Schönheit fordert Opfer

2012 war das internationale Jahr Andrei Tarkowski

Layla Alexander-Garett wurde in Usbekistan geboren und hat Film an der Universität Stockholm studiert. Neben dem Buch „Andrei Tarkovsky: The Collector of Dreams” hat sie auch ein Fotoalbum veröffentlicht: „Andrei Tarkovsky: A Photographic Chronicle of the making of the Sacrifice“ (Andrei Tarkowski: Eine fotografische Chronik über die Entstehung von „Opfer“)
Foto: Aida Ivan

Tage der Russischen Kultur hatte es in Bukarest im Dezember gegeben. Der Scheinwerfer wurde auf wichtige Figuren verschiedener Kulturbereiche wie Literatur, Geschichte und Film gerichtet. Man kann ruhig behaupten, die Mammutveranstaltung hat ihr Ziel erreicht, den Reichtum und die Vielfältigkeit der russischen Kultur wiederzugeben.

Die russischen Kulturtage wurden dem Regisseur Andrei Tarkowski gewidmet, der im vergangenen Jahr 80 Jahre alt geworden wäre. Buchpräsentationen, Filme, eine Fotoausstellung und eine internationale Tagung haben dafür gesorgt, dass die Besucher in Tarkowskis Seelenleben eintauchen konnten. Man hatte die Chance, den Menschen Andrei Tarkowski kennenzulernen und allerlei persönliche Sachen über ihn zu erfahren, seine Gedanken, seine Art, an die Dinge heranzugehen, seine Vorlieben und Qualen. Diese Veranstaltungen und die anwesenden internationalen Persönlichkeiten haben bei den meisten Teilnehmern nachgewirkt.

Unter den eingeladenen Gästen waren auch manche, die in enger Beziehung mit Tarkowski standen, wie Layla Alexander-Garett, welche die von ihr zusammengestellte Tarkowski-Fotoausstellung und ihr Buch „Andrei Tarkovsky: The Collector of Dreams“ (Andrei Tarkowski: Der Träumesammler) präsentierte. Dmitri Salinski, ein Filmtheoretiker aus Russland, hat einen Vortrag über die Filme Tarkowskis gehalten und die empirischen Informationen von Layla Alexander-Garett harmonisch ergänzt, indem er auf die Konstruktion von Tarkowskis Filmen aufmerksam machte.

„Tarkowski. Der letzte Film“

Der letzte Film Tarkowskis entstand in Schweden. Layla Alexander-Garett hat ihn, Tarkowski, näher in der Periode kennengelernt, nachdem er Russland verlassen hatte. 55 Tage arbeitete sie mit ihm auf der Insel Gotland, wo „Opfer” (1985) gedreht wurde. Als Übersetzerin wurde sie zu seiner rechten Hand, da der Regisseur mit schwedischen, schottischen und isländischen Schauspielern arbeitete: Damals gehörten Russisch, Schwedisch und Englisch, sogar Italienisch (mit dem renommierten Kameramann Sven Nykvist) zum anspruchsvollen Drehalltag.

Die Ausstellung, die Momente aus dieser Periode präsentierte, ist eine Wanderausstellung, die bis jetzt in verschiedenen großen Städten der Welt gezeigt wurde, unter anderem in Moskau, New York und Sao Paulo. Bei der Eröffnung der Ausstellung hat Layla Alexander-Garett den Gästen jedes einzelne Foto zusammen mit Hintergrundinformationen vorgestellt, die aus keiner anderen Quelle zu erhalten sind. Die wissbegierigen Besucher durften den Erinnerungen der Interpretin folgen und konnten so Tarkowskis Film aus einer neuen Perspektive betrachten.

Mit jedem Foto verknüpfte die gewandte Buchautorin lebhafte Bilder: Genau das, was die Tarkowski-Liebhaber wollten. Eines der Fotos zeigt einen nachdenklichen Tarkowski in einem der wenigen Momente, als er sich ausruhte. „Tarkowski war wie Quecksilber“, erinnert sich die Übersetzerin. Ein weiteres Foto wird als Aufhänger benutzt, um eine andere Geschichte über den Regisseur zu erzählen. Auf diese Weise wird weitergemacht – und so erfährt man eine Menge Kleinigkeiten über den russischen Regisseur, die für die Zuhörerschaft unerwartet wertvoll sind.

Außerdem wurde den Betrachtenden die Möglichkeit geboten, Ergänzungen zu machen oder Fragen zu stellen. Man konnte also erfahren, dass Tarkowskis Gesicht alle seine Gemütsbewegungen verriet, dass er die Landschaft der Insel Gotland liebte (und hoffte, einmal das sowjetische Ufer, das er nicht mehr betreten konnte, von dort aus zu sehen), dass er mit Tieren sprach und sie liebkoste. Daheim hatte er einen Hund, zu dem er immer noch eine enge Verbindung hatte. Wenn er seine hinter dem Eisernen Vorhang verbliebene Familie anrief, wollte er auch mit Dakus, dem Hund, sprechen. Manchmal philosophierte er sonntags mit Layla über den Sinn des Lebens, während ihrer Ausflüge mit dem Fahrrad.

Nicht weit entfernt von dem Ort, an dem der Film gedreht wurde, wohnte ein anderer berühmter Regisseur, nämlich Ingmar Bergman. Für ihn war Tarkowski einer der bedeutendsten Filmemacher, weil er „eine Sprache gefunden hat, die dem Wesen des Films entspricht: das Leben als Traum”, erklärte die Fotografin. „Immer wenn Bergman einen neuen Film machen wollte, schaute er sich Tarkowskis Filme an. Tarkowski machte es andersherum ebenso: Sie bewunderten einander. Bergman wollte ihn aber nicht kennenlernen.”

Die Präsentation von Layla Alexander Garett war eine gute Gelegenheit, ganz interessante Einzelheiten über den rätselhaften Film „Opfer“ zu erfahren. Dass er an Okkultismus und Mystizismus grenzt, kann jeder feststellen, der den Film gesehen hat. Dass Träume des Regisseurs darin eingeflossen sind, ist aber richtig fesselnd und zeigt die enge Beziehung Tarkowskis zu seinem letzten Werk: Auf einem Bild wird Alexander, die Hauptfigur des Filmes, liegend dargestellt. Er ist tot und neben ihm sitzt seine Ehefrau, die eigentlich das Gesicht von Maria (das Hausmädchen, angeblich die Hexe) hat.

Layla Alexander Garrett betrachtet „Opfer“ (der Film wurde Andrjuscha, dem Sohn Andrei Tarkowskis, gewidmet) als Testament des russischen Regisseurs. Das letzte Foto in der chronologischen Reihenfolge der Ausstellung zeigt einen Jungen, der einen trockenen Baum begießt. Es ist die letzte Szene des Films: Der Vater hatte dem Sohn gesagt, dass der Baum wieder blühen werde, wenn man ihn mit Geduld und Beharrlichkeit begießt. Der Sohn des Hauptdarstellers soll das Schicksal erfüllen und verantwortlich leben.

„Tarkowski war wie Wasser“

Dmitri Salinski sprach über die Strukturprinzipien der Filme von Tarkowski. Der Filmtheoretiker diskutierte über die ähnliche Konstruktion der Filme des russischen Regisseurs.

Ein Vergleich zwischen dem schwedischen Regisseur Bergman und Tarkowski wurde auch gezogen. Die Buchautorin Elena Dulgheru, unter anderem Verfasserin einer Tarkowski-Monografie, meint, dass man über zwei Arten von Licht sprechen kann: das Licht des Wissens bei Tarkowski und das Licht des Mondes bei Bergman. Layla Alexander-Garett erinnert sich, dass es Tarkowski schwer fiel, seine Filme zu vereinfachen. Eine Qual für den Regisseur, der sich ständig fragte, wie man einen einfachen Film machen kann.

Die Hypothese wurde während der immer heftiger werdenden Diskussion nicht ausgeschlossen, dass Tarkowski durch „Opfer“ die Katastrophe von Tschernobyl prophezeit hatte. „Tarkowski war wie Wasser, sehr schwer zu identifizieren”, schlussfolgerte Layla Alexander Garett.

Andrei Tarkowski starb 1986 in Paris an Krebs. Seinem Sohn, Andrjuscha, hat die sowjetische Regierung erst zu diesem Zeitpunkt, als klar war, dass Tarkowski auf dem Sterbebett lag, erlaubt, Russland zu verlassen, um seinen Vater ein letztes Mal (nach vier Jahren) zu sehen.