Die zweisprachige Ausgabe der Gedichte „Im Bann des Wienerwaldes“/ „În vraja Pădurii Vieneze“ (Edition Roesner, artes Literatur, Wien 2023, aus dem Deutschen übersetzt von Simion Dănilă) von Hans Dama, die 75 Gedichte aus verschiedenen Zeiten vereint, die von der Stiftung der deutschsprachigen Heimatvertriebenen aus dem Sudeten-, Karpaten- und Donauraum gefördert wurde, versinnbildlicht in schönen Kreuz- und Paarreimen die Lust am Leben, an der Natur, die Beschreibung eines Abschieds, Impressionen eines späten Lebenszeitalters.
Der aus Großsanktnikolaus im Banat stammende Dichter Hans Dama, der mehr als 30 Jahre lang an der Universität Wien, am Institut für Romanistik und am Institut für Dolmetscher mit dem Forschungsschwerpunkt „Interkulturelle Beziehungen“ tätig war, hat hier Gedichte geschaffen, die uns berühren durch ihren dichterischen Reiz, jener Reiz, der die Lyrik von der Prosa unterscheidet und überzeugend Zustände, Gefühle beschreibt, nicht selten in einer schlichten poetischen Sprache, die umso überzeugender wirkt, als die Verse Alltagsbeschreibungen, Natur- und Gefühlslagen schildern. Schöne, klare Reime in einfachen Mitteilungen, wie wir sie in der deutschen Poesie beispielsweise bei Eichendorff, Heine, Mörike oder Hebbel finden. Der von dem Dichter Hans Dama bevorzugte Kreuzreim (a-b-a-b) hat seinen Ursprung im deutschen Volkslied und ist daher rhythmisch und melodisch sehr bekannt und beliebt. Dieser Tradition verbunden, lässt in dem Dichter Dama den Traditionalisten erkennen, der stark der deutschen Klassik und Romantik verbunden ist. Thematisch bewegen sich die Gedichte, die in drei Kapitel, „Abschiedsgesänge“, „Wienerwald-Gedichte“, „Weihnachtsgedichte“ unterteilt sind, wie es viele der Überschriften schon ausdrücken, zwischen Themen des Daseins („Suchende“, „Vernunft“, „Aufrecht“, „Betrogene“, „Denkvorgang“, „Lebensweg“, „Lebensbilanz“, „Nachtgesang“, „Trennung“, „Dein Heimgang“, „Die verflogene Seele“), die nachdenklich, beobachtend und philosophierend anmuten; Naturgedichten („Schilfgesang“, „Flachlandfrust“, „Natur verstehen…“, „Sommerfeld“, „Sommergedanken“, „Sommeridylle“, „Abendkühle“, „Herbstlied“, „Novemberbild“, „Sommernachmittag“, „Abendstern“) und schließlich von der Geographie oder Historie inspirierten Poemen („Im Palmenhain“, geschrieben im Oman, Oktober 2014; „Sommernachmittag“ im Wie-nerwald, 2013, „Wiener Heldenplatz“).
Die Gedichte sind allgemeingültige Naturbeobachtungen und -schilderungen, sie beschreiben Stimmungen und beziehen sich auf Gegenwart und Vergangenheit, ineinander zerfließend wie Realität und Imagination. Schon einige Titel wie „Sommerfeld“, „Sommergedanke“, „Sommeridylle“, „Abendkühle“, „Abendlicher Ausgleich“, „Abendhimmel“, „Abendstimmung“ weisen darauf hin. Aber auch Gefühle wie Trauer, Abschied, Einsamkeit, Freude kommen oft zum Ausdruck. Ereignisse eines Menschenlebens, Tod der Partnerin, Tod eines Freundes, Muttertag, Weihnachten und die Jahreszeiten verpackte Dama in seinen Gedichtband. Das ist vielleicht etwas zu viel für einige Leser, die sich gerne auf das Titelthema konzentriert hätten.
Dama, Autor zahlreicher Gedichtbände – auch viele zweisprachig –, hat bereits 2018 den Band „Tu Felix Austria“, eine zweisprachige Ausgabe von Gedichten, ins Rumänische übersetzt ebenfalls von Simion Dănilă, veröffentlicht und legt nun im Jahr seines 80. Geburtstags diese Sammlung aus den letzten Jahrzehnten vor. Das lyrische Du („Lebensweg“), „Muttertag“; „Spiel der Zeit“) wechselt ab mit dem poetischen „Wir“ („Sommergedanken“) oder dem „Ich“ („Sommeridylle“). Humorvoll beschreibt er in „Tapetenwechsel“ das Hamstern des Klopapiers während der Pandemie, 5.4.2020, 90). Die Titelauswahl „Im Banne des Wienerwaldes“, die sich ausschließlich auf das weitläufige Erholungsgebiet bei Wien bezieht, begründet der Autor im Vorwort: da „… meine dortigen Aufenthalte lyrisch stets anregend waren, sind darüber hinaus auch viele meiner der Gedankenlyrik zuzuordnenden Texte in diesem Milieu entstanden. So erfolgte die Titelgebung des Bandes dementsprechend.“
Stimmungen, Naturbilder widerspiegeln sich in schönen rhythmischen Versen, wie sie heute kaum mehr ein Gegenwartsautor schreibt, da die freien Verse vieler Dichter Natur und Stimmungen verklären. Klassische Verse der Art „Der Abend schleicht in stillen Zügen / herbei und löst des Tages Band. / Wir sinnen bei gefüllten Krügen/ und spähn hinab ins müde Land. / Mein Blick taucht in dem deinen unter, / er nagt an deiner Seele zart. / Unendlichkeiten werden munter / und rütteln an der Gegenwart“, die uns stark an Eduard Mörike erinnern, mit tiefergehender melancholischer Stimmung. Die Wortschöpfungen des Dichters sind zahlreich, viele der Zeilen spielen mit neuen Wortzusammensetzungen, metaphorisch, personalisiert oder poetisch überhöht. Dama spricht von Einsamapfel, Windmassagen, Flachlandfrust, Traumelegien, Schilfgesang zartschilfig, Wolkenscheue, Himmelsofen, Hoffnungshügel, Hoffnungsbrücken, Hoffnungsstern, Grillgestöhne, Erinnerungsplage oder von der Tagigall (im Gegensatz zu Nachtigall), Kehlchendiva, Trällerschwärme.
Hans Dama ist auch Übersetzer von bekannten rumänischen Dichtern wie Lucian Blaga, George Bacovia, Mihai Eminescu und anderen. Sein ebenso sprachkundiger Übersetzer, Simion Dănilă, der Nietzsche, Wedekind, Andreas A. Lillin u. a. Autoren übersetzt hat, findet stets passende rumänische Personifizierungen und Metaphern (erschlankte Wolkenhäute werden zu „norii pleacă bărbătește“, Wohlklangsphären sind „armoniale sfere“, Himmelsofen wird mit „cerului cuptor“ übersetzt oder Traumelegien mit „visari elegice“). Überhaupt sind die Übersetzungen sehr gelungen, melodisch und rhythmisch ansprechend, wenn man bedenkt, dass die Sprachmelodie des Rumänischen eine ganz andere ist als jene des Deutschen, hat der Übersetzer hier eigene Gedichte geschaffen, die man gerne parallel zum Original liest. Dama hat zu seinem 80. Wiegenfest eine bleibende Sammlung seiner Gedichte vorgelegt, die uns das Frohlocken, die Wehen, das Kommen und Gehen einer Existenz poetisch nahebringt. Deswegen möchte ich auch abschließen mit Versen aus seinem Gedicht „Die Welt betrachtend“ von 2018: „Was menschlich Denken ausgemacht, / ist Existenz, das Kommen, Gehen, / in Überlegungen stets dargebracht, / begleitet von Frohlocken, Wehen. / Wir sollen, wollen, / möchten gern alles um uns verändern.“ Und Simion Dănilă macht daraus: „Gândirea omului ce-o fi? / E viață, cu venire, cu plecare, / cu mici reflecții zi de zi, / cu bucurie și cu întristare. / Noi vrem și vrem ca să schimbăm / tot ce ni se găsește-n preajmă.“ (Contemplând lumea …). Danke, Hans Dama, für diese bleibenden lyrischen Zeilen.