Hermannstadt – „Die Zeiten haben sich geändert. Ob im guten oder schlechten Sinn, soll jeder für sich selbst entscheiden“, prägte Daniel Cautnic Freitagnachmittag, am 21. Januar, dem Publikum im Deutschen Kulturzentrum Hermannstadt/Sibiu ein. Und er sagte es nicht einfach so belanglos dahin, sondern mit der vollen Erfahrung eines Dichtenden und Schreibenden im Rücken. Auf die spannend erwartete Vorstellung seines 120 Seiten starken Büchleins „Erzähl mir eine Geschichte über…“ hatte er sich genauso eifrig wie auf das Notieren seines Erstromans in Versform vorbereitet. Schriftstellerin Judith Kerr (1923-2019), 1974 als Autorin des über eine Million Mal verkauften Buches „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet, ist das Vorbild von Daniel Cautnic, Schüler der 11. Klasse am Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium Hermannstadt.
„Einen Roman in Versform für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2022“ hatte Daniel Cautnic schreiben wollen, um endlich genau den offenen Satz, der ihm seit 2018 keine Ruhe mehr lässt, als Titel eines Buches auf den Markt zu bringen. Dass er „Lyrik liebt“ und ihm die Pandemie ein ganz neues Leseverständnis der Kurzgeschichte „Die Küchenuhr“ von Wolfgang Borchert brachte, mag sein sehr kühnes Vorhaben nur bestärkt haben. Deutschlehrerin Alina Lavinia Helbet war mächtig erstaunt, riet ihm aber nicht davon ab. Natürlich sollte daraus nicht mehr als ein Taschenbuch im lokalen Hermann-Verlag werden. Es hätte schon im November 2021 im Erasmus-Büchercafé präsentiert werden sollen, wäre nur die Pandemie nicht unliebsam dazwischengefahren. Doch zu Ende der ersten Woche im zweiten Semester des Schuljahres 2021/2022 schien die Luft im Deutschen Kulturzentrum Hermannstadt genügend rein für Daniel Cautnic und seinen Fanclub.
Auch Schriftsteller Carol Neustädter und sogar Mathematiklehrerin Carmen Reich-Sander mischten sich unter seine Zuhörenden. Jakob Alberg ist Hauptperson des fiktiven Romans in Versform „Erzähl mir eine Geschichte über…“, worin Daniel Cautnic das Leben von Jugendlichen seiner Gegenwart schildert. Traumata, Dramen vieler Art und das Schürfen im Unterbewusstsein – alles oder zumindest das meiste, was Teenager im Alltag unter Erwachsenen vermissen, kommt darin zur Sprache. Tabus? Daniel Cautnic macht sich nichts aus ihnen. „Die wie mit Kohle gezeichneten Augen / Könnten zum Verlies taugen. / Seine schwarzen ungebändigten Locken / Lassen alle Münder trocken“, wie ein anderer Junge in der Wahrnehmung Jakobs auftritt.
Daniel Cautnic hat bereits versprochen, weitere Bücher folgen zu lassen, „aber nicht in Prosaform“. In der eigentlichen Berufsfrage habe er anfangs mit dem Medizinstudium liebäugelt, doch hätten ältere und darin schon erfahrene Freunde ihm davon abgeraten. Zu hoch der Stress, meint Daniel Cautnic vorzeitig abgeklärt. Um seine gesundheitlich bedingt eingeschränkte Belastbarkeit weiß er genau Bescheid. Leider muss er seinen Wunschberuf Psychiater aufgeben. Aber zum Berufsdiplomaten soll es, wenn möglich ausreichen, denn „so hilft man nicht nur einzelnen Patienten, sondern der ganzen Welt!“ Ein hehres Ziel, mitten in der aktuellen Ukraine-Krise mutig solche Vorstellungen zu äußern? „Probleme, die Erwachsene lösen müssen!“
„Jugendliche wie Daniel geben uns allen Hoffnung!“, sprach Alina Lavinia Helbet begeistert aus, die „heute nicht als Lehrerin, sondern als Be-gleiterin und Unterstützerin“ dabei war. Schulleiterin Monika Hay als Erstrednerin der Buchvorstellung mag bestimmt genauso gedacht haben. Daniel Cautnic für seinen Teil steht in einer großen Tradition, der zuliebe vieles entbehrt sein möchte.