„Alles Schritte, um Kreativität zu wecken“

Kinder berichten über ihre Erfahrung im Kunstworkshop des Jugendzentrums Seligstadt

Fotos: Cleopatra Cherecheș

Der in Hannover ansässige bosnische Künstler Edin Baijric hat in diesem Sommer zum zweiten Mal seine erfinderischen Ideen in den Dienst des Jugendzentrums Seligstadt/Seli{tat gestellt. Edin hat den Kindern im Bekokten/B²rcu] die Kunst der Cyanotypie (Eisenblaudruck, ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit blauen Farbtönen) vorgeführt, die Technik des Shadings näher gebracht, sie mit Packpapier und Kohle, ja sogar mit einem verkohlten Holzstück, Zeichnen gelehrt und ihnen allerhand weitere Tipps und Tricks zur künstlerischen Entwicklung mit auf den Weg gegeben.


Edin, was hat dich hierher  gebracht, in die Kinderuni, um mit Kindern zu arbeiten?

Ich arbeite auch in Deutschland mit Kindern, ich gebe Workshops und ich werde auch von der Stadt eingeladen, um Ferienprojekte zu entwickeln und anzubieten, für Kinder ab 6 bis 13,14.

Es hat mir aber hier sehr gefallen und ich würde gerne nächsten Sommer wieder kommen.

Du hast gesagt, du bereitest in Deutschland auch Studenten vor?

Ja, ich habe sieben Jahre lang an der Leibnitz Universität gearbeitet und habe dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter Studenten der Fakultät für Architektur unterrichtet.

Woher kommen deine Ideen, um all die Sachen zu tun, die du mit den Kindern hier machst?

Ich arbeite selbst mit diesen Techniken, mit der Blaudrucktechnik, der Cyanotypie. Cornelia hat mich hierher eingeladen und ich habe mehrere Vorschläge gemacht, was ich anbieten könnte, natürlich auch passend zum Wetter. Da haben diese Techniken gut gepasst, vor allem die Cyanytopie und die Frottage (Anm. Red.: Bei der Frottage wird die Oberflächenstruktur eines Gegenstandes oder Materials durch Abreiben mit Kreide oder Bleistift auf ein aufgelegtes Papier übertragen) kann man gut kombinieren.

Hat es dir gefallen, mit diesen Kindern hier zu arbeiten? Es sind hier viele rumänische Kinder, aber auch Ukrainer, die nicht so gut Deutsch sprechen.

Ja, ich wurde darüber informiert, wie die Gruppen zusammengestellt sind. Diesbezüglich bin ich aber sehr offen, ich wähle nicht, mit wem ich bevorzuge, zu arbeiten: Kinder, die nur gut Deutsch sprechen, damit wir kommunizieren können, oder nur in einem bestimmten Alter sind. Da bin ich total offen.

Mit wieviel Kindern arbeitest du normalerweise?

Meine Gruppen sind normalerweise Schulklassen, also rund 25 Kinder. Ich habe aber auch Projekte selber organisiert, beispiels-weise hatte ich ein Projekt „Unter meinem Dach“, bei dem 400 Kinder mitgemacht haben, es waren zehn Schulen, 20 Klassen für insgesamt drei Monate. Ein Projekt bis zur Ausstellung.

Vorher habe ich sehr oft mit Kindern gearbeitet. Jetzt sind es eher kurze Projekte, übers Wochenende oder während der Ferien. Oftmals passiert es, dass Kinder während der Ferien nirgendwo  hinfahren und da organisiert die Stadt kurze Projekte für sie. Da komme ich beispielsweise für fünf Tage und arbeite mit kleinen Gruppen. Es gibt auch Schulprojekte, wo ich als Künstler herangezogen werde, nicht als Lehrer. In meinem Atelier mache ich auch kleine Projekte. Da können Leute kommen und diese Technik, die wir hier gemacht haben, lernen und für drei Stunden oder einen Tag arbeiten. Es sind Jugendliche, Erwachsene, Eltern mit Kindern. Gleichzeitig habe ich zusammen mit zwei Kolleginnen viele Kunstprojekte und Ausstellungen organisiert, mit meinen Arbeiten, aber auch mit anderen Künstlern. Jetzt mache ich ein bisschen Pause. Das hier war wunderschön, wir haben hier gut gegessen und Spaß gehabt. Ich freue mich, dass ich hier war.

Deine Gruppe hier, 40 Kinder, war also nicht zu groß für dich….

Nein, war sie nicht, aber sie war sehr intensiv, weil die Kinder nicht wie üblich zwei Stunden die Woche für das Projekt kommen, sondern die ganze Zeit da sind. Wir haben uns jeden Tag getroffen und dadurch war es viel intensiver.

Gefällt es dir eigentlich in Rumänien?

Ich bin bereits das zweite Mal hier. Vor sechs Jahren war ich noch in Fogarasch bei einem Projekt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Da war es eher winterlich, mit Regen, Schnee und Kälte. Jetzt erlebe ich Rumänien im Sommer und es ist einfach wunderschön! Es erinnert mich an meine Heimat, aus der ich komme, an Bosnien. Ich finde es hier fast sogar einen Tick schöner! (lächelt) Hier, wo wir jetzt sind, in Bekokten, ist es super ruhig – so etwas kennt man in Deutschland fast gar nicht. Ob ich mir vorstellen könnte, hier zu leben? Na ja, wenn ich meine Kurse so organisieren könnte, dass ich von hier aus meine Ausstellungen und meine Arbeit machen kann, würde eigentlich nicht vieles dagegen sprechen, hier zu wohnen. Ich kenne nur Seligstadt, Bekokten und Fogarasch, mehr habe ich nicht gesehen oder besucht.

Du musst unbedingt Bukarest sehen, auch Klausenburg, Temeswar, mehrere Städte….

Ja, das wären meine nächsten Ziele, auf jeden Fall.

Und seit wann hast du begonnen, diesen Weg der Kunst zu gehen?

Dieser Weg war für mich irgendwie klar. Als Kind habe ich bereits viel gemalt, habe gebastelt und hatte immer schon eine sehr enge Verbindung zur Natur: ich hatte viele Haustiere, habe viel gesammelt in der Natur. Das alles ist geblieben und ich benutze es für meine Kunst.

Als ich in deinem Alter war, mit 13, bin ich nach Deutschland gekommen, bin ganz normal zur Schule gegangen und mit 16-17 musste ich mich entscheiden, in welche Berufsrichtung ich gehen möchte. Viele Berufe haben mir nicht gefallen, ich wusste, dass ich kreativ sein möchte. Ich habe mein Abitur gemacht und wusste dabei bereits mit 17-18, dass ich Kunst studieren möchte. Mit 27 hatte ich mein Diplom. Ich arbeite also seit 17 Jahren als Künstler und habe auch Freude an meiner Arbeit.

Hast du jemals daran gedacht, auch einen anderen Beruf auszuüben?

Also… bevor ich mich für Kunst entschieden habe, dachte ich, vielleicht Friseur zu werden, das ist ja auch kreativ. Oder vielleicht als Gärtner zu arbeiten – aber da ist man ja die ganze Zeit draußen, darauf hatte ich auch keine Lust. Ich bin gerne draußen, aber nicht immer. Und mein ganzes Leben Haare schneiden war auch keine Option. Es gab also keine andere Wahl, als Künstler zu werden.

Wie toll! Aber kannst du davon auch leben?

Na ja, nach meinem Studium musste ich immer einen Nebenjob haben. Ich habe in einem Altersheim gearbeitet und habe alten Menschen geholfen beim Waschen, Anziehen – fast zehn Jahre lang. Aber parallel habe ich immer meine Kunst gemacht. Danach habe ich diesen Job an der Universität gekriegt, wo ich sieben Jahre lang gearbeitet habe. Aber nur Halbzeit, also zwei Tage die Woche – die anderen drei war ich im Atelier. Seit drei Jahren bin ich nur noch Künstler, ich habe keinen Vertrag, mit niemandem, und mache solche Projekte wie diese hier.

Mir hat die Frottage sehr gefallen. Die Gruppenarbeiten  waren auch sehr toll organisiert.

Weißt du, jeder Mensch will nur sein Bild machen. Aber wenn du eine Gruppenarbeit machst, musst du dein Bild aufgeben und jemandem anderen auch vertrauen. Es ist schön, manchmal nicht immer zu sagen „meins, meins, meins“, sondern einfach abzugeben. Oder zusammen ein Werk zu kreieren.

Für uns ist die Gruppenarbeit sehr toll, weil bei uns in der Schule musst du nur deine Arbeit machen und Punkt. Es wird sehr wenig Gruppenarbeit gemacht.

Schau, was ich mit der Frottage gemacht habe, kannst du auch mit Zeichnen oder mit Malen tun. Ich beginne mein Bild, male ein bisschen und dann gebe ich mein Bild weiter. Am Ende hast du sicherlich eine Überraschung mit deinem Bild, mit dem, was die Kollegen alles damit gemacht haben.

Ich war auch voriges Jahr in der Kinderuni, aber dieses Jahr ist es viel toller. Diese Sachen mit Zeichnen, mit Schatten waren sehr toll.

Kinder, das freut mich.

Was möchtest du in diesen Workshops den Kindern eigentlich weitergeben?

Ich glaube, viele Kinder werden später verstehen, was sie hier gemacht haben. Es sind alles Schritte, um Kreativität zu wecken und keine Angst vor einem weißen Papier zu haben. Manchmal, in der Schule, erhalten die Kinder ein weißes Papier und ein Thema und blockieren sich gleich. Besser sagt man: Bitte, ein weißes Papier, macht eine Frottage und wir versuchen, beispielsweise eine Landschaft zu machen. Aber erstmal muss man ein bisschen spielen und ausprobieren. Und genau das haben wir hier gemacht. Es gab ja kein Falsch oder Richtig. Alles war interessant. Und 40 Schüler bzw. 120 Frottagen zu betreuen, ist auch nicht wenig.