Reschitza – Articain ist das heute von rumänischen Zahnärzten am häufigsten benutzte Anästhetikum. Der vom Gesundheitsministerium autorisierte Lieferant hat die Depots für Articain in Rumänien Anfang November geschlossen und nach Polen verlegt. Da die neuen Lieferwege nach Rumänien noch nicht stehen, müssen die Zahnärzte jetzt damit rechnen, dass bis März 2018 wahrscheinlich kein Nachschub dieses Betäubungsmittels eintreffen wird. Das bedeutet praktisch die Blockierung aller zahnärztlichen Aktivitäten den gesamten Winter 2017-18 über. Erst dann werden die Lieferungen an Articain (wahrscheinlich!) wieder aufgenommen. Da das Gesundheitsministerium dem Produzenten des Betäubungsmittels praktisch ein Monopol eingeräumt hat, gibt es auch kaum Notlösungen in dieser Zwangslage.
Dr. Raluca Soran, Zahnärztin und Präsidentin des Zahnarztkollegiums Karasch-Severin, sieht es von der schlimmsten Seite: „Uns droht nicht nur die Blockierung der Aktivitäten, das Leben von Patienten wird aufs Spiel gesetzt! Ohne dieses Betäubungsmittel ist es unmenschlich, selbst bloß einen Zahn zu ziehen, zudem riskiert der Patient eine Blutvergiftung. Das ist ein Schritt zurück ins Mittelalter, als der Friseur Zahnarzt war und, wie zu Moličres Zeiten, Zähne mit der Kneifzange gezogen wurden. Ohne Betäubungsmittel kann die Zahnheilkunde zusammenpacken!“
Die Lage sei alarmierend. Ihr und ihren Kollegen bleibe keine andere Wahl, als sich die Betäubungsmittel direkt aus dem Ausland zu beschaffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach teurer als bisher. „Schmerzfreie Behandlung ist normal und das gute Recht jedes Patienten. Die Krise in der Betäubungsmittelversorgung bringt alle zur Verzweiflung. Seit ein paar Wochen bereits ist sie immer akuter zu spüren. Momentan wurschtelt sich noch jeder Zahnarzt irgendwie durch, weil die meisten sich Vorräte angelegt haben. Aber wir sind auf der Suche nach Notlösungen. Ich habe für meine Kollegen eine Firma aus Rumänien gefunden, die Betäubungsmittel aus Deutschland importiert und diese zu in Deutschland marktüblichen Preisen absetzt: um gut 50 Prozent teurer als das bislang in Rumänien erhältliche Mittel. Es war ein großer Fehler des Gesundheitsministeriums, einer einzigen Firma das Liefermonopol für solche extrem nötigen Arzneien zu gewähren. Hätte man mehrere Versorger oder Produzenten ermutigt, den rumänischen Markt zu bedienen, hätten wir Konkurrenz und Alternativlösungen. Darin sehen wir auch die Lösung für die Zukunft und zur Vermeidung des neuerlichen Auftretens einer solchen Situation“, so Dr. Soran.
Sicher können die Zahnärzte auch auf frühere Mittel zurückgreifen (z.B. Xilin-Phiolen, allerdings mit häufigeren Gegenreaktionen), doch verlangen diese auch vom Zahnarzt viel mehr Erfahrung und ein gutes Beherrschen der Injektionstechnik mit Einwegspritzen, die mit dem Zahnfleisch grundsätzlich weniger zart umgehen.
Inzwischen hat das Nationale Kollegium der Zahnärzte an die Regierung Rumäniens ein Aide Memoire gerichtet und die heikle Lage dargelegt. Zwischendurch „beruhigt“ aber auch die Nationale Agentur für Arzneien: die aus Rumänien abgezogene Firma komme ja im Frühjahr zurück... Und eine französische Firma werde fürs Erste noch im November 16.000 Phiolen Articain liefern. „Die Franzosen haben uns geschrieben“, erklärte die Sprecherin der Nationalen Agentur für Arzneien, Anca Crupariu, „dass sie auch mit anderen zahnärztlichen Mitteln auf den rumänischen Markt zu kommen gedenken.“ Niemand kann aber sagen, welches das reale Verbrauchsvolumen des fehlenden Betäubungsmittels in einem Monat in Rumänien ist... geschweige denn, ob die französische Firma einen Monatsverbrauch Rumäniens konstant sichern kann.