr. 5) mit ihrem unübertroffenen Scherzo, einem Unikat seiner Art im Klassizismus. Natürlich mussten sie diesen Teil aufgrund des Beifalls wiederholen. Sicher: es blieben noch Passagen übrig, die eines zusätzlichen letzten Schliffs und der perfektesten Synchronisierung bedürfen, aber wir haben es trotzdem mit einem Modell zu tun, dem Nachahmer zu wünschen sind.
Kaum war die Beethoven’sche Musik im Capitol-Saal verklungen, als aus Richtung des Botanischen Gartens der unvergleichliche Walzerkönig Johann Strauß winkte. In einem Pavillon hatte hier das Incanto-Quartett der Staatsoper Temeswar in der Moderation des Tenors Christian Rudic mit Charme und Humor zur Konzertnacht geladen. Und fast nahtlos ging dieser Konzertauftritt zu einem weiteren Wiener Abend über, diesmal im Regina-Maria-Park, wo Svetoslav Borisoff ein großes Orchester und Solisten gewonnen hatte für ein Wien-Konzert, das auch choreografische Momente einschloss. Die baldigen Sommernachtskonzerte kündigen sich an.
Fürs Publikum als enorm attraktiv erwies sich die Initiative von Dominic Samuel Fritz mit seinem Verein „Timişoara Gospel Project“. D. S. Fritz brachte wieder 100 Hobbysänger zusammen, die sich mit Leib und Seele für das einsetzten, was sie mit ihren Dirigenten tun: SINGEN. Diesmal, zum zehnjährigen Jubiläum, traten sie gemeinsam mit der Philharmonie auf, in Gospelarrangements des Dirigenten und des Temeswarers Gabriel Ambruş. Das Schlusskonzert der Spielzeit erfreute sich der Teilnahme des ungarischen Cellisten László Fenyö, der nicht zum ersten Mal in Temeswar auftrat. Zoltán Kodály und Richard Strauss standen im Programm, die anspruchsvolle Klavierbegleitung besorgte mit Raffinement und Anpassungsfähigkeit Roxana Ardeleanu. Mit der sangbaren, rhapsodischen Musik von Adagio und Sonate Op. 4, aber auch der Choral-Transkriptionen nach Bach ermöglichte Kodály viel Expressivität und Freiheit der Interpretation der beiden Solisten, aber die außergewöhnliche Sonate in f-Moll fand in den beiden wirklich eine Interpretation voller Verve und Geschmeidigkeit.
Auch im letzten Stück des Konzertabends vom vergangenen Freitag spielte László Fenyö die Hauptrolle, zumal ihm das Konzert von Antonin Dvorák volle Entfaltungsmöglichkeit bot. Seine Zugabe, eine Studie von David Popper, war ein wahres Virtuosenstück, das der Cellist souverän meisterte. Die Orchesterbegleitung – Dirigent war der Südkoreaner Inhyeok Jeong – lag allerdings nicht auf derselben Höhe, und sei es wegen fehlender Synchronisierung. Denn die Krönung der Konzertsaison, die Krönungsmesse von W. A. Mozart, war nur für den Chor (regens chorii: Iosif Todea) eine wahre Krönung. Das Orchester, die Solisten und Solistinnen – vor allem die weiblichen Stimmen – blieben hinter den Erwartungen zurück. Ebenso die Dosierung der Sonoritäten durch den Dirigenten. Ein Schatten lag über den Schlussakkorden.