„Christenmensch, sei gut!“

Eindrucksvolle Weihnachtsfeier der ehemaligen Russlanddeportierten

Temeswar - „Alle Vereine dieser Welt, ob Gesangs- oder Sportverein, wurden aus Freude am Leben gegründet. Nur unser Verein kam durch schweres Leiden zustande!“ So Ignatz Bernhard Fischer, der noch rüstige Vorsitzende des Landesvereins der ehemaligen Russlanddeportierten im Festsaal des Temeswarer AMG-Hauses zum Anlass der traditionellen Weihnachtsfeier der Temescher Mitglieder dieses Vereins.

„Wir sind ein Mahnzeichen für die Welt“ erinnerte der 86-Jährige – Fischer wurde am 2. Oktober 1926 in der banatschwäbischen Gemeinde Bakowa geboren – seine zum Großteil gleichaltrigen Leidensgenossen, Verwandten und Gäste an den tieferen Sinn und die Botschaft dieses Vereins an Gegenwart und Zukunft. Mit von der Partie waren nicht nur die Jahr für Jahr wenigeren Zeitzeugen, sondern auch etliche Ehrengäste und langjährige Freunde des Vereins. So Klaus Christian Olasz, der deutsche Konsul in Temeswar, Elke Sabiel, die Ehrenvorsitzende des Landesvereins oder Karl Singer, Vorsitzender des DFDB, die auch jeder eine Grußbotschaft verlasen.

Mit Herz und Seele dabei war wieder einmal auch Dr. Christoph Bergner, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Vorsitzender Fischer verlas dessen einfühlsame Grußbotschaft und sprach im Namen aller den Dank aus für die auch heuer erfolgte großzügige finanzielle Unterstützung durch das BMI für das Zustandekommen dieser landesweiten Feier mit schönen Weihnachtsgeschenken. „Die Adventsfeier ist keine Zeit der Trauer“ oder „Ich möchte Ihnen zusichern, dass der Bundesregierung Ihr Schicksal bewusst ist und Sie im Rahmen der Möglichkeiten weiterhin unterstützen wird“ So zwei der einfühlsamen, weihnachtlichen Gedanken aus der zukunftsweisenden Botschaft von Dr. Bergner, seit Jahren ein wahrer Freund dieses Vereins.

Auch 67 Jahre, also ein Menschenleben, danach, ist das Erinnern und das Wachhalten des kollektiven Gedächtnisses, eine höchst wichtige Angelegenheit des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, obwohl das gleichzeitig auch eine schwierige und traurige Arbeit ist: Im Januar 1945 wurden etwa 80.000 Deutsche aus Rumänien, darunter auch 33.000 Banater Schwaben, in die ehemalige Sowjetunion, zum Großteil in die Bergwerke und in die Schwerindustrie der Ukraine, auch an den Ural oder in den Kaukasus, deportiert. Es ist heute kein Tabu-Thema mehr, wie das vom kommunistischen Regime bis Ende 1989 dekretiert war.

Dazu trug auch der am 23. Februar 1990 gegründete Verein entscheidend bei: 18 Prozent der Russlanddeportierten (Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen zwischen 18 und 30 Jahren) sind leider wegen der unmenschlichen Bedingungen der fünfjährigen Zwangsarbeit auf russischem Boden geblieben. 40 Prozent der 1949 schwerkranken Entlassenen starben in den folgenden fünf Jahren. Der Verein zählte 1990 8000 Mitglieder. Laut Vorsitzendem Fischer zählen heute landesweit noch 1000 Mitglieder dazu, im Kreis Temesch 240, im Kreis Karasch-Severin 90 und im Kreis Arad noch 75. „Die Jüngsten der 112 Temeswarer Mitglieder sind 84, der älteste, Ladislaus Brücher, wird 98“, bekennt Ignatz Bernhard Fischer. Landesweit gibt es aber auch 60 Mitglieder, darunter fünf in der Begastadt, die in der ehemaligen Sowjetunion während der Deportation geboren wurden.

Für seine verdienstvolle Tätigkeit von über zwei Jahrzehnten für die Wahrung der Interessen und Rechte der ehemaligen Russlanddeportierten erhielt Ignatz Bernhard Fischer 2010 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Vorsitzender Fischer hoffte auch heuer, wie er das anlässlich jeder neuen Weihnachtsfeier tat, dass die Veranstaltung nicht die letzte sein wird.
Im Rahmen der Feier bot zur Freude der Versammelten ein Chor der Studenten von der Temeswarer Musikfakultät ein Konzert mit beliebten Weihnachtsliedern aus aller Welt dar. Es erklangen „Stille Nacht, heilige Nacht“ oder „Creştine, sa fii bun!“ (Christenmensch, sei gut!).
Diese Weihnachtsfeier, die heuer in der Begastadt wie in anderen Ortschaften des Landes veranstaltet werden konnte, geht bekanntlich den traditionellen Gedenkmessen und -veranstaltungen voraus, die im Januar, 68 Jahre danach, wie alljährlich lokal, in allen Landeskreisen geplant sind.