Swarovskis Kristallwelten

Eine funkelnde Erfolgsgeschichte

Architektur in Kristall | Fotos: Mag. Ignazius Schmid und Swarovski

Gepardenfamilie

Die Rohrschachstele

Das Carousel im Garten

Dieses Kristalltop hat einst Jackie Kennedy gekauft.

Der Blaue Saal mit dem Centar-Kristall im Vordergrund

Kleid und Hochzeitsschmuck

farbige Kristalle

Man darf wohl annehmen, dass rund um die Welt „Swarovski“ ein Begriff ist, bei dem vor allem die Augen der Frauen wie Kristalle zu funkeln beginnen. Sich zu schmücken ist dem Menschen ja in die Wiege gelegt, und dazu bietet Swarovski tausende attraktive Möglichkeiten. Man darf aber ebenfalls vermuten, dass wenigen Leuten bekannt ist: Die Erzeugung der strahlenden Kristalle befindet sich in Wattens in Tirol. Zu verdanken ist dies dem Firmengründer Daniel Swarovski.

Vom Kristallglas fasziniert

Daniel Swarovski wurde am 24. Oktober 1862 in Georgenthal in Böhmen geboren, das damals zur österreichisch-ungarischen Donaumonarchie gehörte. Böhmen war durch seine Glasproduktion berühmt, und auch sein Vater hatte eine kleine Glasschleiferei, die ihn schon als Kind begeisterte. So absolvierte er eine Lehre als Glasschleifer. 1883 sah er in Wien die erste „Internationale Electrische Ausstellung“, bei der die Firmen Siemens und Edison ihre neuen Schleiftechniken vorstellten. Swarovski war davon fasziniert, aber nicht ganz überzeugt. Er sah Verbesserungswürdiges und tüftelte neun Jahre, bis er sich schließlich seine perfekte Glasschleifmaschine patentieren lassen konnte. Zu seinem Glück – im doppelten Sinn des Wortes – heiratete er 1887 Marie, die Tochter des Graveurs Eduard Weis aus dem böhmischen Dorf Wiesenthal. Die am 11. November 1868 geborene Marie war eine außerordentlich tüchtige Person, brachte sich von Anfang an in die Arbeit ihres Mannes ein und schenkte drei Söhnen das Leben: 1888 Wilhelm, 1890 Fritz und 1891 Alfred. Zudem war Marie äußerst sozial eingestellt, kümmerte sich um die Arbeiter und unterstützte ihren Mann bei seinen Sozialprojekten wie beispielsweise der Erstellung der gesamten Wattenser Wasserversorgung. In späteren Jahren wurde sie „Mutter von Wattens“ genannt und verstarb dort, nach 65 Jahren glücklichster Ehe, tief betrauert am 21. März 1952. 

Von Georgenthal verlegte Daniel Swarovski, zusammen mit seinem Schwager Franz Weis und Armand Kosmann, der aus Paris stammte, seinen Firmensitz nach Wattens und gründete 1895 die Firma „Glasschleiferei Wattens, A. Kosmann, D. Swarovski & Co.“. Für den neuen Firmenstandort Wattens hatte er ein gutes Händchen bewiesen: Es gab ausreichend Wasserkraft als Energielieferant für den teuren Antrieb der Schleifmaschinen. Außerdem war die Konkurrenz fern, und Paris – mit großem Interesse an Schmucksteinen – war gut erreichbar über ausgebaute Handelswege. 

Ein Imperium entsteht

Daniel Swarovskis Söhne waren mittlerweile herangewachsen und im väterlichen Betrieb tätig, als er 1913 eine Firma für Spezialglas gründete. Dem Material, das sich für die Herstellung von Kristallen eignete, wurden nach einer speziellen Rezeptur verschiedene Mineralien beigegeben, die besondere Farbeffekte erlaubten und nach dem Schleifen mit Diamanten und Edelsteinen um die Wette funkelten. Firmenlogo war das Edelweiß, das erst 1989 durch den Schwan als neues Logo ersetzt wurde. 

Mit seinen geschliffenen Kristallen wurde Swarovski zum geschätzten Partner aller großen Modehäuser der Haute Couture: Chanel, Dior etc. Einen weiteren wichtigen technischen Schritt im Ausbau der Firma nahm der Sohn von Fritz, Daniel II., vor: die Herstellung keramischer Schleifscheiben. Sie wurden seit 1919 in einem eigenen Werk in Wattens erzeugt, das als Schleifmittelunternehmen TYROLIT 1950 nach Schwaz zog und dort noch immer besteht. 1960 kaufte Swarovski von A. Kosmanns Erben die Anteile der Glasschleiferei im Wattenser Oberdorf. Somit war nun alles in einer Hand: die Glaserzeugung, die Glasschleiferei und die Schleifmittel. 

Es zeigte sich, dass die Faszination der glitzernden Kristalle so groß war, dass tausende Besucher auch von weither nach Wattens kamen, um zu schauen und zu staunen. Um dem Interesse gerecht zu werden, hat Swarovski 1995 die Swarovski-Kristallwelten geschaffen, ein Ort, wo Kristalle zum ganzheitlichen Erlebnis werden. Seither waren 16 Millionen Besucher in Wattens. Was sie nicht zu sehen bekommen, ist der wissenschaftliche Teil: die Erzeugung optischer Geräte. Diese leisten ihren Dienst an der Menschheit, aber sie funkeln nicht in allen Farben…

Ein Riese wird geboren 

Der Allroundkünstler André Heller, aus der bekannten Wiener Zuckerldynastie stammend, wurde zum 100. Firmenjubiläum beauftragt, die Kristallwelten zu bauen. Er erledigte die Aufgabe, indem er nach der Idee Kaiser Ferdinands II. Wunderkammern anlegte, wie sie der Kaiser für seine Frau Philippine Welser im Schloss Ambras in Innsbruck etwa 1570 aufzubauen begonnen hatte und damit das ganze Wissen seiner Zeit zu erfassen suchte. Das war auch ganz im Sinn von Daniel Swarovski, dem die stete Neuerfindung und Weiterentwicklung ein Herzensanliegen waren. 

Heller verlegte seine Wunderkammern in das Innere eines Riesen, der grasbewachsen und breitflächig in der Landschaft liegt und aus seinem Mund mit einem gut einen Meter breiten Wasserfall seine Wasser einem darunter liegenden Teich übergibt. Ein Fünfjähriger fasste einmal seinen Eindruck zusammen: „Ist dem Riesen schlecht, weil so viele Leute in seinem Kopf herumgehen?“ 

Links und rechts vom Kopf des Riesen kommt man in die 18 Wunderkammern im Inneren, wo die bedeutendsten Künstler unserer Zeit die Möglichkeit haben, ihre Sicht von Kristallen zu eröffnen. In der „Blauen Halle“ ist der Centenar zu bewundern, mit 62 Kilo und 310.000 Karat der größte handgeschliffene Kristall der Welt. Neben einer 42 Meter langen Kristallwand geht man nach „Silent Light“. Dort staunt man über einen Kristalltannenbaum, einst für das Victoria and Albert Museum in London aus 150.000 Swarovski-Kristallen entworfen und seit 2003 in Wattens. In dieser Wunderkammer rieselt auch der durch eine spezielle Technik erzeugte echte Schnee aus sechsseitigen Schneeflocken vom Himmel (keine künstlichen Einheitsflocken wie aus einer Schneekanone). Wer einmal erleben möchte, wie man sich im Inneren eines Kristalls fühlt, kann dieses Gefühl im „Kristalldom“ mit 595 Spiegeln vermittelt bekommen. In der Wunderkammer „The Art of Performance“ werden berühmte Kostüme berühmter Künstler gezeigt, wie Marlene Dietrichs Anzug aus dem Film „Der blaue Engel“, Marilyn Monroes berühmtes Birthday-Kleid, Katy Perry, Lady Gaga, Elton John, Beyoncé … alles „in Kristall“ nachgebaut. In der Rorschach-Stele kann man die Bedeutung von Glasgravuren entdecken, „Il Sol“ ist im Maßstab eins zu einer Milliarde zum Himmelskörper gebaut. Bekannte Künstler wie die Südkoreanerin Lee Bull, der indische Stardesi-gner Manish Arora, Arik Levy, James Turrell, die Japanerin Yayoi Kusama, die Amerikanerin Jessye Norman oder der Tiroler Oliver Irschitz und viele andere, kreieren unglaubliche Werke, Architektur, Räume, Gegenstände, Skulpturen, Tiere, Blüten, Bäume, Effekte … Der Taj Mahal ist nicht nur in Agra zu besichtigen, es gibt ihn auch in Wattens aus Kristallglas. Wunder über Wunder – des Staunens ist kein Ende! Sehr hilfreich ist dabei der Audioguide, der auch die Gedankenwelt der Künstler erschließen hilft.

Der Swarovski-Garten

In den Wunderkammern sind eine Zauberwelt, Kunst und Lifestyle ausgebreitet, die sich im Garten auf insgesamt 7,5 Hektar Areal fortsetzen. Hier schwebt eine Kristallwolke aus 800.000 Kristallen am Himmel, es gibt ein „Carousel“ mit 15 Millionen Kristallen, einen 14 Meter hohen Spielturm, wo gespielt und geklettert wird. Gerne nehmen Besucher die Gelegenheit wahr, den Besuch mit einer Runde im Kristall-Shop zu beschließen. 

In 150 Ländern der Welt gibt es mehr als 9000 Verkaufsstellen und Shops mit 18.000 Mitarbeitern, in Wattens ist weltweit einer der größten. Hier finden sich tausende Kostbarkeiten, Schmuckstücke, Nippes – von der Größe eines Zwei-Zentimeter-Kristallmäuschens bis zum gut fünfzig Zentimeter großen Geparden. Die einzelnen Teile der gesuchten Sammlerstücke werden extra gegossen und dann auf Tausendstelmillimeter Genauigkeit geschliffen und zusammengesetzt – eine Präzisionsarbeit ersten Ranges. Es ist verständlich, dass die Swarovski-Kunstwerke ihren Preis haben! Für das Ausstellungsstück der kristallbesetzten Gepardenfamilie in Lebensgröße müsste man wohl einen sechsstelligen Betrag hinlegen. So wird sie wahrscheinlich noch einige Zeit Ausstellungsstück bleiben und die Besucher erfreuen…