In Zusammenarbeit mit dem Polnischen Plakatmuseum in Wilanów und dem Polnischen Institut in Bukarest zeigt das Nationale Kunstmuseum Rumäniens derzeit unter dem Ausstellungstitel „Geschichte in 192 Bildern“ polnische Poster und Plakate aus den Jahren 1917 bis 2007, von denen einige Unikate sind, die bisher noch nirgends außerhalb von Polen gezeigt wurden.
Organisiert wurde die Ausstellung, die noch bis zum 8. Januar 2012 in Bukarest zu sehen ist, vom Nationalen Kunstmuseum Rumäniens, vom Plakatmuseum in Wilanów und vom Bukarester Polnischen Institut anlässlich seines 10-jährigen Jubiläums sowie anlässlich der Übernahme des Vorsitzes im Ministerrat der Europäischen Union durch Polen in der zweiten Jahreshälfte 2011.
Das Plakatmuseum in Wilanów ist eine Zweigstelle des Polnischen Nationalmuseums in Warschau und verfügt über eine einzigartige Sammlung von über 55.000 Postern, Aushängen und Plakaten, die zum Teil von hoher künstlerischer Qualität sind. D
ie Kuratorin der Bukarester Ausstellung, Maria Kurpik, hat die insgesamt 192 Exponate unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewählt: Einerseits sollten sie den hohen Entwicklungsstand der polnischen Plakatkunst dokumentieren, zum zweiten sollten sie einen repräsentativen Querschnitt durch sämtliche Bereiche der polnischen Gesellschaft und Kultur darstellen und, drittens, zugleich einen Überblick über die polnische Geschichte während der vergangenen 90 Jahre geben.
Die frühesten Plakate, die in der Bukarester Ausstellung zu sehen sind, stammen noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Man lernt Polen als ein Land kennen, in dem der Tourismus floriert (Salzbäder in Rymanów), in dem man in schönen Landschaften der Jagd nachgeht, in dem es mächtige Großstädte (Warschau), aufstrebende Industrie- und Hafenstädte (Gdingen) sowie alte Kulturstädte (Krakau) gibt.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und zur Zeit der Zweiten Polnischen Republik dominieren in der Plakatkunst dann zunächst hauptsächlich politische Themen. Es geht um die Aufnahme von Krediten, um die Bewaffnung Polens, um Aufrufe zum Kauf polnischer Staatsanleihen, um weitere Aufrufe patriotischen, sozialen oder gewerkschaftlichen Inhalts. Ein Plakat zur Feier des 10. Jahrestags der Zurückschlagung russischer Invasoren aus dem Jahre 1930 erinnert an den Polnisch-Sowjetischen Krieg 1919-1921 und an Polens großen Feind im Osten.
Daneben werden aber auch Werbeplakate gezeigt, die den wirtschaftlichen Aufschwung während der Zwischenkriegszeit dokumentieren: für Telefone, elektrische Bügeleisen, Radios, Schuhcreme, Badeseife, Zigaretten, Frauenzeitschriften wird ebenso geworben wie für Filme, Sport- und Tanzveranstaltungen, außerdem für Automarken wie Chevrolet von General Motors oder allgemein für die metallverarbeitende Industrie mit Abbildungen von riesigen Zahnrädern, die an Fritz Langs Film „Metropolis“ erinnern. Eine Farblithographie in deutscher Sprache trägt den Schriftzug „Zur Kur nach Polen – Moderne Heilbäder“ und ist auf das Jahr des deutschen Überfalls auf Polen datiert.
Die Kriegsplakate, die in der Bukarester Ausstellung gezeigt werden, stammen aus der Endphase des Zweiten Weltkriegs und sind hauptsächlich gegen die Deutschen gerichtet. Ein Plakat aus dem Jahr 1944 zeigt einen Totenkopf, der einen Stahlhelm mit Hakenkreuz trägt, und daneben eine Patrone. „Kazdy Pocisk jeden Niemiec“ (Jede Kugel ein Deutscher) steht auf dem in düsteren Farben gehaltenen Poster.
Ein anderes Plakat mit dem Schriftzug „Na Berlin“ (Nach Berlin) zeigt einen polnischen Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett, weitere Triumph- und Siegesplakate feiern die „Niemcy Skapitulowaly“ (Deutsche Kapitulation), wie es auf einem Poster von 1945 heißt.
Die Nachkriegszeit und die Jahre der Volksrepublik Polen sind in der Ausstellung mit einem großen Spektrum von Plakaten repräsentiert. Man stößt auf kommunistische Propagandaplakate, die Lenin, Stalin, die polnische Arbeiterpartei, Parteikongresse, Planerfüllung, Frieden, Wohlstand und die polnisch-russische Freundschaft feiern.
Ein Plakat aus dem Jahre 1953 erinnert an das Vierte Weltfestival der Jugend und der Studenten in Bukarest (August 1953). Die kommunistische Gegenpropaganda nimmt Radio Freies Europa aufs Korn: Der westliche Sender wird einmal symbolisch von einem blutrünstigen Vampir mit Stahlhelm und Hakenkreuz verschlungen (1950), dann wieder als Handlanger des Kapitalismus karikiert, der in Entengestalt wie Dagobert Duck auf einem aus einem Dollarzeichen geformten Stuhl Platz genommen hat und von dort aus seine tendenziösen Falschmeldungen gen Osten funkt (1955).
Zahlreiche Plakate werben für den Wiederaufbau Warschaus, für die polnische Kultur (Internationaler Chopin-Klavierwettbewerb), für Polen als Land (Ostseeküste, Kirchen, Folklore), für die polnische Fluglinie LOT, für polnische Reise- und Tourismusagenturen sowie für polnische Industrieprodukte.
Interessant sind zahlreiche Filmplakate, die auf die – meist zeitversetzte – polnische Premiere westlicher Filme wie „La Strada“, „Cabaret“, „High Noon“, „Amarcord“ oder „The Hunchback of Notre-Dame“ hinweisen. Das in der Ausstellung gezeigte Filmplakat zu Hitchcocks „Die Vögel“ aus dem Jahre 1965 ähnelt dabei in irritierender Weise einem Plakat aus Kriegszeiten.
Unter einer Fülle von Opern-, Gedächtnis-, Antikriegs-, Theater- und Zirkusplakaten finden sich auch Poster, die an das Wirken des polnischen Papstes Johannes Paul II. erinnern, und ein bewegendes Plakat in italienischer Sprache aus dem Jahre 1985 mit einem Kreuz aus Märtyrerdornen gemahnt an das Schicksal des 1984 vom polnischen Staatssicherheitsdienst ermordeten katholischen Priesters Jerzy Popieluszko. Lech Walesa-Plakate und Solidarnosc-Poster runden das Ausstellungserlebnis ab, das einen Streifzug durch die jüngere und jüngste polnische Geschichte mit zahlreichen ästhetischen und intellektuellen Genussmomenten zu verbinden und anzureichern Gelegenheit bietet.