32. Ausgabe des Deutschen Kinder Medien Festivals „Goldener Spatz“

Gewinnerfilm „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ überzeugte die Kinderjury

Die Kinderjury mit dem Thüringer Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow (Mitte) | Fotos: Goldener Spatz

Mit nur zehn Jahren meisterte Theo Kretschmer (l.) die schwere Rolle eines am Asperger-Syndrom leidenden Jungen, die ihm die Trophäe für den besten Darsteller gewann. Neben ihm im Bild die Goldener-Spatz-Maskotte und die Festivalleiterin, Elisabeth Wenk

Der „Goldene Spatz“ ist das wichtigste Festival für deutschsprachige Kindermedien. Jedes Jahr werden das junge Publikum und Fachleute dazu eingeladen, sich einen Überblick über qualitativ hochwertige deutschsprachige Film- und Fernsehproduktionen sowie digitale Angebote für Kinder zu verschaffen. Dabei werden die besten Produktionen für Kinder prämiert. Über die Auszeichnungen entscheidet die Zielgruppe selbst: die Kinder, über Kinderjurys.

Die 32. Ausgabe des Deutschen Kinder Medien Festivals „Goldener Spatz“ lockte tausende Kinobesucherinnen und -besucher und über 600 akkreditierte Film- und Fachgäste in über 112 Veranstaltungsformaten zu einem vielfältigen Medienerlebnis vom 2. bis zum 8. Juni nach Gera und Erfurt, Deutschland.

Dieses Jahr feierte nicht nur das Deutsche Kinder Medien Festival sein 45. Jubiläum, sondern es wurden auch der 125. Geburtstag des deutschen Schriftstellers Erich Kästner und der 65. der deutschen Kindersendung und längsten Fernsehserie der Welt „Unser Sandmännchen“ im Rahmen des „Goldenen Spatzes“ begangen.

Mit der Preisverleihung am 7. Juni im Zughafen Kulturbahnhof Erfurt erreichte das Festival seinen Höhepunkt. Durch die Veranstaltung führte die Moderatorin Clarissa Corrêa da Silva. Insgesamt wurden 10 Preise vergeben – davon sieben in der Farbglashütte Lauscha handgefertigte Vollglasspatzen durch die Kinderjurys. Die Kinderjury Kino-TV, die sich aus 27 Kindern im Alter zwischen neun und 13 Jahren aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich, Südtirol, Luxemburg, aus der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der deutschen Minderheit in Dänemark, sowie aus Temeswar/Timișoara, Rumänien zusammensetzt, hat während der Festivalwoche alle 35, in fünf Kategorien nominierten Wettbewerbsbeiträge gesichtet und die Preisträgerinnen und Preisträger ausgezeichnet. Weitere fünf junge Mitglieder der Kinderjury DIGITAL prämierten das beste digitale Medienangebot aus insgesamt sechs nominierten Beiträgen. 

Daneben wurden drei Sonderpreise ausgelobt, der Publikumspreis, der mit 4000 Euro dotierte Preis des Mitteldeutschen Rundfunkrates (MDR) für das beste Drehbuch und der 1500 Euro hohe Geldpreis des Thüringer Ministerpräsidenten für den Regisseur oder die Regisseurin des Gewinnerfilms in der Kategorie Langfilm.

„Das Festival bot zahlreiche neue innovative Formate, sowohl für das junge Publikum als auch für die Fachwelt. Das vielfältige Festivalprogramm präsentierte eine große Bandbreite an Fach- und Rahmenveranstaltungen, Beiträgen, Genres, Themen sowie Ideen und unterstrich einmal mehr die Bedeutung qualitativ hochwertiger Kindermedien, vor allem deren Stellenwert in unserer Gesellschaft. Die von den Kinderjurys vergebenen Preise zeigen sehr deutlich, welche Themen Kinder heute bewegen und wie ernst sie ihre Aufgabe als Jurorinnen und Juroren nehmen“, hob Festivalleiterin Elisabeth Wenk hervor.

Preisträger

Der große Gewinner der diesjährigen Ausgabe des Festivals war der Spielfilm „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ (Deutschland/Vietnam/Mongolei/Brasilien 2023), in der Regie von Johannes Honsell, der von einer Schnitzeljagd der Titelgestalt um die Welt auf der Suche nach den „fliegenden Flüssen“ handelt. Ihm wurde die Trophäe für den besten Langfilm verliehen, „weil er ein informatives Abenteuer war, bei dem die Spannung durchgängig gehalten wurde“, so die Begründung der Jury. Ebenso gefiel der Jury die Vielfalt der Handlungsorte, die auch als Inspiration dienen, neue Kulturen und Orte kennenzulernen und die Botschaft des Films, die Luft mehr wertschätzen und schützen. Dieser Preis ist mit dem 1500 Euro dotierten Sonderpreis des Thüringer Ministerpräsidenten verbunden, der an das Produktionsteam des Films megaherz GmbH ging.

Zum besten Darsteller wurde Theo Kretschmer gekürt, der einen am Asperger-Syndrom leidenden Jungen namens Tom im Film „Grüße vom Mars“ (Deutschland 2024, Regie: Sarah Winken-stette) gespielt hat. Tom wird von seinen Freunden bei ihren Großeltern in Lunau eingeladen. Der Ort im hohen Norden kommt den Kindern aus der Stadt vor wie ein fremder Planet. Für den kleinen Tom bedeutet der Aufenthalt aber auch eine Chance: Er sieht den Ort als eine Art Testlauf für sein nächstes großes Ziel: Er will zum Mars reisen. „Wir haben uns für Theo Kretschmer entschieden, da er eine schwere Rolle mit Trauma und Krankheit bekam und trotzdem eine breite Palette an Emotionen zeigte, welche sehr realistisch rüberkamen“, heiß es in der Begründung der Jury.

Den Goldenen Spatz in der Sparte Kurzfilm erhielt „Farah“ (Deutschland 2023, Regie und Drehbuch: Alissa Jung), da er verschiedene wichtige Themen wie Mobbing, sexuelle Belästigung und Krieg behandelt. „Er war trotz allem spannend, lustig und lehrreich und hat es in der Kategorie mit den meisten Konkurrenten geschafft, sich durchzusetzen und zu gewinnen“, betonte die Kinderjury. Darin lernen ein Mädchen aus Deutschland und ein Mädchen aus Syrien, durch ihre Freundschaft für sich selbst und für andere einzustehen. 
Die Trophäe in der Kategorie Serie Animation ging an „Fritzi&Sophie – grenzenlose Freundschaft“, Folge „Eine Reise, die alles verändert“ (Deutschland 2024, Regie: Matthias Bruhn, Ralf Kukula, Thomas Meyer-Hermann) nach dem Kinderbuch „Fritzi war dabei“ von Hanna Schott. Basierend auf dem Kinoanimationsfilm Fritzi – Eine Wendewundergeschichte (2019), der die Friedliche Revolution 1989 in Leipzig aus der Sicht eines 12-jährigen Mädchens schildert, vertieft die TV-Serie die Themen des DDR-Alltags und erzählt parallel die Geschichte von Fritzis Freundin, Sophie, die mit ihrer Mutter die dramatische Flucht in den Westen wagt, um in der BRD ein neues Leben zu beginnen. Diese hat der Kinderjury zufolge einen Goldenen Spatz verdient, da sie „das wichtige Thema des geteilten Deutschlands aufgreift und schön und verständlich umsetzt. Die Geschichte wurde sowohl mitreißend und spannend als auch informativ und emotional erzählt. Dadurch, dass die Folge durchgehend aufregend blieb, fiebert man immer mit“.

Der Vollglasspatz in der Abteilung Information/Dokumentation/Dokumentarfilm wurde „Logo! Extra: Kinder in der Ukraine – Ein Jahr im Krieg“ (Deutschland 2023) beschert. Darin reiste Regisseur Sherif Rizkallah im Fe-bruar 2023, ein Jahr nach Kriegsbeginn, in die Ukraine und sprach mit Kindern aus verschiedenen Städten. Dafür hat sich die Kinderjury entschieden, „weil der Krieg dort immer noch ein aktuelles Thema ist, welches nicht vergessen werden darf. Uns hat gefallen, dass aus der Sicht von Kindern berichtet wird, denen mehrere Jahre ihrer Kindheit gestohlen wurde“.

Zur unterhaltsamsten Sendung ernannt wurde „Elefant, Tiger & Kids: Folge 6“ (Deutschland 2023, Regie: Andrea Gentsch), in der drei Mädchen und drei Jungen bei ihrem Praktikum den Leipziger Zoo in allen Facetten entdecken. Die Serie beziehungsweise die Sendung fand die Kinderjury informativ für Klein und Groß, insbesondere durch das Quiz am Ende der Folge, wodurch die gemischten Teams geprüft werden und an dem auch die Zuschauer teilnehmen können. „Die Jugendlichen sind als (teilweise) gute Verlierer ein tolles Vorbild“, unterstrich die Jury.

Den Wettbewerb DIGITAL gewann „Mission 1929 – Freiheit unter Druck“ (Deutschland 2023, Pfeffermind Consulting und Weimarer Republik e.V.), ein Browser-basiertes Online-Game, bei dem Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren in das Berlin der frühen 1930er und in die letzten Jahre der Weimarer Republik eintauchen. Nicht nur vermittelt das Spiel Einblicke in die Weimarer Republik, sondern es ermöglicht auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten. Gleichzeitig sensibilisiert es für gegenwärtige demokratische Herausforderungen. Die Begründung der Jury lautete „Es ist ein einzigartiges Projekt, das lehrreich und unterhaltsam zugleich ist und uns mit der tollen Grafik und dem spaßigen Gameplay einfach nur überzeugen konnte. Dabei ist es auch noch komplett interaktiv. Es hat durchdachte Details und ein geschichtliches Thema mit aktueller politischer Bedeutung. Spiele solcher Art sollten mehr gefördert werden, um einen spaßigen und lehrreichen Schulunterricht zu gestalten“. 

Sonderpreise

Der mit 4000 Euro dotierte Urkunden-Preis für das beste Drehbuch wurde von der Jury des MDR-Rundfunkrates an die Deutsch-Kurdin Soleen Yusef für ihren autobiografischen Film „Sieger sein“ (Deutschland 2024) vergeben. 1996 floh sie als Neunjährige mit ihrer Familie aus dem Nordirak nach Deutschland. Ihre Fußball-Leidenschaft half ihr, sich an der rauen Weddinger Schule zu behaupten. „Der Autorin Soleen Yusef gelingt es, in einem fein austarierten Gleichgewicht von Unterhaltung und Ernsthaftigkeit viele relevante Themen zu behandeln, die gekonnt ineinandergreifen. Sie schafft es, die zahlreichen jungen Figuren vielschichtig darzustellen und hat für jede eine eigene Entwicklung parat. Auch das Konstrukt von Erwachsenen wird deutlich und in seiner Komplexität dargestellt. Die Protagonistin lebt von ihrer Direktheit und Stärke und ermöglicht allen Zuschauenden einen Blick in ihre Geschichte, die auch die vieler anderer ist“, hieß es in der Begründung der Jury.

Auch das Publikum durfte mitwählen und prämierte „Ellbogen“ (Deutschland/Türkei/Frankreich 2024, Regie: Asli Özarslan) als besten Jugendfilm. Die 17-jährige Hazal lebt in Berlin und hofft, im Leben weiter zu kommen als ihre Eltern. Vom Arbeitsamt werden ihr Trainingsprogramme vermittelt, in denen sie auf Vorurteile trifft. Als Hazal ihren 18. Geburtstag mit ihren besten Freundinnen feiern möchte, geschieht ein tödlicher Zwischenfall. Aus Angst flieht sie in die Türkei. In der ihr unbekannten Stadt Istanbul ist sie fortan auf sich allein gestellt. 
Besonders hob das Publikum dabei die Darstellung der Emotionen durch Melia Kara, die ihre Rolle der Hazal mit beeindruckender Intensität und Eindringlichkeit verkörpere, hervor. „Der durchgängige Rhythmus und die nachvollziehbare Entwicklung der Hauptfigur schaffen eine tiefe Verbindung zum Publikum. Vor allem das Ende wurde viel diskutiert, aber gerade das Ungewisse und Unerwartete macht diesen Film so einzigartig.“ 

Im kommenden Jahr findet das Festival vom 1. bis 7. Juni erneut in Gera und Erfurt statt.