Temeswar (ADZ) – Ende 2022 hat das Bukarester Berufungsgericht in erster Instanz die IM-Tätigkeit des Temeswarer Universitätsprofessors, Historikers und Ex-Direktors des Kunstmuseums, Victor Neumann, als erwiesen anerkannt und dem Rat für das Studium des Archivs der ehemaligen „Securitate“ CNSAS recht gegeben. Die Behörde hatte das Gericht angerufen, um die eigene Entscheidung, wonach Neumann für die Securitate tätig gewesen war, zu bestätigen. Dies tat das Bu-karester Berufungsgericht Anfang November 2022, im Februar 2023 veröffentlichte es seine Begründung. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte Neumann im Februar Revision ein, doch vorige Woche erklärte eine Verwaltungskammer des Hohen Gerichts- und Kassationshofs (ICCJ) Neumanns Revision für null und nichtig und bestätigte indirekt das erstinstanzliche Urteil des Bukarester Berufungsgerichts. Die ICCJ-Entscheidung ist endgültig.
Wie die ADZ berichtete, soll Neumanns Zusammenarbeit mit der „Securitate“ 1977 begonnen haben, sie dauerte bis nach dem 1. Januar 1990 an, als der Historiker noch immer in Verbindung mit dem Auslandsgeheimdienst gewesen sein soll und für seine vor der Dezember-Revolution geleisteten Dienste bezahlt wurde. Insgesamt soll Neumann mindestens 52 Berichte verfasst haben, diese konnte die CNSAS-Behörde im „Securitate“-Archiv finden, die Gerichte folgten der Schilderung. Fünf Decknamen soll Neumann als Spitzel gehabt haben, nämlich „Hodoș Polixenianul“, „Hodoș Polixenie“, „Hodoș“ und „Hodos“ sowie „Nedelcu Robert“, einen Decknamen, den die „Securitate“ Ende 1989 für ihn verwendete. Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit der „Securitate“ habe Neumann 1977 mit seinem eigenen Namen unterschrieben. Damals war der 24-Jährige frisch Angestellter in der Geschichtsabteilung des Banater Museums und sollte zum einen seine Kollegen bespitzeln und zum anderen wertvolle Informationen von seinen Dienstreisen ins Ausland sammeln. Im „Securitate“-Archiv gäbe es eine einzige Akte, die unter Neumanns Namen firmiert, zusammengestellt wurde sie vom Auslandsgeheimdienst, das den aus Lugosch/Lugoj stammenden Historiker Ende 1989 für einen Dauer-einsatz im Ausland vorbereitete, vorzugshalber in der Bundesrepublik Deutschland. Als Spitzel taucht Neumann jedoch in elf anderen Akten auf, die der kommunistische Geheimdienst auf den Namen anderer Personen erstellt hatte oder die gewisse Themen gesondert behandelten.
Zwischen 1977 und 1989 soll Neumann schriftliche und mündliche Berichte abgegeben haben. Einer der durch Neumanns Spitzeleien zu leiden gehabt hat, war der geschätzte Historiker Florin Medeleț (1943 – 2005), der als Direktor des Banater Museums Ende der 1970er Jahre „konfuse“ und von der Parteilinie abweichende Studien verfasst haben soll, die laut Neumanns Berichten die „dako-römische Kontinuität auf dem Gebiet des Kreises Temesch und die fortwährende Präsenz des Rumänentums in der Region“ verneinten und dabei gegen die Richtlinien der Partei auf dem Gebiet der geschichtlichen Forschung verstoßen haben sollen. Auch soll sich Medele] in Gesprächen skeptisch zu diesen Themen geäußert haben, er soll die Tatsache angezweifelt haben, dass auf dem Gebiet des Kreises Temesch die rumänische Bevölkerung eine ständige Präsenz aufweisen könne. Die Studien und Äußerungen von Medele] konnten von der ausländischen, Rumänien gegenüber feindlich gesinnten, irredentistischen Geschichtsschreibung aufgenommen und benutzt werden, machte sich Neumann Sorgen, der sich in Gesprächen mit Kollegen und bei öffentlichen Veranstaltungen als äußerst linientreu gezeigt haben soll. Dass seine „Securitate“-Vorgesetzten dieselben Sorgen teilten, geht daraus hervor, dass auf den Namen von Medeleț eine Akte angelegt und dessen Verfolgung aufgenommen wurde. Die Aktion hieß „Castelanul“ („der Schlossherr“, auf Deutsch, wohl eine Anspielung darauf, dass das Banater Museum im Hunyadi-Schloss untergebracht war und Museumsdirektor Medeleț Hausherr war). Für den Richter des Bukarester Berufungsgerichts ist die „Castelanul”-Operation ein unmissverständlicher Beweis dafür, dass Neumanns Spitzeltätigkeit gegen die legitimen Persönlichkeitsrechte der Bürger verstoßen habe, eine Auffassung, die nun durch die Annullierung der Revision als endgültig anerkannt werden muss. Später lobte die „Securitate“ Neumann für seine Abwehraktionen im Ausland, er habe bei zahlreichen Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Österreich, Ungarn und Jugoslawien auf dortige Historiker und Forscher eingewirkt, diese von dem korrekten Standpunkt der rumänischen Geschichtsschreibung zu überzeugen versucht und wertvolle Informationen gesammelt, so zum Beispiel von der Friedrich-Ebert-Stiftung, von ungarischen und österreichischen Museen, Redaktionen und Bibliotheken. Für seine verdienstvolle Tätigkeit wurde Neumann 1989 befördert, seine Aktivitäten bezogen sich vermehrt auf das Ausland. So reiste er im Sommer 1989 nach Israel und nach Deutschland, im Oktober und November 1989 verweilte er in Bonn, wo er ein Stipendium bekommen hatte. Nach dem 1. Januar 1990 bekam er laut einer Quittung des neu gegründeten Auslandsgeheimdienstes SIE 100 Dollar, hierbei handelte es sich um die Bezahlung von Diensten, die Neumann noch vor dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur geleistet hatte. Bisher hatte er immer wieder alle Anschuldigungen der CNSAS-Behörde verneint, sich lautstark dagegen gewehrt, Pressekonferenzen abgehalten und Gegendarstellungen verschickt.