Deutschweißkirch - Das Kulturerbe im ländlichen Raum ist in Gefahr, so lautete die allgemein anerkannte These an diesem Tag. Die Gefahren sind vielfältig: in entvölkerten Dörfern droht Verfall; historische Gebäude werden abgerissen, weil sie heutigen Ansprüchen nicht genügen, oder aber Häuser werden modernisiert in einer Weise, die ihren Charakter und somit das Dorfbild zerstört.
Diese Diagnose trifft auf viele siebenbürgische Dörfer zu, sie lässt sich aber auch auf andere Teile Rumäniens anwenden, beispielsweise die Maramuresch, wie Prof. Paul Niedermeier anmerkte. Der Direktor des Hermannstädter Instituts für Geisteswissenschaften und Vorsitzende der Denkmalkommission Nr. 7 für Süd- und Ostsiebenbürgen ist Mitglied einer dreiköpfigen Expertenkommission, die im Auftrag des Mihai-Eminescu-Trust (MET) Ideen für eine nachhaltige Dorfentwicklung zusammen tragen soll.
„Ländliches Kulturerbe – wohin? Lokale Initiative – Das effizienteste Schutzsystem!“ übertitelte der MET seine jüngste Initiative, die am vergangenen Freitag mit einer öffentlichen Anhörung in der Kirchenburg von Deutschweißkirch/Viscri begann. Privatpersonen und Organisationen waren eingeladen, ihre Meinungen und Vorschläge zum Ansatz der Stiftung zu äußern. 30 Besucher zählten die Organisatoren.
Der MET versuche seit zehn Jahren, die Idee des selbständigen Dorfes in Mustergemeinden umzusetzen, so Projektmanagerin Michaela Türk. Darauf aufbauend schlägt die Stiftung Maßnahmen vor, um mehr Entscheidungsgewalt in die Dörfer zu verlagern. Darunter sind die Kartierung aller historischen Gebäude, auch von Nichtdenkmälern, Veröffentlichung eines praktischen Ratgebers zum Kulturerbe, Ernennung von lokalen Bauaufsichten, Gewährung von Steuernachlässen bei korrekter Haussanierung, vereinfachte Ausstellung von Baugenehmigungen und die Organisation von Informations- und Beratungsgesprächen.
Die erste öffentliche Anhörung bezüglich dieser Vorschläge brachte keine Überraschung. Alle Teilnehmer sprachen sich für einen Erhalt des Kulturerbes aus, wobei besonders die sozialen Aspekte betont wurden. Insgesamt elf Organisationen und Einzelpersonen beteiligten sich, informierte Türk, von denen sechs ihre Meinungen persönlich vortrugen, darunter eine Vertreterin der Metropolagentur Kronstadt, die Vereine „Viscri Începe“, „Împreună pentru dezvoltarea comunităţii“ und „Zarand“ sowie zwei Bewohner aus Deutschweißkirch. Die Mitglieder der Expertenkommissionen, neben Niedermeier waren es noch Dr. Mihai Pascu, Präsident der Agentur für nachhaltige Entwicklung des Kreises Kronstadt, und Dr. Andrei Mulţescu, Mitglied des rumänischen Kommittes im Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), hinterfragten diese und hielten die Meinungen fest.
Die Expertenkommission fasst die Eingaben in einem Bericht zusammen. In zwei Wochen wird laut Türk der Abschlussbericht vorgestellt. Ähnliche Veranstaltungen wie jetzt im Vorzeigedorf Deutschweißkirch sind auch für das kommende Jahr geplant.
Für den MET sei es wichtig, nicht nur als alleiniger Wortführer auf diesem Gebiet aufzutreten, sondern auch Rückmeldung und Bestätigung von Seiten der Bevölkerung und gesellschaftlichen Vertretern zu erhalten, sagte Organisatorin Türk nach der Anhörung. In manchen Dörfern wirke die Stiftung „wie ein Alien, das komische Meinungen hat und komische Vorschläge“.