Es gab eine Zeit, in der Spionage von biederen Frauen betrieben wurde, die sich ihre schmale Witwenrente von 250 Lei ein wenig aufbessern wollten – so wie Adela Schneider. Wo sich die Geliebte bei ihrem Schatz verdächtig machte, weil sie ihn sogar in intimen Momenten nach militärischen Details befragte – wie die „Honigfalle“ Hilda Kolbinger. Wo man in einer französischen Zeitung von einer rumänischen „Mata Hari“ lesen konnte, für deren Existenz es in hiesigen Dokumenten bis heute keinen Beleg gibt – wer war die angebliche Spionin namens Maria Bălan? Es war eine Zeit, wo Nachrichtendienste nicht wie heute, Tausende, sondern gerade mal eine Handvoll Mitarbeiter hatten – in Rumänien waren es 1916 ganze acht. Und in der man sich stolz mit dem ersten Offizier für Gegenspionage rühmte: Ioan Țăranu, geboren 1884...
Schmunzeln durfte man über diese und eine ganze Reihe weiterer Kuriositäten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs am 23. Januar im Schillerhaus. In jahrelanger Forscherarbeit aus Archiven zusammengetragen, hatte sie Dr. Alexandru Alin Spânu in seinem Buch „Spioni, Spioane și Dardanale în România Războinică (1916-1919)“ (Spione, Spioninnen und Verwicklungen im kriegerischen Rumänien 1916-1919) verewigt. Doch unterstreicht der Autor vehement: Trotz materieller Unzulänglichkeiten und einer aus heutiger Sicht lächerlichen Mitarbeiterzahl sei der rumänische Geheimdienst außerordentlich effizient gewesen. 1917 etwa habe man dank diesem die Schlacht von Oituz gewonnen!
Spânu beschreibt darin nicht nur konkrete Fälle, sondern führt den Leser in die gesamte Palette nachrichtendienstlicher Aktivitäten ein: Organisation, Kooperation mit Partnerdiensten alliierter Länder, Spionageabwehr und Gegenspionage, Anwerbung von Agenten auf der einen und anderen Seite, sowie von Damen, die in dieser durchaus nicht ausschließlich maskulinen Welt eine gewisse Rolle spielten...
Das Buch beginnt mit der Entwicklung des Nachrichtenwesens in Rumänien: der Gründung des Militärischen Informationsdienstes (1859) und der Direktion für Polizei und Allgemeine Sicherheit (1908). Es behandelt die Gründerväter des rumänischen Nachrichtenwesens im 20. Jahrhundert: Ion Panaitescu, Romulus Voinescu, Nicolae Condeescu. Und beschreibt, wie sich 1917 die organisatorische Struktur abzeichnete und eine Professionalisierung der Arbeitsweise vorgenommen wurde.
Die Erfolge ließen nicht auf sich warten. Beiträge dazu leistete auch der Datenaustausch mit der französischen Militärmission, aber auch mit der russischen Armee gab es eine Kooperation im Bereich Gegenspionage, wofür sogar gemeinsame Strukturen geschaffen wurden. Interessant auch die Analyse der Memoiren zweier Geheimdienstchefs der Zentralmächte – Walter Nicolai (Deutsches Kaiserreich) und Maximilian Ronge (Österreich-Ungarische Monarchie).
„Die Öffnung der Archive nach 1989 und die Tatsache, dass Forschern Jahr für Jahr neue und bedeutende Dokumente zugänglich gemacht werden, hat Historiker und Geschichtsbegeisterte motiviert, neues Licht auf einige Ereignisse, Personen und Epochen zu werfen“, erklärt Prof. Dr. Gheorghe Buzatu im Vorwort der von Spânu veröffentlichten Doktorarbeit unter dem Titel „Serviciul de Informații al României în Razboiul de Întregire Națională (1916-1920)“ (der Nachrichtendienst Rumäniens im Krieg zur nationalen Einheit). Damit reihe sich der Militärhistoriker unter einheimische Experten wie Cristian Troncotă oder Florin Pintilie ein. „Niemand wird von nun an mehr über die rumänischen Nachrichtendienste schreiben können, ohne die Informationen, Analysen und Schlussfolgerungen von Alin Spânu“ zu kennen, so Prof. Dr. Mihai Retegan im Vorwort zu „Spioni, Spioane și Dardanale în România Razboinică (1916-1919)“.
Derzeit hält Spânu an der Geschichtsfakultät der Bukarester Universität einen Kurs über „Diplomatie und Geheimdienste“ im Rahmen des Masterstudiengangs „Geschichte und Militärpolitik im Rumänien des 19. und 20. Jahrhunderts“ – und ermutigt Studierende ausdrücklich, sich mit dem Thema Nachrichtendienste zu befassen. Es interessieren sich zu wenig Forscher für die unzähligen Dokumente in den Archiven, bedauert der Historiker. Oft sei er der einzige gewesen, der Einsicht beantragt hatte, musste er während seiner Recherchen feststellen. Allein über die russisch-rumänischen Geheimdienstbeziehungen sei ein Dossier mit sechs Bänden vorhanden, illustriert der Forscher. Er selbst habe allenfalls zehn Prozent der vorhandenen Dokumente gesichtet: „Ich habe nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was die Archive tatsächlich bieten!“