Es ist vollbracht – das „Inùtile“, das „Unnötige“, das aber doch so nötig war und nötig ist, steht nun da, um dem Betrachter vorzuführen, wie unnötig all das werden kann, was wir zeit unseres Lebens manchmal als dringend nötig und unentbehrlich empfinden. Es steht da als Monument, weithin sichtbar, in Pievalinghe bei Montaione, auf der Azienda des italienisch-deutschen Land-Art-Künstlers Dieter Pildner.
„Inùtile“ ist ein komplexes Kunstwerk, konzipiert und kombiniert aus vielen Einzelteilen, die einst alle einen „Lebenszweck“ hatten und dann nach vielen Jahren, als sie schließlich ausgedient hatten, zum alten Eisen, auf den Schutthaufen oder in einen Schuppen kamen und dort bald „vergessen“ wurden. Bis sich der Künstler eines Tages an sie erinnerte, sie hervorholte und ihre „Biografien“ ergänzte und gestalterisch um viele Jahre verlängerte. So wurden die „inutilen“ Dinge von einst zu selbständigen Kunstobjekten erklärt und als solche zu einem großen Kunstwerk zusammengefügt.
Betrachtet man das „Inùtile“ von Dieter Pildner, erinnert man sich vielleicht an die kinetische Kunst von Jean Tinguely oder an den amerikanischen Objekt-Künstler Man Ray (Emmanuel Rudnitzky), der übrigens ebenfalls osteuropäische Wurzeln hat. Doch Pildner dürfte, jedenfalls bei diesem Monumentalwerk, das nun ständiger Bestandteil seiner weiträumigen Land-Art-Szene ist, am meisten den Künstlern des Ready-made-Konzepts nahe stehen – beginnend mit Marcel Duchamp, Kurt Schwitters und Meret Oppenheim bis Joseph Beuys. Allerdings ist Pildners „Inùtile“ nicht nur ein „Objet trouvé“, ein „gefundener Gegenstand“, wie beispielsweise manche Werke von Duchamp (das „Fahrrad-Rad“ 1913) und Beuys (die „Badewanne“ 1960), oder Robert Rauschenbergs „Reste einer materiellen Welt“, die von Schrotthaufen zusammengetragen wurden, sondern hier handelt es sich, wie man sehen kann, um ein „Assisted readymade“ (ein „unterstütztes Ready-made“), wie es die Kunsttheorie definiert. Da wird nämlich ein Alltagsgegenstand mit einem anderen Objekt „kombiniert“ und dadurch von diesem künstlerisch kreativ „unterstützt“.
Doch auch diese Definition trifft auf das einmalige Kunstwerk von Pievalinghe nicht ganz zu, denn Pildner hat hier ein großes, im Einzelnen nicht durchschaubares Ensemble von Alltagsgegenständen aus vergangenen Zeiten und vergessenen Bereichen (alte Radschaufeln, Handsensen, Laternen, Wagenräder, Spaten, Schreinerwerkzeug, große Korbflaschen und vieles mehr) vereint und in ein Monument integriert, um so seine Auffassung anschaulich zu machen: Was einst notwendig schien, unentbehrlich und lebenswichtig, das ist heute entwicklungsgeschichtlich- und zeitbedingt völlig bedeutungslos geworden. Und nun rostet das alles als großes symbolhaftes Kunstwerk, wie ein stummer Ruf aus vergangenen Zeiten, still und langsam dahin. Das macht den Betrachter nachdenklich.
Manche Feriengäste in Pievalinghe, die schon am ersten Tag ihres Besuchs zu diesem seltsamen „Inùtile“ gehen, fragen dann, was das eine oder andere Objekt wohl einst gewesen sei und wozu es gedient habe?
Das aber zeigt, dass die Phase des Vergessens heute schon viel weiter fortgeschritten ist, als man meinen könnte: Denn selbst der Name eines heute nicht mehr benötigten Objekts ist, wie man sieht, bereits in Vergessenheit geraten – so wie längst vorher schon sein objektiver Gebrauchswert.
Nach einem Gespräch mit dem Künstler, der mit Feriengästen gern auch Führungen durch die Landschaft seiner Land-Art unternimmt – wobei der etwa einstündige Rundgang auch an diesem Kunstwerk vorbei führt –, kann man später, im eigenen heimischen und alltäglichen Umfeld, vielleicht einmal überlegen, was man, kritisch gesehen, selbst als „Inútile“ bezeichnen würde. Und dann trifft das zu, was in sieben Worten konzis gesagt werden kann: „Wenn Kunst uns bewegt, bewegen wir uns auch.“
Derzeit arbeitet Dieter Pildner an einer monumentalen Steinsäule, die er „Hommage à Brâncuşi“ nennen wird. Zu Constantin Brâncuşi empfindet Pildner eine „tiefe geistige Verbundenheit“. Dieses Kunstwerk soll bis zum Frühjahr, wenn die ersten Feriengäste kommen, dastehen – „als figurativer Gruß nach Paris und weiter hin bis zu den rumänischen Karpaten.“