Angebote für 18- bis 35-Jährige und Jugendliche der deutschen Minderheit

Dr. Evelin Hust, Leiterin des Goethe-Instituts, stellt ihre neuen Themenschwerpunkte vor

Dr. Evelin Hust

Seit dem Sommer 2015 leitet Dr. Evelin Hust das Goethe-Institut in Bukarest. Zuletzt war sie in der Zentrale in München für den Arbeitsbereich Gesamtstrategie verantwortlich, davor hat sie mehrere Jahre das Institut in Bangalore/Indien geleitet. Für Bukarest hat sie sich bewusst entschieden. Zur Vorbereitung hatte sie von München aus Gelegenheit, nach Bukarest zu fliegen und in Jassy/Iaşi einen zweiwöchigen Sprachkurs zu absolvieren. Welche Eindrücke sie bisher gewonnen hat und vor allem, welche Pläne sie für die Kulturarbeit in Rumänien umsetzen möchte, darüber hat sie mit unserer Redakteurin Angelika Marks gesprochen. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass für dieses Jahr einige Projekte unter der Federführung der stellvertretenden Institutsleiterin, Frau Christa Ganterer, verwirklicht werden sollen, die gerade auch für die deutsche Minderheit in Rumänien interessant sein dürften und deren Ziele sie unserer Zeitung im Anschluss erläutert.

Frau Dr. Evelin Hust, Sie sind nun bereits seit einem halben Jahr in Rumänien. Welches sind Ihre ersten Eindrücke von Ihrer Arbeit hier und was sind die Ziele, die Sie sich gesteckt haben?

Frau Dr. Evelin Hust: Besonders beeindruckt haben mich die Unterschiedlichkeit der Städte und das Reisen im Land. Jede Stadt hat ihren eigenen Charakter. Bisher war ich in Jassy, Hermannstadt, Klausenburg, Temeswar und Kronstadt, nicht zuletzt um unsere einzelnen Kulturzentren zu besuchen. Von daher finde ich es richtig, dass auch das eigene Kulturprogramm zur Stärkung der eigenen Identität von den Zentren relativ eigenständig entwickelt wird. Um nur ein Beispiel zu nennen, werden von Jassy bevorzugt Programme für Musiktourneen entwickelt, da das Angebot hier nicht so breit ist wie in Bukarest. Das heißt, die Zentren können ihre eigenen Schwerpunkte setzen. Aber es gibt übergreifende Themen und wir haben auch die Möglichkeit, Programme auszutauschen bzw. auf Wanderschaft zu schicken.

Direkt unterstützt werden natürlich die Festivals wie das Theaterfestival in Hermannstadt. Aus Hermannstadt kam auch die Anregung für unsere nächste Lesung. Für die nächsten drei Jahre werden wir einen Literaturschwerpunkt setzen, da hier wegen der Schließung des Buchinformationszentrums der Frankfurter Buchmesse 2013 eine Lücke entstand, die vom Goethe-Institut nun kompensiert werden soll. Außerdem wollen wir vermehrt Online Ressourcen zur Verfügung stellen, die auch von den Kulturzentren besser genutzt werden sollen. Wir denken da an einen Literaturblog, auf dem wir regelmäßig berichten werden über für Rumänien relevante Veröffentlichungen, dies immer auch zweisprachig.

Bei der Lesung am 15. Februar im Goethe-Institut handelt es sich um Frau Ursula Ackrill, die aus ihrem Roman „Zeiden, im Januar“ lesen wird. Ist Sie denn bereits übersetzt? Und nach welchen Kriterien suchen Sie Autoren aus?

Frau Dr. Evelin Hust: Nein, wir haben hier, wie gesagt, auf Anregung der Hermannstädter gehandelt und wollen aber bei dieser Gelegenheit, die Passagen, die sie vorliest, ins Rumänische übersetzen lassen. Geplant ist dies als ein Gespräch unter der Moderation von Gabriel Horaţiu Decuble. Wir sind da alle sehr gespannt. Gleich nach Frau Ackrill werden am 22. Februar zwei junge Autoren, Julia Wolf und Bogdan Coşa, im Gespräch mit Alexandru Şahighian vorgestellt. Dabei geht es aber in erster Linie um ihre Erfahrungen als Literaturstipendiaten, die sie während ihres Aufenthaltes im Kulturhafen Cetate/Rumänien bzw. im Literaturhaus Wiesbaden, in einem für sie jeweils fremden Umfeld gesammelt haben. Außerdem werden wir langfristig auch unterstützend im Vorfeld der Leipziger Buchmesse 2018 tätig, da dann Rumänien Gastland auf der Messe sein wird.

Auch in diesem Zusammenhang, aber auch generell, wenn Sie mich nach den Auswahlkriterien fragen, so spielt auf der einen Seite eine Rolle, dass diese jungen Autoren sich schon in irgendeiner Weise bewährt haben, auf einer Short List erschienen sind oder bereits einen renommierten Verlag für sich interessieren konnten. Also die Qualität als deutsche Autoren spielt eine Rolle, zum anderen wollen wir jedoch junge Talente fördern, d. h. Autoren von Bestsellern brauchen nicht unbedingt unsere Förderung, da sind andere Partner gefragt, die Lesungen organisieren können bzw. Übersetzungen finanzieren. Ein weiteres Kriterium ist sicher auch, ob sie für das hiesige Publikum interessant sind, einen Bezug zur Region haben, und das ist im Fall von Ursula Ackrill bzw. Julia Wolf durch ihren Aufenthalt hier gegeben.

Diese beiden Veranstaltungen werden in der Bibliothek in Bukarest stattfinden. Nach der Tragödie im Colectiv-Club gibt es ein Umdenken, was die Sicherheitsbestimmungen betrifft, andererseits entstehen da doch Probleme. Wo sollen die verschiedenen Veranstaltungen noch stattfinden? Und wie gehen Sie damit um, auch in Hinsicht auf das jährliche Deutsche Filmfestival?

Frau Dr. Evelin Hust: Neben dem Filmfestival, das wir für den 11. November planen und wo wir zurzeit tatsächlich ein Problem haben, eine geeignete Spielstätte zu finden, wollen wir auch einige kleinere Reihen, das heißt regelmäßig stattfindende Veranstaltungen ins Leben rufen. Da haben wir die geeigneten Räumlichkeiten bereits gefunden. Im musikalischen Bereich wären dies Live-Übertragungen von Konzerten der Berliner Philharmoniker in der Musikakademie. Zum anderen werden wir auf Anregung und in Zusammenarbeit mit dem Kurator des Filmfestivals, Andrei Rus, zweimal monatlich und im Wechsel Filmproduktionen der BRD und DDR aus den 1980er und 1970er Jahren gegenüberstellen, die wir im Filmsaal „Elvire Popesco“ und im Control-Club zeigen. In beiden Fällen wollen wir da auch intensiv mit den Studenten der entsprechenden Einrichtungen zusammenarbeiten.

Die Schwierigkeiten und Probleme, die sich aus dem Colectiv-Unglück für Theater, Filmstudios und gerade auch für die innovative, informelle Kulturszene in Bukarest ergeben, können durchaus im Rahmen eines Regionalprojektes, das sich „Actopolis“ nennt, eine Rolle spielen, das sich unter anderem ja auch mit der Frage beschäftigt, was eine künstlerische Aktion im öffentlichen Raum bewirken kann. Im Vorfeld sollen kleinere Aktionen dahinführen, aber die Ideen sind noch im Fluss, sie können dystopisch, utopisch oder pragmatisch ausfallen. Geplant sind diese Aktionen, die vor allem im Süden Bukarests durchgeführt werden, für den Mai/Juni dieses Jahres. Die Frage, was geschieht mit den erdbebengefährdeten Gebäuden – sollen diese nun alle abgerissen werden? – beschäftigt uns natürlich auch. Wir hoffen da auf pragmatische Lösungen, zumal so ein Verdrängungswettbewerb um die wenigen noch verfügbaren öffentlichen Räumlichkeiten stattfindet.

Würde es sich unter solchen Bedingungen nicht empfehlen, ein eigenes größeres Haus zu haben, in dem man auch Veranstaltungen durchführen kann?

Frau Dr. Evelin Hust: Sicher, das würde sich sehr empfehlen, das müssten wir finden und finanzieren können. Tatsächlich war der jetzige Sitz von vornherein als Provisorium geplant, der Mietvertrag geht bis März 2018, aber danach müssen wir eine neue Lösung finden. Gerade auch in Hinsicht auf die neue Situation sind wir auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie, mit der wir uns auch zu verbessern suchen. Bis dahin sind wir froh, mit der Bibliothek zumindest in Ansätzen über eigene Räumlichkeiten zu verfügen. Aber auch in Zukunft wird es schwierig für neue Ausstellungen, wie wir sie in diesem Jahr mit „‘Geniale Dilettanten‘. Subkultur der 1980er-Jahre in Deutschland“ präsentieren wollen, die entsprechenden Räumlichkeiten zu finden. Auch hier wird die Zeit vor der Wende, das heißt die 1980er Jahre, im Fokus stehen , die im Vergleich zu den Ereignissen hier in Rumänien in Bezug gesetzt werden, also die Subkultur, die Musikrichtungen, aber auch die Kunst und das Lebensgefühl der 80er in Bukarest oder Temeswar, und welches Verhältnis zwischen Subkultur und den sogenannten Etablierten im Rückblick besteht.

Subkultur, Punk, junge Autoren, das hört sich so an, als würde hier gezielt die Avantgarde der deutschen Kulturszene repräsentiert. Was sind Ihre Zielgruppen und inwieweit spielt die deutsche Minderheit für Sie eine Rolle?

Frau Dr. Evelin Hust: Tatsächlich wendet sich unser Angebot vor allem an die 18 bis 35-Jährigen und da an die Mehrheitsbevölkerung, aber natürlich versuchen wir auch andere Gruppen mit einzubeziehen und freuen uns, wenn unser Programm wahrgenommen wird. Eine besondere Gruppe, die wir in Zukunft speziell berücksichtigen möchten, sind die Jugendlichen, d. h. die Teenager, da man hier schon mehrfach an uns herangetreten ist, weil es hier für diese Altersgruppe keine adäquaten Angebote gibt. Gerade in diesem Segment hat Deutschland einiges zu bieten, wie Jugendtheater und -literatur, da möchten wir in Zukunft ansetzen.
In diesem Sommer haben wir auch einige Programme, die sich an die Jugendlichen der deutschen Minderheit wenden, über die Sie genauer Christa Ganterer informieren kann.

Die Jugendlichen der deutschen Minderheit stehen wohl im nächsten Jahr sehr im Focus?

Frau Ganterer: Zumindest haben wir zwei Projekte, die sich direkt an sie wenden. Außerdem haben wir auch ein paar neue Lehrmaterialien für die Jüngsten, aber davon später. Bei dem ersten Programm handelt es sich um ein Sommercamp, das wir in der Zeit vom 2. bis 17. Juli in Valea lui Liman, das liegt zwischen Deva und Lugosch, durchführen werden. Das Projekt, das vom ifa (Institut für Auslandsbeziehungen), dem Goethe-Institut, aber in diesem Jahr auch vom Deutschen Forum unterstützt, respektive durchgeführt wird, wendet sich an Jugendliche der deutschen Minderheiten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren aus acht europäischen Ländern wie Polen, aber auch Russland, Ungarn, Serbien, und in diesem Jahr ist Rumänien Gastland. Thema dieses Jahr ist: „Europa verbinden – Jugend bewegen – Umwelt erhalten“. Die Jugendlichen dieser Länder können sich für das Programm bewerben, für Rumänien mit bis zu 30 Personen. Voraussetzung ist ein Deutschniveau von mindes-tens A2. Ziel ist es, durch gemeinsame Workshops und Projekte Themen zu erarbeiten, die dann in medialer Hinsicht umgesetzt werden (Film, Theater etc.), aber auch sich über die eigene Identität klar zu werden.

Welche Bedeutung die deutsche Sprache für einige noch und für andere vielleicht wieder hat.
Ein weiteres Vorhaben des Goethe-Instituts ist ein Filmprojekt: „Sprache und Identität – Die heutige Enkelgeneration der deutschsprachigen Minderheiten in Mittelosteuropa“. Als Vorbild dient ein Film über polnische Jugendliche. Vier junge Leute, deren Großeltern noch Deutsch sprachen, das heißt der Vorkriegsgeneration angehörten, sprechen über ihr Verhältnis zur deutschen Sprache, ihre gefühlte Identität. Auch das Umfeld, das Dorf oder die Stadt, in dem sie ja leben, wird miteinbezogen. Dieses Konzept soll auf rumänische Verhältnisse übertragen werden. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forum – die Gespräche hierzu sind anberaumt – werden vier Jugendliche der deutschen Minderheit im Alter von 18 bis 35 ausgewählt. Wir hoffen, vielleicht noch in diesem Frühjahr so einen Film zusammenzustellen. Wissenschaftlich begleitet wird dieses Projekt von Prof. Dr. Claudia Maria Riehl vom Institut für Deutsch als Fremdsprache der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gerade auch im Vergleich zu den Minderheiten anderer Länder könnte dieses Projekt sehr aufschlussreich sein.
Für die jüngere Zielgruppe, die unter 10-Jährigen, möchte ich auf diesem Weg „Lingo – Das Mit-Mach-Magazin“ verstärkt bekannt machen. Ein hochwertiges buntes DIN A4 Heft, das mit Sachgeschichten spielerisch sprachliche Kompetenz fördert. Von diesem Material können bis zu 15 Hefte an schulische Einrichtungen geliefert werden. Interessenten können sich hier an das Goethe-Institut wenden und wir hoffen auf noch mehr Feedback, um eventuellen Verteilerschwierigkeiten besser begegnen zu können.

Frau Hust, Frau Ganterer ich bedanke mich für das Gespräch und die umfangreichen Informationen.

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Termine des Goethe-Instituts im Februar
15.02.2016, 19 Uhr:
Lesung und Gespräch mit Ursula Ackrill und Gabriel H. Decuble; Bibliothek, Goethe-Institut (Str. Tudor Arghezi 8 -10)

15.02. - 15.12.2016:
OST-WEST-KINO - Filme aus der DDR und der BRD vor der Wiedervereinigung; Club Control / Cinema „Elvire Popesco“ (Str. Constantin Mille 4 / Bd. Dacia 77)

22.02.2016, 19 Uhr:
Lesung: Julia Wolf (Berlin) und Bogdan Coşa (Bukarest) im Gespräch mit Alexandru Şahighian; Bibliothek, Goethe-Institut

27.02.2016, 21. Uhr:
Digital Concert Hall; Dirigenten und Solisten der klassischen Musik in Konzerten der Berliner Philharmoniker; Musikuniversität Bukarest, UNMB, Sala de Operă, Str. Ştirbei Vodă 33

Weitere Programme auf : http://www.goethe.de/ins/ro/de/buk/ver.cfm