Aus den Tiefen des südostdeutschen Musikarchivs hat der rührige Musikforscher und profunde Kenner des Banater Musiklebens, das freilich nicht ohne das Zusammenwirken aller im Banat vertretenen Nationalitäten denkbar ist, eine neue Seite aufgeschlagen und seinen Fokus diesmal auf Lugosch gerichtet – und vor allem auf den dort tätigen Komponisten und Gründer des Gesang- und Musikvereins Conrad Paul Wusching.
Lugosch wurde als Stadt der Musik besonders nach 1947 durch die Werbung für den rumänischen Komponisten Ioan Vidu landesweit bekannt. Doch die Gründe für die Bezeichnung „Stadt der Musik“ liegen in ganz anderen Bereichen der Lugoscher Musikkultur. So wurden bereits im 18. Jahrhundert Werke der damaligen Zeitgenossen Haydn, Mozart und Beethoven in der römisch-katholischen Pfarrkirche (damals Minoritenkirche) aufgeführt. Fast 200 Jahre lang waren die Kantoren dieser Kirchengemeinde maßgeblich für den musikalischen Ruhm der Stadt verantwortlich.
Im Jahr 1849 ließ sich der Kantorlehrer und Komponist Conrad Paul Wusching (1827-1900) hier nieder und gründete gleichzeitig den Lugoscher Gesang- und Musikverein, der auch eine Musikschule betrieben hat. Dies wiederum zog bedeutende junge Musiker aus Österreich und Böhmen an. So ließ sich der Wiener Hofopernsänger Josef Emanuel Ranftl (1786-1863) als Gesangslehrer in Lugosch nieder, gefolgt von Wilhelm Franz Speer (dem späteren Temeswarer Domkapellmeister), Josef Weikert, Johann Felsmann uva. Im Mittelpunkt des Buches „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Wusching und die Anfänge der Lugoscher Musikgeschichte“ steht aber die Monographie des Lugoscher Gesang- und Musikvereins selbst, der zu den ältesten des Banats gehörte. Zu seinen Ehrenmitgliedern zählten bedeutende Musiker und Komponisten aus halb Europa: Franz Liszt, Ede Reményi, Franz Erkel, Johann Herbeck, Karl Rudolf Karrasz, Kornel Abrányi, sowie bedeutende Domkapellmeister, Bischöfe und Komponisten. Das Archiv bestand aus mehreren Tausend Partituren, aus wertvollen Korrespondenzen mit Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts wie auch aus Kunstwerken (Ölgemälden, Konzertflügeln, alten Möbeln usw.). Der Verein besaß sogar ein eigenes Vereinshaus in Lugosch. Leider hat sich nach 1947 alles in Luft aufgelöst: Durch die Verstaatlichung und Beschlagnahmung des gesamten privaten Eigentums gingen all diese kostbaren Schätze verloren.
Das Buch enthält außerdem, oft zum ersten Mal, die kompletten Biographien von bedeutenden Musikern jener Zeit: Conrad Paul Wusching (über den das ungarische Fernsehen vor wenigen Jahren eine umfangreiche Dokumentation produziert hat), Fritz Pauck (1886-1965), Wilhelm und Emmerich Schwach, Andor Arató, Géza Neidenbach und Martin Metz (1933-2003). Noch zur Zeit dieses letzten langjährigen Kantors der katholischen Pfarrkirche, der die Tradition des Lugoscher Gesang- und Musikvereins fortgesetzt hat, wurden große Musikwerke regelmäßig durch den Kirchenchor und das Kirchenorchester aufgeführt. Die meisten ehemaligen Mitglieder dieses Kirchenchors leben heute noch in Deutschland.
Das Buch enthält auch die erste komplette Biographie des Pädagogen, Politikers und Musikers Dr. Josef Willer (1884-1972), eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt Lugosch, dessen Klavier- und Violinschüler heute weltweit als Musiker tätig sind. Auch sein Wirken als Politiker und Parlamentarier in Bukarest in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird eingehend beleuchtet. Spannender kann Musikgeschichte nicht sein. Der größte Teil des Buches beleuchtet jedoch die Tätigkeit des Lugoscher Gesang- und Musikvereins. Obwohl dessen umfangreiches Archiv durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs gänzlich verlorenging, konnte der Autor auf die im Jahr 1902 (50 Jahre nach der Gründung des Vereins) verfasste Monographie des Lehrers Moritz Rosenzweig zurückgreifen. Auch die Jahresberichte des Vereins wurden zusätzlich zu Hilfe genommen. Zahlreiche Fußnoten und Anmerkungen ergänzen den originalen Wortlaut Rosenzweigs.
Da sämtliche Dirigenten des Gesangs- und Musikvereins als Kirchenmusiker der katholischen Pfarrkirche tätig waren, erhält die Kirchenmusik einen breiten Raum. Ein besonderes Charakteristikum der kirchenmusikalischen Tradition in Lugosch ist das multikonfessionelle und interreligiöse Mit-einander. So sangen etwa im katholischen Kirchenchor nebeneinander deutsche, ungarische und rumänische Musiker. Neben vielen anderen trat auch der berühmte Opernsänger Traian Groz˛vescu hier auf, oder der Kantor der Synagoge, Géza Citrom.
In der kommunistischen Nachkriegszeit war man im Kirchenchor, im Bewusstsein der einstigen Tradition, bestrebt, etwas vom einstigen musikalischen Reichtum der Musikstadt Lugosch für künftige Generationen zu retten. Viele Dokumente dieses vergessenen und verschwiegenen Bereichs des Musiklebens konnten aber erst nach 1990 wiederentdeckt werden. Dank der Recherchen von Franz Metz gelangt ein Teil dieser Schätze mit diesem kurzweilig geschriebenen Buch nun an die interessierte Öffentlichkeit.