Als ich klein war, hatte ich auch so ein Maschinchen: Das Reservoir wurde mit Wasser gefüllt, in der Heizkammer eine Brennstofftablette angezündet und mit etwas Glück und Geduld zischte kurz darauf watteweißer Dampf aus dem kleinen Schlot. Das Antriebsrädchen begann sich zu drehen. Beeindruckend! Trotz des Wermutstropfens, dass es stets mein Vater war, der die hochglanzpolierte, kupferfarbene Miniaturdampfmaschine aus edlem Metallblech bediente... Ich durfte mein Spielzeug gar nicht erst anfassen.
Eigentlich war es eher ein Schmuckstück. Wie auch die vielen Eisenbahnlandschaften, die Väter für ihre Söhne kaufen, um dann stundenlang selbst damit zu spielen. In diese Zeit fühlt man sich beim Betreten der Sonderausstellung „Bing. Die Magie des Spielzeugs“, eröffnet am 6. Dezember im Bukarester Nationalen Geschichtsmuseum, zurückversetzt. Tatsächlich begann auch die Geschichte dieser Ausstellung mit einer kleinen Dampfmaschine...
Victor Ioan Tărtăcuţă, Präsident der Vereinigung der Sammler alten Spielzeugs, erinnert sich an sein erstes Exemplar im Jahre 1976. Als er 17 Jahre später in Bukarest ein weiteres Maschinchen entdeckte, begann er, sich für die Herkunft zu interessieren. Seine Recherchen führten nach Nürnberg zu den Gebrüdern Bing, die 1906 sogar in Bukarest auf einer Ausstellung die Goldmedaille gewannen. Für Tărtăcuţă der Beginn einer großen Leidenschaft, die in der bis zum 6. Februar dauernden Ausstellung ihren Höhepunkt fand.
1880 hatten Ignaz und Adolf Bing ihre seit 1863 bestehende Haushaltswarenfertigung um eine neue Produktreihe erweitert: Spielzeug. Das Geschäft mit den charmanten technischen Miniaturen aus Blech und Holz entpuppte sich als Renner. Der Stil der edlen Spielzeuge avancierte bald zum allgemeinen Standard in der Branche, bis 1950 die Erfindung des Plastiks eine Wende brachte. Heute sind die Sammlerstücke ein kleines Vermögen wert. Manche davon sind Unikate, wie etwa das Riesenrad in der Vergnügungsparklandschaft aus vorsintflutlichen Achterbahnen und Karussels. Kindernasen drücken sich an den Scheiben platt.
Faszinierend vor allem, dass die meisten Objekte tatsächlich noch funktionieren. Fast jedes hat eine Kurbel, einen Aufziehschlüssel oder eben eine kleine Dampfmaschine, die ihrerseits einen komplexen Mechanismus in Gang setzt.
So lernte der Knirps von Anno dazumal über die Funktionsweise ganzer Industriezweige: Bierfabrik, Kaffeerösterei, Zementwerk, Bergbau. Allerliebst mutet der Springbrunnen an, der mithilfe eines winzigen Schwungrades eine Wasserfontäne erzeugt. Oder der Bahnhof mit Tickethäuschen, Kofferwaage und einem Viehtransport, aus dem sich rosa Schweinchen vorwitzig herauslehnen. Eine vorsintflutliche Landmaschine, mit Miniatur-Heuballen beladen! Autos, Traktoren, Feuerwehr.
Die Bügelfrau aus flachem Blech, mit Nagel am Armgelenk zum Hin- und Herschwenken des Plätteisens. Ganze Handwerkerbetriebe konnte man mit einem Hebel in Bewegung versetzten: Dachdecker, Schmied, Schuster. Dann wieder Schiffe, Panzer, Kanonen – sogar mit Minigeschoss im Rohr und Gummiband-Katapult. Oder Flugzeuge, je zwei am Ende einer Stange, die um eine Achse über einer Landkarte durch die Luft kreiseln.
Ob auch rumänische Kinder mit dem teuren deutschen Spielzeug spielten? Natürlich, bestätigt Victor Tărtăcuţă und erwähnt einen Zug aus Baia Mare, der dort seit 80 Jahren im Besitz einer wohlhabenden Familie war. Ob auch Bauernkinder damit spielten, ist jedoch anzuzweifeln. Immerhin kosteten einige der heute Tausende Euro werten Sammlerstücke schon damals so viel wie ein Pferd. 5000 Angestellte hatten die Bing Werke zuletzt, bis der Betrieb nach einer Börsenspekulation in die Pleite ging, erzählt der Sammler.
Doch ihre Produkte leben weiter. Auf Auktionen in der ganzen Welt, vor allem in Deutschland und den USA, werden horrende Preise für die edlen Stücke geboten, die nicht nur Bubenherzen höher schlagen lassen. Viel mehr als nur Spielzeug, liefern sie einen authentischen Einblick in die frühe Zeit der Industrialisierung– allerdings in Miniatur.