Kulturerbe – wahrgenommene Aufgabe

Beim 23. Sachsentreffen am Samstag in Schäßburg notiert

Bischof Reinhart Guib (Mitte) und die Pfarrer László-Zoran Kézdi und Hans-Bruno Fröhlich gestalteten den Gottesdienst.

Am Burgplatz wurden Volkstänze geboten.

Zu den Gästen des Sachsentreffens gehörten u.a. der deutsche Botschafter Werner Hans Lauk, der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr, der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ, Josef Karl, Leiter des Kulturreferats der deutschen Botschaft und der DFDR-Ehrenvorsitzende Dr. Paul Philippi.

Die Honterusmedaille für den Beitrag zum Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft überreichte Martin Bottesch (l.) an Dr. Karl Scheerer.

Sächsisches Liedgut sangen unter Leitung von Edith Toth vereinte Singgemeinschaften aus Schäßburg, Hermannstadt und Mediasch und das Publikum.
Fotos: Hannelore Baier (3), Andrey Kolobov (2)

Schäßburg/Sighişoara ist die einzige von Siebenbürger Sachsen geprägte Stadt, deren Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Nach dem Beschluss des Siebenbürgenforums, das seit 1990 alljährlich im September veranstaltete Fest der in Siebenbürgen verbliebenen Sachsen und ihrer Freunde in dieser Stadt auszutragen, lag es auf der Hand, das Kulturerbe in den Mittelpunkt zu stellen. Auf das Bewahren des Kulturerbes aber auch auf die Semantik der beiden ins Motto „Kulturerbe – Gabe und Aufgabe“ aufgenommenen Begriffe, gingen die Redner im Gottesdienst und der Festveranstaltung ein. Mit der Honterus-Medaille gewürdigt wurde eine Persönlichkeit, die sich um den Erhalt des Kulturerbes besonders verdient gemacht hat. Der Nieselregen und die Kälte hinderten jedoch viele der Festteilnehmer daran, die Sehenswürdigkeiten der Altstadt auch zu besichtigen und auch der Trachtenaufmarsch der Tanzgruppen und deren Darbietungen am Burgplatz konnten nicht richtig zur Geltung kommen. Das Siebenbürgen- und das Schäßburger Forum verdienen jedoch Lob für das Organisieren des schönen Festes mit vielseitigem und reichhaltigem Angebot.

Wie jedes Sachsenfest, so begann auch jenes am Samstag mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche, die bis auf den letzten Stehplatz voll war. Musikalisch vom Schäßburger Kirchenchor und dem Organisten Theo Halmen begleitet, hatte man im Heltauer Stadtpfarrer László-Zoran Kézdi einen Schäßburger als Liturgen. Die Predigt hielt der Schäßburger  Stadtpfarrer Hans-Bruno Fröhlich. Reinhart Guib, der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, ging in seinem traditionellen Wort als erster Sprecher auf die Bedeutung der Wahrung des Kulturerbes für das Selbstverständnis als evangelische Siebenbürger Sachsen ein. Er erwähnte die Restaurierungen an 18 Kirchenburgen aus EU-Mitteln und dass heuer fast 30 Einweihungen von Kirchen, Kirchenburgen, Orgeln u. a. Kulturgut stattgefunden haben. Die langfristige und nachhaltige Rettung des einmaligen Kulturerbes seien „Sinn und Motivation“ des Tourismusprojekts „Entdecke die Seele Siebenbürgens“, Projekt, das 2014 ausgebaut werden soll, so Bischof Guib.  

Gabe und Aufgabe

Dass das Kulturerbe der Siebenbürger Sachsen reich und die Kirchenburgenlandschaft einzigartig in Europa sind, betonte Dr. Paul-Jürgen Porr in seinem Grußwort in der vom Siebenbürgenforumsvorsitzenden Martin Bottesch moderierten Festveranstaltung im barocken Festsaal des Rathauses. Das Grußwort erbrachte Dr. Porr, bis März d. J. der Siebenbürgenforumsvorsitzende, nun als der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Dem Treffen beigewohnt haben nicht bloß Vertreter der sächsischen Gemeinschaften von Kronstadt/Braşov bis Klausenburg/Cluj, sondern auch Vorstandsmitglieder aus den anderen Regionen, in denen Rumäniendeutsche leben. Zu den Gästen gehörten desgleichen der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ, Unterstaatssekretärin Christiane Cosmatu, der DFDR-Ehrenvorsitzende Dr. Paul Philippi, der deutsche Generalkonsul Thomas Gerlach und der Kulturreferent der österreichischen Botschaft Jürgen Heissel Der deutsche Botschafter Werner Hans Lauk bezeichnete die Siebenbürger Sachsen in seinem Grußwort als „die traditionsreichste Gruppe der Rumäniendeutschen“, die ihre Identität und Kultur „trotz aller Brüche behalten“ hat. Christa Wandschneider sprach als Vertreterin des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und deren Föderation die Zuversicht aus, dass „... wir auch in Zukunft unsere Kräfte gemeinsam bündeln und mit Mut und Begeisterung, Verantwortung und Willen“ das Kulturerbe sichern. Grußworte sprachen ferner Karl-Heinz Brenndörfer, der Vorsitzende des HOG-Verbands, der Schäßburger Bürgermeister Ioan Dorin Dăneşan und Stefan Gorczyca, der Vorsitzende des Schäßburger Forums.

In seiner Predigt ging Stadtpfarrer Fröhlich auf die Problematik der Kulturerbebewahrung ein, deren Spannungsfeld im doppelten Sinn des Begriffs Aufgabe – Aufgabe im Sinne etwas zu leisten oder Aufgabe als Zurücklassen – enthalten ist. Angesichts der stark geschrumpften Gemeinden fehlt es überall an Menschen, die das Erbe übernehmen und weiterführen können. Einer, der das beispielhaft getan hat, ist Dr. Karl Scheerer, der stellvertretende Vorsitzende des Siebenbürgenforums, der hierfür mit der Honterusmedaille gewürdigt wurde. Wie der Laudatio von Bischof emeritus D. Dr. Christoph Klein zu entnehmen, war die vorzeitige Pensionierung des seit 1957 in Deutschland lebenden vormaligen Leiters der Bildungsstätte am Sambachshof mit der Absicht verbunden, sich vermehrt in den Dienst der in der Heimat verbliebenen Landsleute zu stellen. Als Mitarbeiter der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung (e. V. Düsseldorf) und Vertrauter deren Geschäftsführers Uwe Stiemke konnte er zahlreiche Baumaßnahmen an Kirchenburgen aber auch an Gebäuden in Kircheneigentum umsetzen. Das größte Projekt, in das nahezu 2 Millionen Euro flossen, war die Sanierung und Neuausstattung der Bergschule/Joseph-Haltrich-Lyzeum. Die Idee dazu hatte seine Gattin Annemarie, eine geborene Bayerin, die mit nach Siebenbürgen kam und originelle und kluge Lösungen aufzeigte, wenn er zu resignieren drohte, wie Dr. Scheerer in seinen Dankesworten bekannte.

Kulturerbe

Dass das Kulturerbe weit mehr bedeutet als die imposanten Kirchenburgen, war dem hoch interessanten Festvortrag des Kunsthistorikers Frank-Thomas Ziegler zu entnehmen, der dabei mit manchem Mythos aufräumte. „Eine Gabe ist ein Geschenk, ... eine Aufgabe beinhaltet Verantwortung“ deutete der deutsche Botschafter Lauk das Motto des Treffens und sagte: „Aufzugeben kam für die Siebenbürger Sachsen in 850 Jahren nicht in Frage“. Dass das überlieferte Liedgut weitergesungen wird, bewiesen die beiden Singgruppen „Sälwerfäddem“ aus Hermannstadt und Schäßburg, die diesmal mit dem zum Sextett geschrumpften einstigen Männer-Gesangsoktett aus Mediasch zusammen, unter der Leitung von Edith Toth, in der Klosterkirche auftraten. Gesungen wurden sächsische Lieder, mit und ohne Publikum.

Von der Bistritzer Blaskapelle und jener aus Schäßburg voran marschierten die Trachtenpaare durch die Baier- und Mühlgasse zum kleinen Markt, wo das Festzelt stand und die Probstdorfer Kapelle den dort Speisenden Stimmung machte. Unter der Burg ging es zum Park am Marktplatz/Oberth-Platz zurück und unter dem Stundturm durch auf den Burgplatz. Trotz Regen standen die Zuschauer erwartungsvoll da und folgten den Autritten der Tanzgruppen aus Schäßburg, Sächsisch-Regen/Reghin, Neumarkt/Tg. Mureş,  Bistritz, Hermannstadt, Zeiden/Codlea sowie Korona aus Kronstadt und Enzian aus Reschitza. 

Auf das architektonische Erbe und dessen Pflege in Schäßburg machte Dr. Christoph Machat, ICOMOS-Experte und Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, bei einer Burgführung aufmerksam. Beweise für das Fortführen handwerklicher Traditionen boten u. a. die Stickereien der Handarbeitskreise, geistiges Gut ist in Büchern enthalten, die von drei Verlagen – Hora, Honterus und Schiller – herausgegeben werden. All dies war an Ständen zwischen Stundturm und Forumssitz zu sehen. Vor dem Regen konnte man sich in zwei Ausstellungen im Predigerhaus oder im Schmiedturm flüchten. Das Sachsentreffen stellte unter Beweis, dass das Bewahren des Kulturerbes als Aufgabe und nicht als Last betrachtet und als Chance wahrgenommen wird. Auch von der sehr klein gewordenen Gemeinschaft.