Cartoons, Schulbuch-Illustrationen, Workshops. Der deutsche Künstler Lyonn Redd will nicht in einem einzigen Bereich stehen bleiben: Spaß macht alles, was kreativ ist. Unlängst hat er einen Workshop beim Goethe-Institut Bukarest gehalten. Über seine vielfältige Aktivität, die kreative Arbeit mit jungen Leuten von verschiedenen Kontinenten aber auch die Herausforderungen seines Tätigkeitsbereichs sprach Lyonn Redd mit ADZ-Redakteurin Aida Ivan.
Lyonn Redd – ist das Ihr wahrer Name? Was ist die Geschichte dahinter?
Inzwischen ist das mein echter Name, genau so im Pass eingetragen. Tatsächlich hieß ich bis 2009 ganz anders (Bernhard Ofczarek). Unter meinem Künstlernamen „Lyonn“ (gesprochen wie das englische Wort „Lion“ / Löwe) arbeite ich aber bereits seit 2001. Die verschiedenen Identitäten wurden mit der Zeit lästig. So entschied ich mich, den Namen Lyonn als offiziellen Vornamen im Pass eintragen zu lassen. Am selben Tag nahm ich dann auch den Nachnamen „Redd“ meiner Frau Jackie an. So hieß ich vom einen auf den anderen Tag plötzlich komplett anders. Ein seltsames Gefühl, aber sehr spannend. Selbst meine Mutter nennt mich seit diesem Tag ausnahmslos Lyonn.
Sie beschäftigen sich mit Cartoons, Schulbuch-Illustrationen, Workshops und Darbietungen. Seit wann ist es so?
Meine Neigung zum Zeichnen von Cartoons zeigte sich bereits in der Schulzeit. Hier war ich schnell regelmäßiger Zeichner unserer damaligen Schülerzeitschriften „Flashlight“ und „Rückenwind“. Nach dem Abitur studierte ich Freie Kunst und zusätzlich visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Köln. Schon bald darauf hatte ich eigene, regelmäßige, teilweise ganzseitige Cartoonserien in größeren Magazinen wie der „Autozeitung“ oder in diversen Motorrad-, sogar Frauenzeitschriften. Zu einem echten Comicstar entwickelte sich meine Figur Mick, die über das weltweit in Millionenauflage verbreitete Deutsch-Magazin JUMA verbreitet wurde. Auftraggeber war das ZfA, die Zentralstelle für Auslandsschulwesen in Köln. Mick erreichte in 15 Jahren über 40 Millionen Leser in über 100 Ländern. Ein sehr schöner Erfolg, der mich heute noch stolz macht.
Auf Mick wurden rasch Schulbuchverlage aufmerksam, allen voran der Hueber Verlag in München. Ich erhielt viele Illustrationsaufträge für Sprachlehrwerksreihen im Bereich DaF (Deutsch als Fremdsprache): „Blick“, „Planet“, „Tangram“, „Fit in Deutsch“ und andere. Solch eine Lehrwerksreihe besteht oft aus fast tausend einzelnen Illustrationen. Es macht Spaß, aber es ist auch viel Arbeit! Auch Lehrwerke für andere Sprachen wurden von mir illustriert: „Mirada“ (Spanisch), „Espresso“ (Italienisch), „Taal Vitaal“ (Niederländisch) oder „Colors“ (Englisch).
Über diese Lehrbücher wiederum wurde das Goethe-Institut auf mich aufmerksam und erteilte mir Workshop-Aufträge. In Taschkent (Usbekistan) hatte ich 1999 meinen ersten längeren Workshop zum Thema Schulbuchgestaltung. Dazu gesellten sich weitere Seminare rund um die Themen Musik, Kunst, Literatur und vor allem Fantasie im Deutschunterricht. Seit 1999 werden meine Workshops und Schüler-Shows von Goethe-Instituten und PASCH-Schulen weltweit geordert. So konnte ich alle Kontinente besuchen – außer Australien. Wichtig ist mir, den Lehrern und Schülern auf Augenhöhe zu begegnen, nicht lehrmeisterlich rüber zu kommen. Es geht mir darum, Spaß und Freude an der deutschen Sprache zu vermitteln – ganz ohne Lernstress.
Haben Sie dann einen Lieblingsbereich?
Mein Lieblingsbereich ist: Alles, was kreativ ist! Mich interessieren tatsächlich alle Kunstrichtungen wie Musik, Malerei, grafische Arbeiten, Fotografie, Cartoons, Design, darstellende Künste und viele andere. Ich mag und kann mich nicht festlegen. Mal dominiert das eine, mal das andere. Ich wechsle oft und auch gerne drastisch meine künstlerische Ausrichtung. Da höre ich ganz auf meine innere Stimme. So finde ich das abwechslungsreicher und spannender. Kunst ist Vielfalt. Am liebsten möchte ich alles können und auch machen, alles zumindest mal ausprobiert haben. Ich weiß seit meinem zehnten Lebensjahr, dass ich nichts anderes als Künstler werden will. Und das habe ich nie bereut.
Laut einer Online-Plattform ist „Mars tanzt Erde“ die bestbewertete DaF-Musikshow und „BumBum“ das bestbewertete DaF-Fortbildungsseminar für Goethe-Institute weltweit. Was ist Ihr Geheimnis?
Ich bin sicher, es gibt noch viele andere sehr gut bewertete DaF-Workshops und -Shows, sehr interessante Dozentinnen und Dozenten. Tatsächlich aber ist die Resonanz auf meine DaF-Module weltweit immer überwältigend, durchweg positiv. Etwas stolz macht mich dabei, dass mein Ansatz in den unterschiedlichsten Kulturkreisen funktioniert, ob in Asien, Südamerika oder Afrika. „Mars tanzt Erde“ ist eine 45-minütige Techno-Pop-Comic-Deutschlern-Show für Schüler und Schülerinnen. Das Geheimnis des weltweiten Erfolgs liegt zum einen sicher darin, dass die interaktive Show non-verbal ist, das heißt die Teilnehmer müssen nicht Deutsch sprechen – lernen aber dennoch viel über deutsche Kultur und Sprache.
Dadurch sind sie frei von Stress. Der Spaß steht im Vordergrund, und mit Spaß lassen sich Sprachen viel leichter erlernen, weil die Schüler sich öffnen. Ebenso verhält es sich mit meinem Lehrerfortbildungsseminar „BumBum“, bei dem es um Musik und Fantasie im Deutschunterricht geht. Die Übungen und Spiele dieses Workshops sind sehr abwechslungsreich, es wird viel gelacht, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Spaß und bekommen dennoch viele neue Ansätze gezeigt, viele Informationen zu Deutschland. Bei all den schönen Erfolgen bin ich dennoch immer demütig. Tatsächlich bekomme auch ich immer viel zurück bei diesen Events: Ich darf Neues lernen, bekomme Einblicke in das tägliche Leben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darf meinen Horizont ständig erweitern. Dafür bin ich sehr dankbar!
Wie konzipieren Sie solche Lehrveranstaltungen?
Ich schaue mir die Anforderungen und die Zusammenstellung der voraussichtlichen Gruppen genau an. Entsprechend erfinde ich neue oder variiere bereits vorhandene Übungen, um mich den Interessen und Zielen der Teilnehmer möglichst anzunähern. Das Timing und die Dynamik eines Workshops finde ich dabei besonders wichtig.
Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders wichtig ist?
Alle Projekte, die Jugendliche oder junge Lehrerinnen und Lehrer erreichen, liegen mir sehr am Herzen. Diese jungen Menschen sind die Zukunft. Ich freue mich immer, wenn ich Ihnen neue Ideen mit auf ihren Weg geben kann. Sie geben mir aber immer alles zurück, denn ich darf jederzeit auch von ihnen lernen. Geben und Nehmen – so ist das schön!
Besonders berührt hat mich ein Fotoprojekt, das ich in den Slums von Nairobi (Kenia) im Jahre 2008 durchgeführt habe. Ich hatte vom örtlichen Goethe-Institut zwei Seminaraufträge erhalten, informierte mich daher über diese Stadt. Angesichts von mehreren Millionen Menschen, die dort in Slums leben müssen, entschied ich mich auf meine Weise zu helfen. Ich initiierte das Fotoprojekt „Here I Am“. Etwa 50 Schüler des Mukuru-Slum in Nairobi erhielten Einwegkameras und fotografierten ihren Alltag. In derselben Woche fotografierten weitere 117 Schülerinnen und Schüler in New York, Neapel, Köln und St. Petersburg ihr Leben.
Für das Projekt gründete ich den gemeinnützigen Verein Arte Pro Vita e.V. Die Spenden- und Verkaufserlöse aus dem Projekt kamen der mitmachenden Gatoto-Grundschule in den Slums von Nairobi zugute. Die jungen Fotografen und Fotografinnen haben also durch ihre eigene Kreativität ihre Situation verbessert. Das Projekt fand großes Interesse, rege Resonanz. Als Schirmherren konnte ich den ehemaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm und die Soul-Sängerin Marla Glen gewinnen. Es wurde mit einem startsocial-Stipendium prämiert (Schirmherrin: Angela Merkel) und für den Deutschen Engagementspreis nominiert. Sehr berührt hat mich auch das Engagement unserer Café-Gäste, die sehr interessiert und spendenfreudig waren. Von 2006-2015 waren meine Frau Jackie und ich Inhaber des Art-Café 333 in Köln, in dem regelmäßig Lesungen, Konzerte oder Kabarettaufführungen stattfanden.
Leider ist die Homepage mit allen Projektfotos hierzu momentan offline beziehungsweise in Überarbeitung – wie meine gesamte Online-Präsenz. Alles muss mal in Ruhe neu geordnet und überarbeitet werden. Daher gibt es im Netz momentan kaum was von meiner Arbeit zu sehen. Das wird einige Monate dauern, also ... Geduld!
Gezeigt wurden die Darbietungen in der ganzen Welt. Welche Vorführungen sind beim Publikum am besten angekommen?
Die bereits erwähnte Musik-Deutsch-Show „Mars tanzt Erde“ ist zweifellos ein Publikumsrenner weltweit. Sie fand auf allen Kontinenten überragende Resonanz. Die kanadischen Goethe-Institute buchten mich bereits viermal für landesweite Tourneen mit diesem spannenden und lauten Event. Auch zwei mehrwöchige Südamerika-Tourneen durfte ich bereits durchführen (Ecuador, Peru, Kolumbien, Brasilien, Bolivien, Venezuela). Die Schüler waren immer aktiv und sehr begeistert, genau wie während meiner Afrika-Tourneen (Kenia, Ghana, Senegal und Kamerun).
Wie viele Leute haben die Veranstaltungen von Lyonn Redd besucht?
Eine Gesamtzahl kann ich nicht bieten, ich habe nie gezählt. „Mars tanzt Erde“ erreichte sehr unterschiedlich große Gruppen. Da war von 25 bis zirka 350 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Montreal alles dabei. Die Lehrerfortbildungsseminare haben meist zirka 30 Teilnehmer – in Afrika oft bis zu 50 oder 60. Aber ganz egal, wie groß die Gruppen sind, ich packe es immer professionell an, es macht immer Spaß!
Mit welchen Herausforderungen wurden Sie im Laufe der Zeit konfrontiert?
Da gab es viele. In Afrika beispielsweise gibt es oft mehrstündige oder sogar mehrtägige Stromausfälle. Da musste ich oft mit einem Dieselgenerator arbeiten. Im Senegal in der Sahel-Wüste hatte ich meinen heißesten Workshop, bei zirka 45 Grad – ohne Klimaanlage. In Taschkent hatte ich zwei „Aufpasser“ von der Staatssicherheit im Seminarraum sitzen. Ich neige dazu, meinen Workshop-Teilnehmer Selbstbewusstsein zu vermitteln und sie dazu zu bringen, Dinge zu hinterfragen, wenn sie eine eigene, abweichende Meinung haben. Das wird nicht in allen Staatsformen gerne gesehen. In einer Militärschule in Bangkok saßen die Schüler in Reih und Glied – diese verkrusteten Struk-turen galt es aufzubrechen. Es gibt noch viele kleine Geschichten und Anekdoten aus aller Welt. Einige werde ich auf meiner Homepage www.lyonnredd. com präsentieren, sobald diese fertig ist.
Über welche Leistung sind Sie von Freude erfüllt?
Über meine Neugierde und Weltoffenheit. Das ist eigentlich keine Leistung, sondern mein innerer Motor, der mich immer wieder Neues entdecken lässt. Und sicher bin ich ein wenig stolz darauf, schon vielen jungen Menschen Denkanstöße mit auf deren Weg gegeben zu haben. Das macht mich glücklich.
Vor Kurzem haben Sie einen Workshop am Goethe-Institut Bukarest zum Thema Einführung in die zeitgenössische Film-, Musik und Literaturszene gehalten. Welche Erfahrung haben Sie hier gemacht?
Ja, das war eine tolle, sehr aufgeschlossene, wissbegierige und aktiv mitmachende Gruppe. Zu jeder Zeit konnte ich ihre Begeisterung für die deutsche Kultur und Sprache spüren. Das beflügelt dann auch meine eigene Performance! Es hat großen Spaß gemacht. Ich denke, den Teilnehmern und Teilnehmerinnen ebenso. Bei allem Spaß und Spiel konnte ich ihnen doch viele Infos zur deutschen Kultur vermitteln. Jedenfalls bin ich dankbar für die Einladung des Goethe-Instituts und ebenso dankbar für die so kreative und aktive Teilnehmergruppe! Ich komme gerne wieder!
Vielen Dank für das Gespräch!